In Wahrheit gab es auf der Krim keine Verletzung des Völkerrechts. Das Völkerrecht beinhaltet zwei Basisprinzipien, die sich häufig widersprechen: das Prinzip der territorialen Integrität von Staaten und das Recht auf Selbstbestimmung. Welches Prinzip in der einen oder der anderen Situation Vorrang hat, ist Auslegungssache, der Vorzug des Selbstbestimmungsrechts ist nicht per se Völkerrechtsbruch. In der Praxis hat zwar die territoriale Integrität Vorrang, dies aber auch nur in den Fällen, in denen die Autonomierechte der Minderheiten geschützt sind. Zahlreiche Umstände können jedoch das Recht auf Selbsbestimmung vorrangig werden lassen:
* ein nicht-föderaler Staatsaufbau, der keine Autonomien vorsieht
* Staaten, in denen eine national-chauvinistische Regierung an die Macht gekommen ist
* Staaten, in denen die nationale Sprache der Minderheit keinen offiziellen Status hat oder bedroht wird
* historische Gegebenheiten, die die politische und kulturelle Sonderstellung der Region begründen
All das ist im Falle der Krim gegeben, weshalb der Vorrang des Selbstbestimmungsrechts hier völlig legitim ist. Das einzige, was bei der Ausrufung der Unabhängigkeit der Krim verletzt wurde, war die ukrainische Verfassung, die keine einseitigen Sezessionen erlaubt. Allerdings ist selbst dies fraglich, denn zum Zeitpunkt der Krim-Loslösung war das ukrainische Verfassungsgericht von den Putschisten gewaltsam auseinandergejagt worden, ganz zu schweigen von all den anderen verfassungwidrigen Schritten der Machtergreifung. Wo kein Richter ist, da ist bekanntlich kein Henker und es mutet schon reichlich zynisch an, wenn diejenigen, die die verfassungsmäßige Ordnung mit Füssen getreten und außer Kraft gesetzt haben, zusammen mit ihren Unterstützern der Krim einen Strick wegen Verfassungsbruch drehen wollen. An die Gesetze halten kann man sich nur dann, wenn jemand da ist, der sie garantiert. Ansonsten macht man sich zum willenlosen Opfer derjenigen, der sie außer Kraft setzte.
Was ist aber mit den russischen Soldaten, die auf der Krim waren, haben sie nicht die Krim "besetzt"? Die russischen Soldaten waren dort durch einen Vertrag mit der Ukraine stationiert und sind letztlich rausgerückt, um die freie Willensäußerung der Krim-Bewohner zu ermöglichen, die sonst von der Ukraine unterdrückt worden wäre. Von einer Aufzwingung der Entscheidung kann keine Rede sein, denn weder kann man Menschen millionenfach zur Wahlbeteiligung zwingen, noch kann man sie zwingen, das Kreuzchen im "richtigen" Feld zu setzen. Die internationalen Beobachter, die trotz OSZE-Weigerung auf der Krim anwesend waren, haben die Regelkonformität des Referendums inkl. der Auszählung bestätigt.
Der folgende Beitritssgesuch zur Russischen Föderation und die Aufnahme waren jeweils freie und legitime Entscheidung der beiden beteiligten Seiten. Der springende Punkt ist nicht das, sondern die Legimität der vorhergehenden Unabhängigkeitserklärung der Krim, die, wie oben gezeigt, keinen Völkerrechtsbruch darstellte. Die meisten Staaten, inklusive der USA, haben ihre Unabhängigkeit durch einseitige Sezession erlangt, unter Bruch der nationalen Gesetzgebung des alten Mutterlandes. Dass man das heute dasselbe bei der Krim nicht anerkennen will, liegt ausschließlich an politischen Interessen.
Dass der friedliche und auf freier Willensäußerung basierende Vorgang der Loslösung der Krim schwerer wiegen soll, als die Kriege der USA mit erlogenen Vorwänden und hunderttausendfachen Opfern sowie als die aktuelle blutige Strafaktion der Ukraine gegen Putschgegner, widersetzt sich jeglichem gesunden Menschenverstand. Nicht aber dem der kollektiven westlichen Führung, die Russland mit immer weiteren Sanktionen droht.