Im Januar kam es dann Schlag auf Schlag: Für sein Konkurrenz-Projekt "South Stream", das zusammen mit Italien gebaut werden und zur Umgehung der unsicheren Ukraine und der Türkei auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlaufen soll, konnte Russland Bulgarien an seine Seite ziehen und sich darüberhinaus Eigentumsrechte am bulgarischen Streckenabschnitt sichern. Beim Besuch Vladimir Putins bei seinem bulgarischen Kollegen Georgi Parvanov in Sofia zum 130-jährigen Jubiläum der russischen Befreiung Bulgariens von den Türken, wurde dieses Vorhaben zementiert. Zeitgleich wurde die Ölpipeline Burgas-Alexandroupolis endgültig besiegelt, die den Bosporus und die Türkei umgehen soll und vom Schwarzen Meer zur griechischen Ägäis-Küste verlaufen wird. Auch an ihr wird Russland die mehrheitlichen Eigentumsrechte haben. Zusätzlich erhielt die russische Atombranche den Zuschlag für die Errichtung des bulgarischen AKW Belene.
Die Verläufe der wichtigsten russisch-europäischen Erdgaspipelines
Wenige Tage später gelang Russland ein ähnlicher Durchbruch in Serbien. In einem umfangreichen Geschäft wurde Serbien als ein weiteres Transitland für "South Stream" gewonnen. Gleichzeitig konnte Russland 51% am NIS (Naftna Industija Srbije) erwerben, dem größten serbischen Energieuternehmen. Serbien wird dafür zahlreiche Investitionen sowie Durchleitungsgebühren erhalten. Später kann es zum energetischen Verteilknotenpunkt auf dem Balkan ausgebaut werden. Viele Beobachter werteten diese schnelle Konkretisierung russischer Pläne als den endgültigen Todesstoß für das nebulöse "Nabucco", das seit Jahren nicht vorankommt.
Das europäische Bestreben, Russland zu umgehen, ist damit so gut wie gescheitert. Zwar sollten die Europäer Russland ohnehin nicht als Gegner betrachten, sondern eher froh sein, dass eine zuverlässige Quelle vorhanden ist, die ihren wachsenden Enegiebedarf decken kann. Dennoch offenbart dies alles, wie ineffektiv eine zwischen unterschiedlichsten nationalen Interessen zerrissene Institution wie die EU gegenüber einem konsolidierten Machtzentrum wie Russland auftreten kann. Immer eindeutiger zeigt sich, dass einzelne Länder (hier: Italien, Bulgarien) die erklärten EU-Ziele unterlaufen, wenn sie aus bilateralen Abmachungen einen größeren Nutzen für sich ziehen können. Dies ist ein strukturelles Problem, das kaum zu lösen ist, es sei denn mit drakonischer Disziplin, die die EU nicht gerade beliebter machen würde und ohnedies kaum duchsetzbar ist. Vielmehr sollten einzelne Länder die Realität anerkennen und außenpolitisch nicht so viel Zeit mit abstraken EU-Luftschlössern verschwenden. Will man gegenüber seinen schneller schaltenderen Nachbarn nicht ins Hintertreffen geraten, sollte man schon früh auf bilaterale Politik setzen. Das ist etwas, was schon Gerhard Schöder mit der Ostsee-Pipeline erkannte und was dem Hirn der miserablen Außenpolitikerin Angela Merkel bis heute verborgen bleibt. Zum Schaden der deutschen Interessen, denn die beschriebene Situation lässt sich auf viele andere Bereiche übertragen.
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