Freitag, 11. April 2014

"Putins Drohungen" oder wie man Fakten auf den Kopf stellt

Die deutschen Medien holen wieder den Klassiker raus: Panikmache mit dem Szenario, dass der böse Diktator Putin dem Westen "kurzerhand" den Gas-Hahn zudreht.

Den unmittelbaren Anlass dazu bildete der Brief, den der russische Präsident am Donnerstag an mehrere Staaschefs Europas verschickte. Er enthielt eine Warnung davor, dass die wirtschaftliche Krise in der Ukraine den Gastransit nach Europa beeinträchtigen könnte. Danach hagelte es empörte Schlagzeilen über "Putins Erpressung", "Putins Drohungen" und "Gas als politische Waffe", verbunden mit neuen Forderungen nach Verringerung der Energieabhängigkeit von Russland.

Entweder handelt es sich um unterirdischen Journalismus oder aber um gezielte Propaganda und Faktenverdrehung. Die Fakten sehen so aus, dass die Ukraine durch chronische Nichtbezahlung riesige Schulden bei Russland angehäuft hat, trotz diverser Rabatte, die in den letzten Jahren gewährt wurden. Seit April hat Russland jedoch jegliche Rabatte wegen Wegfall ihrer Grundlagen* gestrichen und besteht auf einem Preis von 485 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter, was die sogenannte Regierung in Kiew strikt ablehnt und als politische Bestrafung bezeichnet. Dabei resultiert dieser Preis aus dem Vertrag, den die jetzige Heldin Julia Timoschenko 2009 in Moskau abschloss und für den sie unter Janukowitsch wegen Staatsschädigung ins Gefängnis musste. Das ist nicht der einzige Widerspruch in der Position der heutigen Putschisten.

Zwar wird Ergdas weiterhin an die Ukraine geliefert, doch Russland wird dem steigenden Schuldenberg der Ukraine nicht mehr lange tatenlos zusehen. Denn es handelt sich de facto um Milliardentransfers, die die russophobe Junta stützen, während der Westen nur leere Absichtserklärungen zur Unterstützung der Ukraine abgibt und harte soziale Einschnitte fordert. Da die preisliche Vertragseinhaltung durch Kiew sowie seine Schuldentilgung unwahrscheinlich sind, wird Russland nun mit großer Sicherheit demnächst seine Lieferungen an die Ukraine einstellen, wie es jeder Energieversorger bei säumigen Kunden ebenfalls tut.

Das ist jedoch nicht automatisch gleichbedeutend mit dem Lieferstopp an Europa, denn es handelt sich eigentlich um unterschiedliche Leitungen. Das Problem kommt erst dadurch zustande, dass die Ukraine in solchen Fällen immer illegal die Transitleitung anzapft, um ihren Gasbedarf zu decken. Genau das ist die Gefahr, vor der Putin die europäischen Staatschefs nun warnt.

Es dürfte einleuchten, dass Russland ein vitales Interesse an der Kontinuität der Lieferungen und der Deviseneinnahmen hat und nicht am primitiven Dem-Westen-Eins-Auswischen. Ein Lieferstopp über die Nordstream-Pipeline stand nie zur Debatte. Das Problem betrifft nur den ukrainischen Transit und das ukrainische Verhalten, bei dem europäische Kunden quasi als Geiseln der Zahlungsunfähigkeit dieses Landes genommen werden. Doch der Westen befeuert das Problem sogar noch weiter, indem er aus geopolitischem Blockdenken heraus den Druck nicht auf den Wegelagerer, sondern auf Russland ausübt. Zudem wird das problemverursachende Land durch Unterstützung des illegalen Umsturzes weiter politisch und ökonomisch destabilisiert. Und wenn Russland im Endeffekt das tut, was nach allen marktwirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien die natürliche Konsequenz ist, heißt es, Mr. Evil aus dem Kreml will uns das Gas abdrehen.

Bei einer solchen verfehlten Politik Europas, die die Versorgungsgrundlage zerstört, in absurder Erwartungshaltung, dass Russland weiterhin den Kiewer Drift nach Westen finanziert, kann man sich nur fragen, wessen Interessen Europas Politiker hier verteidigen. Es sind ganz klar nicht die wahren europäischen Interessen, sondern die Interessen äußerer Mächte, die eine russisch-europäische Annäherung und Zusammenarbeit torpedieren wollen.


* Ein Rabatt von 100 US-Dollar wurde ab 2010 als Vorauszahlung für die Verlängerung der Nutzung der Schwarzmeerhäfen nach 2017 gewährt. Ein anderer von 117 US-Dollar wurde ab Dezember 2013 quartalsweise gewährt, wenn die Ukraine rechtzeitig ihre Rechnungen zahlt, was jedoch sofort wieder verletzt wurde.

8 Kommentare:

никтонезабыт! hat gesagt…

Ich bin absolut einverstanden mit deiner Darstellung. Einzig in den Ursachen, die für die Gaspreiserhöhung für die Ukraine ausschlagend gebend sind müsstest du meiner Meinung nach ein bisschen genauer sein. Bei aller Sympathien für Moskau ist es unbestritten, dass der Kreml Gaspreise auch von politischer Kooperation abhänig macht. Genauso wie es natürlich auch die EU und USA machen, im Falle von Sanktionen und Hilfskrediten. In der Situation Moskaus ist das natürlich völlig verständlich, denn weshalb sollte man einen Hund füttern, wenn er einem stänig beist...

der unbequeme hat gesagt…

Es gibt aber auch elementare wirtschaftliche Gründe, weshalb die Preise von Land zu Land variieren.

Deutsche Importeure zahlen zwar in der Tat etwas weniger als die ukrainische Naftogas, haben aber eine tiefgehende Kooperation mit Russland. Deutsche Energieversorger sind an der Förderung in Russland beteiligt und realisieren gemeinsam mit Gasprom, Novatek etc. große Infrastrukturprojekte. Gleichzeitig ist Gasprom auf dem deutschen Markt präsent und darf durch Wingas auch am Endkundengeschäft teilnehmen.

Durch diese Kooperation sind die Preise für Deutschland günstiger. Das muss jetzt nicht zu 100% die Preisunterschiede ausmachen, aber meiner Meinung nach ist das doch der Löwenanteil.

Kuchi hat gesagt…

Ihr solltet euch die Realität nicht schön reden. Die polnische, weissrussische, baltische, rumänische Gas-Kooperation ist eklatant geringer, als die der Deutschen, trotzdem zahlen sie auch nicht bedeutend mehr als jene. Die Ukraine wird 485 USD bezahlen, was mehr als 120 USD über dem ist, was zb. Polen bezahlt. Allerdings zahlt Polen, Deutschland und andere pünktlich. Die Ukraine würde also in etwa das Gleiche bezahlen wie ganz Europa. Das ist schon ein politischer Preis, wenn man sich anschaut, wie niedrig der Gaspreis in Weissrussland ist (seit 2011 gesunken von 225 auf 175 USD), obwohl das Land auch kein Bestandteil Russlands ist. Oder wie lächerlich niedrig der Preis in Russland selbst ist (50 USD). Wieso sollte also eine ehemalige Innlandsrepublik, in der sogar Millionen Russen leben einen ruinösen Gaspreis zahlen, der selbst manchen EU-Ländern bereits zu hoch ist. Natürlich ist das ein politischer Preis. Je enger die politische Bindung an Russland, desto höher der Rabatt. Und wenn die Ukraine zur EU möchte, dann muss sie eben EU-Preise bezahlen. Eine glasklare Logik.

Anonym hat gesagt…

Schäubles Grundsatzrede bezüglich Russland:
http://www.welt.de/wirtschaft/article126862652/Schaeuble-sieht-Moskau-dem-Bedeutungsverlust-geweiht.html

Anonym hat gesagt…

Alles klar, Kuchi, und das stimmt auch so.
Aber Du bist noch voll auf der Linie, Geschäfte zwischen Russlandund der Ukraine, Deutschland, Polen pflichtschuldig in Dollar umzurechnen.
Es sind da aber konkret keine Dollar im Spiel. Und das ist das neue Spiel...

der unbequeme hat gesagt…

@ Kuchi

Weißrussland ist Mitglied der Zollunion, deswegen entfallen schon mal die Export-Zölle, die immerhin etwa 100 USD betragen. Und russische Inlandspreise sind hier nicht besonders relevant. Gasprom ist ein Staatskonzern, der im Inland keine Gewinnmaximierung betreibt, sondern den heimischen Verbraucher subventioniert.

Ich habe gleich gesagt, dass Politik zwar eine Rolle spielt, aber die wirtschaftlichen Aspekte trotzdem ihren Platz in der externen Preisbildung haben.

Darüber hinaus steht es jedem Land frei, sich auch anderweitig mit Gas einzudecken. Russisches Gas ist keine Obligation, sondern eine Option. Man kann LNG beziehen oder Shale Gas fördern. Zu teuer? Dann sollte man sich freuen, dass es das mehr oder weniger billige Gas aus Russland gibt. Und wenn man Verträge unterschreibt, wie Timoschenko oder der neue alte Energieminister Prodan, dann müssen sie auch eingehalten werden.

Kuchi hat gesagt…

Hunderte Morde, Folter und Gräueltaten: Der Leichenberg der ukrainischen Faschisten ist viel höher als bekannt.

Putschisten ermorden das eigene Volk. Die Informationen der Organisation "Ärzte des Maidans", die die medizinische Versorgung während des Aufstandes auf dem Unabhängigkeitsplatz organisierte, widersprechen trotzdem gravierend der ukrainischen Propaganda. In einem ukrainischen TV-Kanal sprechen die Mediziner von mehr als 780 Toten. National befreites Krematorium: "Diese Zahl umfasst etwa 300 Menschen, die aus dem Krankenhaus verschwunden sind. Sie wurden entführt und im Krematorium verbrannt.

http://hinter-der-fichte.blogspot.de/2014/04/kiew-namenlose-graber-und-ein.html

Anonym hat gesagt…

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NoName hat gesagt...

Aktuell fällt es auf, daß in den Mainstream-Medien der BRD kaum noch rußlandfreundliche Leserkommentare zu finden sind. Bis vor kurzem sah es diesbez. noch ganz anders aus - dafür spricht ja auch die Tatsache, daß die Mehrheit der Deutschen Verständnis für das russische Vorgehen in der UA hat. Irgendwie muß doch der dt. Michel, der es wagt nachzudenken, wieder auf den rechten Weg gebracht werden können - und sei's nur durch die plumpe Manipulation der Kommentarfunktion...