Sonntag, 6. April 2014

Wie weiter mit der Ukraine-Krise?

Prorussische Proteste in Donezk
In den vergangenen Wochen ist es in den deutschen Medien etwas ruhiger um die Ukraine geworden, doch das Problem ist keineswegs vom Tisch. Die Zeitbombe tickt weiter, die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich immer mehr und die politischen Widersprüche innerhalb der Ukraine sind keineswegs gelöst. Die chauvinistisch-nationalistische Linie der neuen Machthaber verfolgt das Ziel einer ethnisch und kulturell homogenen Ukraine, trotz der Tatsache, dass das Land historisch aus völlig unterschiedlichen Regionen und Bevölkerungsgruppen zusammengesetzt wurde, die deutliche Differenzen in Sprache, Religion, wirtschaftlicher Struktur und historischem Bewusstsein haben.

Die Kiewer Junta will von einer Föderalisierung des Landes nichts hören, obwohl gerade ein solcher Staatsaufbau die Spannungen auffangen und die auseinanderfallende Ukraine in den heutigen Grenzen retten könnte. Jeder, der die Worte Föderalisierung oder Dezentralisierung in den Mund nimmt, wird als Separatist und Verräter gebrandmarkt oder sogar strafverfolgt. In den ukrainischen Medien hat sich eine harte Zensur eingestellt, gegen die die mediale Situation unter Janukowitsch wie ein Eldorado der Freiheit aussieht. Alles, was gegen die Maidan-Bewegung und die neuen Machthaber spricht, wird entweder ausgeblendet oder dämonisiert. Die Kabelnetzbetreiber wurden gezwungen, die eigentlich ziemlich populären russischen Sender aus dem Angebot zu nehmen, damit keine alternative Sichtweise auf die Vorgänge möglich ist. Die Krim wird gegen jegliche Realität als ein Hort der Gewalt gegen die dortigen Bewohner dargestellt, es wird eine diffuse Kriegsangst geschürt.

Oligarch und Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko
Die Situation führt dazu, dass die Protestbewegung im Süden und Osten des Landes immer weiter zunimmt. Die russischsprachige Mehrheit des Südostens will kein Kiewer Diktat in wirtschaftlichen und kulturellen Fragen, außerdem sollen Einschüchterungen und Verhaftungen der Aktivisten aufhören. Nicht zuletzt seit Timoschenkos mitgeschnittenen Haßtiraden weiß man, was die neuen Machthaber in Kiew mit dem Südosten vorhaben. Die für den 25. Mai geplanten Präsidentenschaftswahlen werden im Südosten mit äußerster Skepsis gesehen, da an ihren fairen Ablauf angesichts der aktuellen De-facto-Diktatur stark gezweifelt wird. Den wenigen prorussischen Kandidaten, vor allem dem von der Partei der Regionen aufgestellten Michail Dobkin traut man nach seiner Einschüchterung seitens der Nationalisten nicht über den Weg. Er wird als ein marionettenhafter Statist wahrgenommen, der den Wahlen einen fairen Anstrich verleihen soll. Vielfach sind daher Aufrufe zum Boykott der anstehenden Wahlfarce zu hören.

Der Westen scheut indes eine seriöse und verantwortungsvolle Diskussion über die Zukunft der Ukraine und feilt stattdessen an der Konfrontationsrhetorik gegenüber Russland. Das vewundert kaum, denn das neue alte Feindbild eignet sich gut für die so nötige innere Konsolidierung und die Ablenkung von wirtschaftlichen Problemen. Doch die Welt hat sich weitergedreht. Weder unterstützt die europäische Bevölkerung einen Anti-Russland-Kurs, noch erlauben es die heutigen wirtschaftlichen Verflechtungen, einen Handelspartner wie Russland zu verlieren. Die im bisherigen hastigen Aktionismus verabschiedeten Sanktiönchen, wie etwa der "Ausschluss" Russlands auf der G8, beschlenigen sogar den Übergang zur globalen Multipolarität, denn anstelle dieses sterbenden Formats wird nun wohl engdültig die G20 treten. In ihr haben die BRICS-Länder eine gewichtige Stimme, die in vielen weltpolitischen Fragen eine ähnliche Position wie Russland haben. So wird die Vormachtstellung des Westens auch institutionell abnehmen, nachdem sein Anteil am globalen BIP von ca. 80% im Jahre 1990 auf etwa 50% heute zusammengeschlozen ist, Tendenz weiter fallend.

Die deutsche Bundeskanzlerin bemüht sich nach Kräften, Russland zu isolieren und unterstellt Putin ein territoriales Denken, das in Europa angeblich längst überwunden wurde. Dabei vergisst sie gern zwei Sachen. Zum einen ist auch das heutige Europa nicht frei von separatistischen Bewegungen, zum anderen dienten als Grundlage für die Beilegung von territorialen Streiten zwischen Staaten die garantierten Minderheitenrechte. So können beispielsweise die Österreicher halbwegs beruhigt auf Südtirol blicken, da die dortigen Bewohner weder sprachlich noch politisch diskriminiert werden. Doch für die Russen im Baltikum (die einen schändlichen Status "Alien / Fremder" innehaben) oder etwa in der südöstlichen Regionen der Ukraine sollen diese Minderheitenrechte nicht gelten. Es ist diese politische Selektivität der Wahrnehmung und des Engagements des Westens, die seine Glaubwürdigkeit als moralische Instanz völlig untergräbt. Solange der Westen aber nicht bereit ist, für die großen diskriminierten russischen Minderheiten an einer würdigen Lösung im Sinne der gesamteuropäischen Praxis mitzuwirken und seine geopolitischen Spielchen gegen Russland zu beenden, wird die Ukraine ein Brandherd bleiben, der die europäisch-russischen Beziehungen jahrelang vergiften und die Sicherheit in Europa untergraben wird. Dass das im Interesse der Vereinigten Staaten liegt, um als dominanter Schutzherr in Europa bleiben zu können, ist unschwer zu erkennen. Doch inwiefern liegt das alles im Interesse der Europäer?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Konflikt in der Ukraine ist, das ist mittlerweile unschwer zu erkennen, ein Brandherd zwischen der USA und Rußland. Washington nutzt die Dummheit der Europäer geschickt aus, um seinen Keil weiter zwischen Europa und Rußland zu rammen. Einen guten Dienst machen dabei ihre Trojanischen Pferde, Polen und das Baltikum.
So ganz nach Plan scheint das aber nicht zu laufen, denn die Bevölkerung, vor allem die Deutschen, scheinen die Situation ein wenig anders zu sehen, wie das letztens eine repräsentative Umfrage ergab: http://de.ria.ru/opinion/20140405/268210634.html
Die Amerikaner versuchen anscheinend wirklich die Strategie von Zbigniew Brzeziński in die Tat umzusetzen. Dort spielt die Ukraine eine entscheidende Rolle, um sich Rußland unterzuwerfen und weiter in Richtung China vorrücken zu können. Wir können nur hoffen, daß dieses Vorhaben scheitern wird. Doch dazu bedarf es einer stabilen Rußland, China-Achse und auch die restlichen BRICS-Staaten sind hierbei nicht zu vernachlässigen. Auch die Europäer sind sich uneins, was den Umgang mit Rußland betrifft. Das tschechische Parlament muß im März beschlossen haben, sich gegen die EU zu stellen, falls es zu Wirtschaftssanktionen kommen sollte. Die deutsche Wirtschaft dürfte ebenfalls so ihre Probleme haben der Kanzlerin zuzuklatschen, falls sie sich, aufgrund des Drucks der USA, für solche Sanktionen bereit erklären sollte. Das sind mit Sicherheit Punkte, die so nicht auf der Agenda Washingtons standen. Es bleibt spannend!


Penryn

никтонезабыт! hat gesagt…

Absolut Recht habt ihr. Ziel der Europäischen Politik sollte es sein, ganz Europa in eine wirtschaftliche und militärische (Verteidigung der Aussengrenzen) Union zu führen. Dies kann die amerikanische Schlange natürlich nicht zulassen. Die Zeit ist gekommen für den Abzug aller amerikanischer Waffen aus Europa. Auch die Sowjetunion unter Gorbatschow hatte diesen Schritt gemacht. Der Westen und insebesondere die Usa, die sich in allem als Pioniere sehen, sind in diesen Belangen sehr zurückgeblieben. Gorbatschow hatte versucht Europa zu einen doch seine Naivität hat seinem Land einen Bäredendienst erwiesen und dem amerikanischen Vorpreschen einen Freipass gegeben.

Kuchi hat gesagt…

@Penryn

Bedenken sie, was das für Folgen hat, wenn mit einem Ukraine-Beitritt zu EU und/oder Nato plötzlich insgesamt knapp 10 Millionen Russen, 37 Millionen Ukrainer und insgesamt mit den baltischen Staaten 50 Millionen Ex-Sowjetbürger plötzlich zu einem anderen geopolitischen Einflussbereich gehören. Damit hat Russland keine andere Wahl, als sich in irgendeiner Form stärker an den Westen zu binden, da es dann nur extrem eingeschränkt eigenständige imperiale Weltpolitik betreiben kann. Und genau darum geht es bei der Westbindung der Ukraine. Russland in eine geopolitische Zwangsjacke zu stecken. Ihm den imperialen Anspruch zu nehmen. Mit der Ukraine rückt die Nato und die EU knapp 400 km bis an Moskau heran. Damit kann die Nato fast schon mit Steinen über die Kreml-Mauer werfen. Nicht zu vergessen Weissrussland, welches dann wie eine Insel von der EU umgeben ist, was wohl zweifellos auch Folgen für Lukaschenko hätte.

Anonym hat gesagt…

@Kuchi
Nichts anderes habe ich gesagt, als das was Sie schreiben. Genau darum geht es bei der Aktion in der Ukraine.