Samstag, 14. Juli 2007

Man wird doch etwas heucheln dürfen

Wie die Medien heute in fetten Schlagzeilen berichten, sind die NATO und die USA sehr "besorgt" und "enttäuscht", nachdem Russland den KSE-Abrüstungsvertrag eingefroren hat. Und gleich hagelt es von ihnen das, was man in den Atlantiker-Kreisen am Liebsten tut: Kritik an Russland. Währenddesen bereitet die tendenziöse Presse mit ihrem demonstrativen Erschrecken vor einem "herben Rückschlag für die Abrüstung" (SPIEGEL Online) sowohl den Boden für derartige Stimmungen, als auch bietet sich als das Sprachrohr für allerlei Kritiker an.

Unter all den Krokodilstränen, findet sich der Hinweis darauf, dass die NATO-Staaten den KSE-Vertrag bis heute nicht ratifizieren wollten (einige sind ihm sogar gar nicht beigetreten), wenn überhaupt nur ganz hinten. Die NATO knüpft ihre Ratifikation des Vertrags an den russischen Abzug aus Georgien und Moldawien, was jedoch juristisch überhaupt nichts miteinander zu tun hat. Vielmehr wurde diese Verknüpfung einseitig von der NATO beschlossen und war nie Bestandteil des ursprünglichen Regelwerks. Die Erwähnung dieses wichtigen Punktes wird man jedoch in den meisten führenden Medien vergeblich suchen. Die Wahrheit wird eben solange beschnitten, bis sie passend ist. Die bösen Russen zertreten georgische und moldawische Roggenfelder und irgendwie wird das schon was mit dem KSE-Vertrag zu tun haben. In Wahrheit ist der russische Abzug aus Georgien beinahe abgeschlossen, während in Moldawien, genauer genommen Transnistrien (welches sich mit allen Kräften gegen die Kontrolle Chisinaus wehrt), nur noch Bewacher von Munitionsdepots verblieben sind. Doch diese Details interessieren die NATO nicht, denn alles läuft sowieso bestens. Russland erfüllt den Vertrag einseitig, während man ihn selbst durch diese sehr willkommene Ausreden nicht zu erfüllen braucht. Mehr noch, die USA gründen immer neue Basen auf dem Balkan und in Osteuropa.

Und wenn die aktuelle Haarspalterei bezüglich Russland nicht mehr zieht, wird man eben zur nächsten greifen. Wie war das mit den russischen Friedenstruppen in Abchasien und Südossetien? Gehören die nicht ebenfalls zu Georgien? Dort könnten die Russen ebenfalls weg, ganz egal, ob sie von den Abchasen und Südosseten als einzige akzeptiert werden und als einzige ein Blutvergießen verhindern können. Jede noch so unverantwortliche und (zum Glück) unerfüllbare Forderung ist willkommen, wenn sie politische Zweckmäßigkeit dient: Russland weiter hinzuhalten und zu einseitigen Konzessionen in der Rüstungssphäre zu zwingen. Sehr oft erlebten wir übrigens in der letzten Zeit im Westen, wie allgemeine Prinzipien den Schablonen geopolitischer Zweckmäßigkeit weichen müssen, sei das beim russischen Gasstreit mit der Ukraine, wo der Westen vorübergehend vergaß, was Marktwirtschaft ist, oder beim Grabstättenstreit in Talinn, wo man gerne außer Acht ließ, dass Respekt vor Soldatengräbern, egal welcher Seite, in Europa eigentlich Standard ist.

Dass Russland diese hinterhältige Taktik nicht ewig über sich ergehen lässt und dass die aus der Sicht des Westens "goldenen" Jelzin-Jahre vorbei sind, sollte jedoch schon seit ein Paar Jahren auch in Brüssel dämmern. Doch wenn die Russen dann die Reißleine ziehen, dann ist es zwar traurig, lässt sich aber immerhin noch trefflich propagandistisch ausschlachten. Seht her - die wollen Krieg!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Stimme dem Beitrag völlig zu. Die andauernde Russophobie in den deutschen Medien gibt Einiges zu denken. Es wird zwar nicht gelogen, aber die Wahrheiten im falschen Licht dargestellt, und wichtige Fakten und Zusammenhänge werden einfach verschwiegen. Das lässt den selbsternannten "Russlandexperten" alle Freiheit für ihre "Expertisen". Beispiele dafür gibt es in diesem Blog genug. Ich wünschte mir, mehr Menschen würden die Beiträge eines der wenigen westlichen Russlandkenners Alexander Rahr kennen lernen, der öfters an den Diskussionsrunden bei Phoenix teilnimmt. Doch dank seines Russlandverständnisses wird er wohl selten bei den anderen Sendern zu sehen sein.
Russische Medien werden ständig kritisiert.Ich drehe mal den Spieß um und empfehle die deutschen Medien auch unter folgendem Aspekt zu betrachten. In den Archiven der Bundeswehr wurden "versehentlich" die Daten der Auslandseinsätze aus den Jahren 99 bis 03 gelöscht, die unter anderem den Fall Kurnaz betreffen. Wo bleibt der Aufschrei der ach so freien Presse, in meinen Augen ist das ein Skandal hoch zehn. Jeder IT-Anfänger weiß, solche Daten werden zig mal kopiert und abgesichert.
Oder, konnte man den Verlauf der Aufklärung der Korruptionsaffäre in Sachsen-Anhalt verfolgen, die bis in die höchste Regierungsebenen reichte? Ich jedenfalls nicht ohne Internet. Anscheinend ist das alles keine Meldung wert und wird einfach totgeschwiegen, oder sind in diesen Fällen vielleicht die Wahrheiten zu unbequem? Und solche Fälle gibt sehr viele. Man berichtet eben lieber weiter über den süßen Knut und die Haft von Paris Hilton, oder man prügelt wieder auf den bösen Ivan ein.
Ich will nicht weiter über die Gründe dafür spekulieren. Aber bevor man mit dem Finger auf jemand zeigt, sollte man zuerst sich im Spiegel anschauen.
Ich hoffe nur, die deutsche Regierung und die EU verspielen nicht die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Russland und lassen sich von den Kaczynski Brüdern und anderen Quertreibern nicht in die Suppe spucken. Sonst könnte Russland irgendwann in China einen besseren Wirtschaftspartner entdecken.