Donnerstag, 7. August 2008

Antisowjetisch. Antiwestlich. Prorussisch.

Ein Titan geht. Für Alexander Solženicyn ist dieses Wort nicht zu pathetisch, denn wohl kaum lässt sich eine Person finden, die in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts eine vergleichbare Stellung einnahm. Zugleich gibt es wohl kaum einen Menschen, dessen individeller politischer Beitrag zum Sturz des kommunistischen Systems größer war, als der von Solženicyn, auch wenn gelegentlich Ronald Reagan oder gar Johannes Paul II. zu solchen hochstilisiert werden. In Wahrheit war die "im Felde unbesiegte" Sowjetunion weder an den Drohgebärden Ronald Reagans noch an der Papstverehrung im Ostblock-Peripheriestaat Polen zerbrochen. Den eigentlichen moralischen Todesstoss versetzte ihr Alexander Solženicyn mit seinen Romanen "Ein Tag im Leben von Ivan Denisovič" und "Der Archipel Gulag". Auch wenn der Tod danach nicht sofort eingetreten ist, war dem kommunistischen System eine Giftportion sondergleichen verabreicht worden, die langsam aber stetig wirkte und sie von ihnen zersetzte. Die durch Solženicyn angesägten moralischen Tragsäulen waren denn auch dafür verantwortlich, dass die UdSSR ab 1985 von innen heraus implodierte - mit all den positiven und negativen Konsequenzen bis heute.

Anfangs ein willkommenes Werkzeug in den Händen des Westens, nahm Solženicyn jedoch dann aus westlicher Sicht eine sonderbare Entwicklung, die sich so gar nicht in die Verhaltensmuster handelsüblicher Lakaien-Dissidenten wie Bukovsky oder Bonner einreihen wollte. Solženicyn war weit davon entfernt, die westliche Lebensweise zu vergöttern. Er offenbarte stattdessen eine sehr heimatverbundene, patriotische und konservative Ader, die stark an Dostoevsky, aber auch an die Weißgardisten erinnerte.

Nach seiner Rückkehr ins Jelzin'sche Russland des moralischen Verfalls und des Raubkapitalismus war Solženicyn trotz seiner Verdienste um die Auseinandernahme der alten SU, schnell zu unpassend und zu unbequem geworden. Auch das Jelzin Solženicyn 1998 mit einem Staatspreis ehren wollte, was dieser empört ablehnte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die prowestlich-liberale Clique an der Spitze des Staates und der Wirtschaft einen Prediger der Rückbesinnung auf urrussische Tugenden á la Dostoevsky nicht gebrauchen konnte und als einen Anachronismus verstand.

Erst unter Vladimir Putin ist Solženicyn wieder zu den Ehren gekommen, die ihm gebührten. Nicht nur, dass der Präsident den gebrechlichen alten Giganten mehrfach mit großem Respekt in dessen Haus bei Moskau besuchte. Auch in seinen Staatsreden griff er explizit Solženicyns Aussagen auf, wonach die "nationale Idee", nach der Russland derzeit so verzweifelt sucht, in der "Bewahrung des Volkes" - moralisch und physisch - liege. Wer Russlands Niedergang in der postsowjetischen Periode kennt, wird diese Worte in all ihrer Tragweite verstehen. Solženicyns demonstrierte zugleich seinen Respekt für Putin, der mit entschlossenem Handeln zur Stärkung und Stabilisierung des sich zuvor im freien Fall befundenen Landes beitrug.

Solženicyns Harmonie mit Putin sorgte indes im Westen für Irritationen. Wie könne es sein, dass ein ehemaliges Gulag-Opfer für einen "KGB-Offizier" schwärmt? Dass er das westliche Modell der hohlen Konsumgesellschaft ablehnt? Dies sei wohl nur durch die im Alter einsetzende Senilität und Anpassungsunfähigkeit an die Moderne zu erklären. Doch im SPIEGEL-Interview, das der 88-jährige Solženicyn im Jahr 2007 noch gab, nahm er höchst geistesgegenwärtig und treffend zu diesen "Anschuldigungen" Stellung. Dies bewahrte ihn dennoch nicht davor, dass er dem Westen als ein halber Verräter im Gedächtnis bleiben wird und vor allem die eindimensionalen Amerikaner mit Kommentaren wie "Solženicyns beflecktes Vermächtnis" ihm ins noch frische Grab spucken. Andererseits müsste man sich als russischer Patriot aber auch Sorgen machen, wenn einen die Amerikaner zu sehr loben.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Solschenizyn war ein sympathischer Russe. Schade dass nicht alle Russen so sind wie er.

Anonym hat gesagt…

Auszüge deines Beitrags:

"..in der "Bewahrung des Volkes" - moralisch und physisch - liege.."

"--die im Felde unbesiegte SU..."

DAS IST VOKABULAR DER NAZIS
Du vermengst die Dolchstoßlegende mit Rassischer Reinheit und Überlegenheit des russischen Blutes...

der unbequeme hat gesagt…

Die "Bewahrung des Volkes" ist im Hinblick auf die derzeitige demographische Entwicklung Russlands ein verständlicher Wunsch Solschenizyns, der nichts mit Nationalsozialismus zu tun hat. "Im Felde unbesiegt" war einfach nur eine Anspielung mithilfe historischer Redewendung darauf, dass die SU nicht militärischerweise fiel. Die Verschwörungstheorie, die Amis (z.B. Reagan) oder ihre Agenten wären der Auslöser für den Niedergang der SU unterstütze ich im Artikel ja gerade nicht. Deshalb ist die Parallele mit der Weimarer Republik nicht richtig.

Anonym hat gesagt…

> Solschenizyn war ein sympathischer Russe. Schade dass nicht alle Russen so sind wie er.

Endlich habe ich verstanden wie ein Russe kann sympathisch sein:
1. muss Tod sein
2. muss die propagandistische Mythen des Westens wiederholen.

ein Russe

Anonym hat gesagt…

hast du ichts besseres zu tun als um mitternacht komentare zu schreiben zizzz

Anonym hat gesagt…

habe mir soeben mal alles sorgfältig durchgelesen und muss sagen das ich mich freue das es doch noch leute mit durchblick gibt ...


... weiter so @ der unbequeme

berggeist hat gesagt…

Die Komentare sind schon seit langer Zeit aus. Schade. Man hat nichts begriffen. Solschenizyn kämpfte gegen das kommunistische politische System. Gorbatschow hat auch in derselben Richtung gekämpft. Jeder nach seiner Art. "Der Westen" hat diese protestantisache Bemühungen in eine ganz andere Bahn geleitet. Die Vernichtung des russischen Staates und der russischen Gesellschaft war nie ein Ziel dieser Männer gewesen! Leute, es ist kein Zwischenfall, entweder seit ihr auf der Vernichtungsseite gewesen und habt diese arme leichtsinnige Männer pragmatisch ausgenutzt, oder habt ihr genau so wie sie (Solschenizyn und Gorbatschow)gewollt die Welt zu verbessern.

Beelzebub2063 hat gesagt…

Gorbatschow und Welt verbessern in einem Satz...wow

Ich bin in einem kommunistischen System zu welt gekommen und aufgewachsen...

Diese Männer,Gorbatschow und Solschenizyn,sind zussammen mit vielen anderen dafür verantwortlich dass es meine Heimat nicht mehr gibt!

Mögen die beiden in der Hölle brennen...