Samstag, 6. Januar 2007

Michail Chodorkovsky

Michail ChodorkovskyChodorkovsky ist zweifellos ein Dieb, denn niemand kann binnen weniger Jahre ein Vermögen von knapp 18 Milliarden Dollar mit ehrlichen Geschäften anhäufen. Deswegen sind die Krokodilstränen, die die westliche Medienwelt nach ihm weint, kaum mehr als Heuchelei und Realitätsausblendung. Chodorkovsky hat sich im Westen zu einer nützlichen Keule gegen Putins Russland entwickelt. Ein axiomatisches Schlagwort, von denen es mittlerweile viele gibt "Pressefreiheit", "Demokratiemangel", "Gouverneursernennungen", "Litvinenko", "Gaserpressung" u.v.m. Wer ein Stück Ehrlichkeit besitzt und sich der Tatsache stellt, dass es sich bei Michail Chodorkovsky nicht um einen ehrlichen Geschäftsmann handeln kann, der darf sich nicht ernsthaft darüber aufregen, dass dieser Mann heute in Sibirien Handschuhe für Armeeangehörige näht. Die Frage, die wohl etwas mehr moralische Aufrichtigkeit hätte, wäre höchstens, warum nicht noch viel mehr von Russlands Oligarchen hinter schwedischen Gardinen sitzen. Denn verdient hat es sicherlich nicht nur Chodorkovsky.

Ich erkläre mir diesen Umstand damit, dass man aus realpolitischen Gründen nicht alle Oligarchen einbuchten kann. Schließlich handelt es sich bei ihnen heute unabhängig von ihrer Vergangenheit um bedeutende Wirtschaftsakteure, an denen Milliarden Steuereinnahmen und Millionen Arbeitsplätze hängen. Eine Totalverstaatlichung des Oligarchenbesitzes wäre fatal, denn niemand muss den Russen heute noch erklären, dass der Staat ineffektiver wirtschaftet, als ein Privatkonzern. Und die Turbulenzen im Zusammenhang mit einer Reprivatisierung kann und will sich in Russland niemand mehr antun.

Im Grunde verstehe ich Putins Situation in seiner Anfangszeit als Präsident so: auf der einen Seite sind da die gierigen Oligarchen, die nicht nur nach Geld, sondern auch nach politischer Macht lechzen. Ihr Einfluß gehört dringend beschränkt, will Russland nicht weiterhin im korrupten und ruinösen Sumpf der 90er Jahre verfaulen. Auf der anderen Seite darf das recht flotte und optimistisch stimmende Wirtschaftswachstum nicht abgewürgt werden. Denn das Dringendste, was der todkranke Patient Russland in diesem Situation brauchte, war nicht die verdiente Abstrafung der Oligarchen, sondern Stabilisierung. Ohne Stabilisierung und wirtschaftlicher Erholung wären solche Aktionen im zerfallenden Land Russland brotlose Kunst. Und so entschied sich Putin für einen Mittelweg, einen Kompromiss zwischen zwei gegenläufigen Tendenzen. Er schnappte sich den reichsten und den frechsten von den Oligarchen, der außerdem noch drauf und dran war, die ergatterten strategischen Ressourcen Russlands an die Amerikaner zu verscherbeln, und statuierte an ihm ein Exempel. Und die Botschaft ist in der Tat angekommen. Die meisten haben diese Lektion gelernt und eingesehen, dass die Spielchen der 90er im heutigen Russland nicht mehr möglich sind. Wollen sie keinen Ärger, haben sie ab nun brave Bürger und Mäzene zu sein.

Nur mit solch einem großen und prominenten Mann wie Chodorkovsky war dieser Effekt zu erreichen gewesen. Sicherlich war dies kein lupenreines und rechtsstaatliches Vorgehen, doch realpolitisch war dies das einzig Richtige. Und auch die ausländischen Investitionen in Russland, denen erboste westliche Zeitungen dramatische Einbrüche prophezeiten, haben sich gänzlich unbeeindruckt gezeigt.

Freitag, 5. Januar 2007

Russisch-weißrussische Beziehungen

In der letzten Zeit haben sich die politischen Beziehungen zwischen Russland und Weißrussland merklich abgekühlt, vor allem wegen dem Streit um die Gaspreiserhöhung, der erst zwei Minuten vor Silvester-Mitternacht gelöst wure. Während viele in Russland der Meinung sind, dass dies eine vollkommen unnötige Aktion seitens Russlands gegen Weißrussland war und das Land einen seiner weniger "treuer" Verbündeten vergrault hat, sehe ich darin eher einen erwartungsgemäßen Ausbruch aller Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich im russisch-weißrussischen Verhältnis schon lange im Stillen akkumulierten.

Die bisherigen Beziehungen der beiden Länder basierten im wesentlichen auf dem Prinzip "Freundschaft für Bares". Weißrussland bekam von Russland extrem billiges Öl und Gas und verkaufte es verteuert weiter. Durch diese Finanzierung, die sich im Jahr auf mehrere Milliarden Dollar belief, gelang dem Väterchen (Батька), wie Lukaschenko im Inland heißt, eine einigermaßen stabile und erträgliche Wirtschaftslage im Land aufrechtzuerhalten und sich gegen die ideologische und machtpolitische Unterwanderung aus dem Westen zu behaupten. Doch im Gegenzug erhielt Russland relativ wenig. Zwar blieb Weißrussland "das fehlende Glied" in der Kette russland-feindlicher Regierungen, die nach Plänen Washingtons Russland isolieren sollen, doch die lange geplante Integration mit Russland hat Lukashenko in den letzten Jahren konsequent ausgebremst.

Neben dem kränkelndem Jelzin sah der junge und energische Lukashenko noch wie ein Erfolgstyp aus. Seinem Land waren die schlimmsten Erschütterungen des Übergangs zum Kapitalismus, wie es sie Russland erlebte, erspart. Bei vielen Russen genoss Lukashenko Sympathie und so machte er sich nicht unberechtigte Hoffnungen darauf, dass im Falle eines russisch-weißrussischen Unionsstaates, dessen gleichberechtigte Ausgestaltung trotz unterschiedlicher Gewichtskategorien gegen den "großzügigen" Trunkenbold Jelzin nicht schwer durchzusetzen wäre, er selbst den Präsidententhron des vereinten Staates erklimmt. Doch es kam anders, es tauchte Putin auf. Neben ihm sieht Lukashenko lange nicht so erfolgreich aus. Und die Russen haben nach turbulenten Jahren die Weißrussen in Sachen Wohlstand mittlerweile hinter sich gelassen. Lukashenko dämmerte es, dass das Höchste, was ihn im Unionsstaat erwarten wird, die Rolle eines unbedeutenden Provinzfürsten und Befehlsempfängers ist. Und Putin machte keinen Hehl daraus, dass eine Integration beider Staaten bei den unterschiedlichen Gewichtsklassen nicht auf einer vollkommen gleichberechtigten Basis stattfinden kann.

Ein Spatz in der Hand ist besser, dachte sich Lukashenko, und machte eine Kehrtwende in seiner Politik. Seitdem hat er jegliche geplante Unternehmungen im Rahmen des Unionsstaates ausgesetzt, so z.B. die Zollunion oder die für 2004 geplante gemeinsame Währung. Lukaschenko gelangte in eine widersprüchliche Situation, in der er Moskau opponierte und gleichzeitig weiterhin von ihm abhängig war.

to be continued...

Vorwort

Dies ist mein erster Eintrag in diesem Blog. Warum habe ich ihn angelegt? Um mich auszudrücken. Es schwirren viel zu viele Gedanken und Überlegungen in meinem Kopf herum und wollen schließlich der Welt mitgeteilt werden. Natürlich gibt es auch Diskussionsforen, doch so richtig geeignet sind sie dazu meiner Meinung nach nicht. In manchen gibt es Zensur, in den anderen Trolle, die interessante Diskussionen zumüllen. Und schließlich bleiben dort wertvolle Aspekte und Überlegungen zerstreut und gehen mit der Zeit verloren. Hier besteht dagegen die Möglichkeit, alles auf einem Ort zu haben, handlich und übersichtlich. Eine Kollektion von Ansichten, die meine politische und gesellschaftliche Weltanschauung ausmachen, alles auf einem Haufen...

Da ich regelmäßig die deutschsprachige Medienwelt über Russland studiere und mich oft über ihre mangelnde ethische Qualität und strategischen Weitblick aufregen muss, kam mir die Idee, diesen Blog als Sammlung von kommentierten Beispielen der Russland-Berichterstattung zu nutzen. Vielleicht gelingt es mir ja, dem einen oder dem anderen, der sich für Russland interessiert, die Augen auf interessante Vorgänge zu öffnen und die Tücken der medialen Schlacht, die tagtäglich stattfindet etwas besser begreiflich zu machen.