Dienstag, 31. Januar 2012

Anti-Putin-Propaganda immer absurder

Die obligatorische Anti-Putin-Propaganda der deutschen Medien nimmt immer absurdere, unprofessionelle und erzwungene Züge an. Zuletzt wurden dankbar Gerüchte aufgegriffen, Putin lasse mit Zuckerbrot (Geld) und Peitsche (Drohungen) Demonstranten zu "Jubeldemos" karren.

Ohne verlässliche Quellenangaben verkünden Spiegel, Welt, Bild, Focus und Co., dass für die Teilnahme an den Demos umgerechnet ca. 20 Euro angeboten werden. Die Angebote sollen sogar offen zugänglich auf Internetplattformen aufzufinden sein. Dass die ach so bösen Putin-Schergen überaus blöd wären, ihren politischen Gegnern mit solchen Schritten eine Steilvorlage zu liefern, fällt den "mit allen Wassern gewaschenen Vollprofis" in den Redaktionen nicht auf. Auch dass das, wenn es wirklich stimmen sollte, eher nach billigen Provokationen der Gegenseite aussieht.

Ferner wird den Putin-Anhängern vorgeworfen, mit Konzerten und Essen zu den Kundgebungen "gelockt" zu werden. Wie hinterhältig! Ich kann mich nicht erinnern, dass jemand während der Orangenen Revolution hierzulande bemängelt hätte, dass auf dem Maidan eine riesige Showbühne mit Laserlicht und Popmusik stand, ganz zu schweigen von der Feldküche. Dorthin waren zweifelsfrei alle ausnahmslos aus politischen Gründen gekommen.

Süß ist auch wie die Medien immer wieder den "Schriftsteller" Limonow instrumentalisieren, um die Message zu bekräftigen. Dieser werde samt Anhängern abgeführt, nachdem er die Versammlungsfreiheit forderte. Detaillierter auszuführen, was seine radikale National-Bolschewistische Partei sonst noch so fordert, wäre für den Erfolg der Message vermutlich genauso wenig hilfreich, wie schon die reine Nennung des Parteinamens, den die sorgfältigen Artikelmacher natürlich elegant umschiffen.

Es ist weniger das unkritische Aufgreifen aller noch so abstrakten Anti-Putin-Gerüchte und die Berichterstattung nach dem Motto "es wurde gehört, das jemand gehört hat, das jemand etwas gemacht haben soll", die noch zu erstaunen vermag. Auch dass ein solches Vorgehen nur in die eine Richtung praktiziert wird und niemals gegenteilige Gerüchte über Bezahlungen für Anti-Putin-Demos abgedruckt wären, versteht sich. Bemerkenswert ist jedoch der beinah identische Text der "Qualitätspresse" im Land des Pluralismus und der Meinungsfreiheit:

Spiegel
Focus
Welt
Bild
NZZ

Dabei lässt sich die Tatsache, dass Putin weiterhin die höchsten Vertrauenswerte aller russischen Politiker genießt (ca. 50%), zwar nicht widerlegen, dafür aber schön unter den Teppich kehren. Sonst könnte der Leser ja auf den Gedanken kommen, dass die Pro-Putin-Demos angesichts dieses Umstands ja doch gar nicht so unecht sein müssen.

15 Kommentare:

Stirlitz hat gesagt…

Investigativer Journalismus bringt es nun mal mit sich, daß sich nicht alles belegen läßt. Ich war nicht in Kiew, aber meine Erfahrung sagt mir, daß bei der orangenen Revolution sowohl ukrainische Bürger aus eigenem Antrieb mitgemacht haben, als auch westliche Geheimdienste und deren Helfer ihre Hand im Spiel hatten.
Großdemonstrationen entstehen nicht nur durch geheimdienstliche Manipulationen, ganz ohne echten Bürgerzorn geht es nicht. Aber sie sind natürlich oft auch ein Tummelplatz für Außenstehende, die dort ihr eigenes Süppchen kochen wollen.
Ohne Mäuschen gespielt zu haben kann ich mir auch gut vorstellen, daß westliche Geheimdienste versuchen, die Anti-Putin Demos zu instrumentalisieren. Aber ich kann mir genauso gut vorstellen, daß die russische Regierung alles das wirklich tut, was in den von Ihnen kritisierten Artikeln steht. Wieso sollte gerade diese Regierung moralischer sein? Nein, mir liegen keine Quittungen für Demo-Honorar vor, aber ich weiß aus eigener Erfahrung daß russische Amtsträger sehr gerne zu solchen Mitteln greifen.
Wo Sie aber grundsätzlich Recht haben ist, daß eine Demo in der westlichen Presse unterschiedlich dargestellt wird, je nachdem ob die Demonstranten „gut“ oder „böse“ sind. Ein paar internationale Beispiele: Ägypten, Libyen: Friedliebende Bürger, die sich nicht mehr bevormunden lassen wollen, keine Islamisten weit und breit. Was haben wir heute? Islamisten liegen in Ägypten vorn, Menschenrechtsverletzungen durch Anti-Gaddafi-Kräfte in Libyen. 2006 in Ungarn: Demonstrationen gegen die Regierung, nachdem eine geheime Rede des Ministerpräsidenten bekannt wird, in der dieser zugab, das Volk belogen zu haben. Weil sich die Demos auch gegen Sparprogramme, gegen die EU richteten, war von Radikalen die Rede, von Gewalt, von antidemokratischen Kräften etc, die massive Polizeigewalt der Regierung wurde gerechtfertigt.
Was mir wichtig ist: Nur weil der Westen heuchelt, ist Putin nicht automatisch gut. Nur weil Putin heuchelt, ist nicht der Westen automatisch gut. Von diesem Denken sollten wir uns verabschieden.

der unbequeme hat gesagt…

Hallo Stirlitz,

danke für die sehr interessanten Beiträge in meinem Blog. Ich schätze ausgewogene und gut argumentierende Leser wie Sie sehr.

Wie beurteilen Sie eigentlich die Initiative Putins, alle Wahllokale mit Webkameras auszurüsten sowie transparente Wahlurnen aufzustellen?

Anonym hat gesagt…

Die Misere der deutschen Russland-Berichterstattung beruht auch auf der Tatsache, dass die meisten Zeitungs-und Online-Redaktionen am dpa-Tropf haengen. Die Meldungen dieser Agentur werden unkritisch uebernommen und bestenfalls ein wenig redigiert. Ja, und im Moskauer dpa-Buero sitzt ein gewisser Ulf Mauder, der schon seit Jahren gegen Putin hetzt.

Stirlitz hat gesagt…

Hallo Unbequemer,

danke für die netten Worte, machen Sie weiter so und posten sie bitte etwas öfter.
Was ich von der Idee mit den Kameras halte?

Erstens: gibt es denn überall im weiten Russland die nötigen technischen Voraussetzungen?

Zweitens: wenn der Wille zu Fälschung besteht, dann wird auch gefälscht, vielleicht nicht mehr bei der Auszählung, sondern danach. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Drittens: Anders als Sie glaube ich, dass die Anweisung zur Fälschung von ganz oben kommen, also sind jegliche Ideen aus derselben Quelle, die Fälschungen verhindern sollen, nur Augenauswischerei (sieh Punkt zwei)

Viertens: Ähnlich wie Sie vermute ich, dass Putin unter normalen Voraussetzungen jeden derzeit bekannten Gegenkandidaten in einer ehrlichen Wahl hätte schlagen können. Wohl nicht mit Breschnew-Resultat, aber sicher knapp im zweiten Wahlgang. Warum hat er es nicht einfach probiert? Mit „normalen Voraussetzungen“ meine ich eine Wahl ohne Volkszorn, in der die Menschen ihre Frustration über Korruption und Willkür auslassen. Und da Putin nun mal die oberste Ursache für Korruption und Willkür ist und auch nichts dagegen tun kann, ohne das ganze System zum Einsturz zu bringen, muß er wohl inzwischen zu solchen Mitteln greifen. Dabei wären Prochorow, Sjuganow, Shirinowski oder Mironow keine ernsthafte Gefahr für ihn gewesen.

der unbequeme hat gesagt…

Hallo Stirlitz,

ok, danke für Ihre Meinung, die ich respektiere.

Aber anders gefragt:
Sie werden vermutlich nicht bestreiten, dass Putin ein Patriot seines Landes ist. Das lässt sich zumindest an seinen außenpolitischen Handlungen sehr gut erkennen. Er arbeitet nachweislich sehr viel und ist fast ständig im ganzen Land unterwegs, auch außerhalb des Wahlkampfes. Damit hebt er sich sehr auffällig von allen seinen Vorgängern ab. Wenn man nun annehmen würde, dass er ein korrupter Parasit ist und schon ein Milliardenvermögen angehäuft hat, so hat er vor dem Hintergrund des Gesagten schon rein physisch eindeutig sehr wenig davon, abgesehen davon, dass es auch inhaltlich nicht zu seinem engagiert-patriotischen Verhaltensmuster passt.

Ist Ihnen vielleicht schon mal der Gedanke gekommen, dass er nicht, wie Sie sich ausgedrückt haben, die Ursache für Korruption ist, sondern dass er sie bislang tolerieren muss, weil er trotz äußerem Eindruck nicht ganz so viel Macht hat, um gegen den Beamtenapparat vorzugehen?

Politik ist die Kunst des Machbaren und Putin hat schon wiederholt unter Beweis gestellt, dass er ein solcher pragmatischer Künstler ist. Ich halte ihn nicht für korrupt und denke, dass er die Situation, die er geerbt hat, tolerieren muss, während er gleichzeitig versucht, sie langsam umzuwandeln. Da ruckartige Aktionen für ihn selbst gefährlich sind, setzt er auf das Vorantreiben des Wandels der äußeren Bedingungen: wirtschaftliches Wachstum, Herausbildung einer breiten Mittelschicht, mit der Korruption und Autoritarismus schließlich ohnehin immer weniger möglich sein werden.

Schnelle Rezepte gegen Korruption sind mMn eine Illusion. Auch Georgien ist kein adäquates Beispiel, da dort alles nur durch üppige amerikanische Gelder aufrechterhalten wird.

Stirlitz hat gesagt…

Lieber Unbequemer,

die Tatsache, dass Putin im Gegensatz zu seinem direkten Vorgänger und zu mehreren sowjetischen Führern physisch auf der Höhe ist, ist noch kein Beweis für seine guten Absichten. Angela Merkel reist auch viel herum, nimmt an Gipfeltreffen teil, sie ist aber deshalb per se noch keine gute und ehrliche Politikerin. Es kommt auch darauf an, was ein betriebsamer Regierungschef tut. Bei Putin sind das vor allem Inszenierungen, Besuche, bei denen alles bis ins Kleinste vorbereitet ist, inklusive der spontanen Wohltätigkeit, die manch ein „Treffen mit dem Volk“ nach sich zieht.

Ich plappere übrigens nicht nur nach, was in westlichen Zeitungen steht. Ich spreche Russisch, bin oft im Land gewesen und kenne sowohl einfache Menschen und ihr Leben als auch solche, die ziemlich weit oben stehen, Ich habe auch beruflich Erfahrung in Russland gemacht. Daher bleibe ich dabei: Das ganze Land ist von Korruption durchsetzt und von jedem Rubel Schmiergeld landet ein erklecklicher Prozentsatz beim Paten aller Paten. Ob der das verpulvert oder hortet, ist mir egal. Der Übergang von Jelzin zu Putin war nur ein Wechsel von Dieben, die sich als Demokraten und Liberale gebärden zu Dieben, die sich als Patrioten und Anhänger eine „starken Hand“ aufspielen. Letzteres kommt nämlich besser an in Russland. Und ehrliche Menschen werden sehr schnell abgehalftert, wenn sie Politik machen wollen, damit haben sie Recht. Putin müsste eigentlich alle Oligarchen einsperren, weil sie alle Kriminelle sind und Morde auf dem Gewissen habe, aber dann wäre er selbst schnell weg. Doch soweit ich das beurteilen kann, will er das gar nicht.

Ich stimme Ihnen auch insoweit zu, dass Putin keinen Ausverkauf russischer Interessen gegenüber dem Ausland betreibt, was schon ein Fortschritt ist. Aber wenn er das Land wirklich langsam normalisieren und eine breite Mittelschicht schaffen wollte, dann müsste er etwas für den Bildungssektor tun. Zum Beispiel verhindern, dass Bildung nur noch etwas für die Kinder reicher Menschen ist. Sonst können nämlich ehrliche und begabte Menschen aus armen (also nicht-kriminellen) Familien gar nicht hochkommen, um etwas zu ändern. Oder er müsste dafür sorgen, dass kleine Geschäftsleute nicht gleich von Konkurrenten und Behörden platt gemacht werden. Bei solchen Themen gibt es nur Lippenbekenntnisse.

Es gibt auch Beispiele für korrupte Politiker, die auch ihr Land voranbringen. Potemkin oder Franz Josef Strauß gehören dazu. Über Putin wird die Geschichte urteilen, aber ich bin sehr skeptisch.

Ich stimme Ihrem Urteil über Russlands außenpolitische Positionen zu, und auch Ihrer Kritik an den westlichen Medien teile ich. Ich meine, dass Deutschland an einem starken und unabhängigen Russland interessiert sein muß. Zu Putin könnte ich mich auf die Formel einigen, er ist derzeit das geringste Übel. Aber nur, weil er selbst keine ernsthaften Konkurrenten hochkommen lässt: Ehrliche Patrioten.

der unbequeme hat gesagt…

Ich denke, das Ganze ist letztlich eine Glaubensfrage bzw. Bauchgefühl. Denn beweisen lässt sich weder seine Ehrlichkeit noch seine Unehrlichkeit.

Ich persönlich glaube kaum, dass er Milliarden angehortet hat, wie ihn beispielsweise liberale Politologen wie Stanislaw Belkowski beschuldigen.

Bei der Bildung stimme ich Ihnen zu, hier könnte mehr geschehen. Andererseits lässt sich das nur mit einiger Mühe gedanklich mit irgendeiner persönlichen Unehrlichkeit Putins in Verbindung bringen. Was die Behandlung der kleinen und mittleren Unternehmer anbetrifft, so ist das wie schon gesagt ein sehr gefährliches Terrain. Ein ganzes Heer von Beamten lebt von dem "Melken" der Unternehmer. Entzieht man diesem Heer die wichtigste Einnahmequelle, kann es durch die großen Turbulenzen im Staatsapparat auch für einen Präsidenten ganz schnell ungemültich werden. Deswegen setzt er mMn auf die langsame, aber sicherere Politik der kleinen Schritte.

Das ist meine Meinung. Sie haben Ihre. Jeder von uns hat sein gutes Recht dazu. Und letztlich ist alles wie schon oben gesagt eine Frage des Bauchgefühls.

Stirlitz hat gesagt…

Hallo Unbequemer,

darin, daß wir über die Person Putin sehe ich kein Problem, dafür stimmen wir in vielen anderen Fragen überein.

Und auf eines können wir uns sicher einigen: Rußland ist mehr als nur Putin. Wie immer man ihn sieht, er ist nur ein Teil des Gesamtbildes. Und Rußland wurde und wird bei uns verzerrt dargestellt, ob mit oder ohne Putin.

Stirlitz hat gesagt…

ich meinte "daß wir über die Preson Putin verschiedener Meinung sind"

Höhlentroll hat gesagt…

Sehr geschätzter Stirlitz,

es ist eine wahre Freude ihre Kommentare zu lesen. Man merkt, sie beobachten die Situation genau, wissen wovon sie reden und machen sich die Mühe eine objektive Sicht an den Tag zu legen. Sie hinterfragen auch Putin und die Kreml-Regierung kritisch, was in diesem Blog vollends fehlt.
Gottlob hat ja der Blogbetreiber die nichtvorhandene Ausgewogenheit seiner Beiträge schon festgestellt.
Meiner Meinung ist der Blog Ukrainefeindlich, Antiwestlich und zeugt von tiefster Ergebenheit gegenüber dem alten bzw. neuen Präsidenten Putin ( welcher wahrcheinlich nicht wieder mit 71%, sondern mit bedeutend weniger gewinnen wird )
In diesem Sinne finde ich ihre Feststellung sehr schön:"Was mir wichtig ist: Nur weil der Westen heuchelt, ist Putin nicht automatisch gut. Nur weil Putin heuchelt, ist nicht der Westen automatisch gut. Von diesem Denken sollten wir uns verabschieden"

Stirlitz hat gesagt…

Lieber Höhlentroll,

danke für das Kompliment. Ich finde, ein Blog darf einseitig sein, auch wenn ich befürchte, daß die Wortwahl des Unbequemen machen gutwilligen Leser verprellen könnte. Seine Thesen sind es aber wert, diskutiert zu werden.

Was in diesem Blog an Feindseligkeiten gegenüber Ukrainern, Polen und anderen Nationen rüberkommt, ist nach meiner Erfahrung eher harmlos im Vergleich zu dem, was Vertreter dieser Nationen über Russland sagen. Die Russen schauen auf diese Völker herab, diese wiederum hassen die Russen, das ist ein Unterschied.

Ich würde mich freuen, wenn hier eine angeregte und höfliche Diskussionskultur entsteht.

der unbequeme hat gesagt…

Hallo Höhlentroll,

warum sollte ich abgedroschene Phrasen vervielfältigen, die die Medien ohnehin massenhaft von DPA etc. übernehmen?

Wenn ich das tue, wird viel von dem zu kurz kommen, was als Ergänzung und Gegengewicht wert ist, gesagt zu werden. Nur so kann ein halbwegs adäquates Gesamtbild entstehen.

Die Einseitigkeit der Medien erfordert meine Einseitigkeit. Die Tatsache, dass abweichende Standpunkte normalerweise nicht in den Medien auftauchen und höchstens in der Blogosphäre auffindbar sind, spricht Bände über den Zustand der deutschen Pressefreiheit, die vor allem in Bereichen wie Außen- und Geopolitik de facto noch viel eingeschränkter ist, als in Russland.

Höhlentroll hat gesagt…

Nun, geschätzter Stirlitz.
Es steht ausser Frage das ein blog einseitig sein kann/darf.
Sie bringen es auf den Punkt, es werden hier Thesen aufgestellt. Thesen bedürfen bekanntermassen eines Beweises des Wahrheitsgehaltes. Und ob dies hier dann die richtige Plattform ist, bezweifle ich stark.
Sie schreiben:"Was in diesem Blog an Feindseligkeiten gegenüber Ukrainern, Polen und anderen Nationen rüberkommt, ist nach meiner Erfahrung eher harmlos im Vergleich zu dem, was Vertreter dieser Nationen über Russland sagen. Die Russen schauen auf diese Völker herab, diese wiederum hassen die Russen, das ist ein Unterschied."
Ich bin der Ansicht das die Antisymphatie ( Hass finde ich etwas hart ) gegenüber den Russen vor allem in den ehemaligen Sowjetstaaten zum einem aus der Vergangenheit und dem noch heute überheblichen Auftreten der Russen resultiert. Hier näher einzugehen würde allerdings den Rahmen sprengen.
Um es abzukürzen will ich behaupten, daß wer für sich den Anspruch erhebt eine Welt- und/oder eine Großmacht zu sein, welche in dieser Welt geostrategisch und wirtschaftlich-militärisch mit Vetorecht seine Interessen verfolgt muß sich an anderen Maßstäben der Kritik messen lassen. Das gilt für die USA genauso wie für Russland ( wobei ich bei Russland nicht mahr sicher bin ob es überhaupt noch einen Status einer Weltmacht für sich beanspruchen kann )

Stirlitz hat gesagt…

Geschätzter Höhlentroll,
wie immer ist die Sache sehr vielschichtig. Aus meiner Sicht waren die Russen als Kolonisatoren während der Zarenzeit wesentlich toleranter und humaner als z. B. die Engländer.
Viele indigene, aber nichtrussische Nationalitäten konnten im Reich Karriere machen (Deutschbalten, Finnen, Tataren fallen mir auf Anhieb ein). Die Ukrainer wurden wohl gar nicht als ein Volk gesehen, sondern als Bauern, was natürlich herabsetzend ist. Mir sagte einmal ein Ukrainer, daß er es satt habe, immer von den Russen als Bauerntölpel hingestellt zu werden, der eine komischen Dialekt spricht, Horilka trinkt, Sala verzehrt, ukrainische Lieder singt und tanzt. Ähnlich wie die Bayern bei uns. (Aber das Image der Bayern hat sich gewandelt.)
In der Sowjetunion waren formal alle gleich, viele Republiken wurden sogar subventioniert, damit sie still halten. Es gab sogar positive Diskriminierung gegenüber Minderheiten. Aber natürlich wollten viele Völker einfach nicht zur UdSSR gehören, z. B. die Balten, die durch die Okkupierung kulturell und wirtschaftlich zurückgeworfen wurden. In einem Buch eines US-Journalisten, der in der Breschnew-Zeit Korrespondent in Moskau war habe ich gelesen, daß die Ukrainer in dieser Zeit eine besonders konservative Fraktion innerhalb des Politbüros waren. Sie stellten sich gegen jegliche Neuerungen und blockierten die Annäherung mit dem Westen. Auch bei anderen, z. B. den Georgieren, habe ich ebenfalls das Gefühl, daß sie ihre Abneigung gegen die Russen erst in den 90ern entdeckt haben.
Daß Russen gegenüber bestimmten Völkern arrogant auftreten, habe ich auch festgestellt, Man gibt ihnen Namen wie Tschuchonzy, Chochly oder Tschernoshoppy. macht ihre Sprache lächerlich etc. Als Deutscher ist mir das in Rußland nie passiert. Und mal ehrlich: Tun bei uns nicht einige Menschen genau das gleiche?

der unbequeme hat gesagt…

Hallo Stirlitz,

Ihrer Darstellung der russischen Beziehung zu den Ukrainern muss ich widersprechen. Die Ukrainer (wie auch Weißrussen) wurden in der Tat nicht als ein Volk angesehen, aber auch nicht als deklassierte Bauern. Sie galten als integraler Teil des russischen staatstragenden Volkes und hatten dementsprechend die selben Rechte und Möglichkeiten, Karriere zu machen. Viele historische Beispiele sowohl aus der Zeit des Russischen Kaiserreichs, als auch aus der Sowjetära, belegen das. In der Zeit Peters des Großen leitete der Ukrainer Feofan Prokopowitsch den Heiligen Synod, war also das Oberhaupt der ROK. Fürst Alexander Besborodko war Ende des 18. Jhdts Kanzler des Russischen Reiches, nach Paul I. der zweitwichtigste Mann im Staat. Sein Bruder Ilja war General. Kirill Rasumowski leitete die Russische Akademie der Wissenschaften. Der ukrainischstämmige Iwan Paskewitsch war russischer Feldmarschall. All die Ukrainer aus der Sowjetzeit aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Ich erinnere nur an Breschnew oder Marschall Timoschenko.

Die Ukrainer waren seit Chmelnyzkyj stets ein aktiver und gleichberechtigter Teil des russischen Staatswesens. Etwas, was für sie in Staaten wie Polen oder Österreich-Ungarn komplette Utopie war.