Donnerstag, 16. April 2015

G20 statt G7: Russland-Ausschluss als Knieschuss für das traditionelle Format

Überraschend hat das Lügenmedium Spiegel Online eingeräumt, dass die G7 nach dem Ausschluss  Russlands zu einer traurigen und bedeutungslosen Veranstaltung verkommen ist. Die als "Strafe" in der Ukraine-Krise gedachte Ausladung erwies sich als dummer Aktionismus und signifikante Abwertung des Formats als solchen. Wichtige Themen wie Terrorismus, Iran oder die Ukraine können ohne Russland nicht effektiv diskutiert werden. Deshalb werde der anstehende G7-Gipfel in Lübeck bis auf die traditionellen Proteste von Globalisierungsgegnern für wenig Schlagzeilen sorgen.

Ein Jahr nach der Ausladung unternimmt Russland keinerlei Versuche, in den Club zurückzukehren. So mancher Westpolitiker wird sich wohl verkalkuliert haben, falls er dachte, man könne mit dem Ausschluss und der vagen Perspektive einer erneuten Rückkehr einen zusätzlichen Hebel für die Steuerung der russischen Politik schaffen. Mit einer solchen Einstellung muss man Putin wenig zugehört haben, als dieser bereits bei diversen Gelegenheiten seinen Standpunkt zu solchen Gipfeltreffen erklärte. Das vermeintliche Prestige, das mit der Teilnahme an der G8 verbunden ist, ist für Russland kein Selbstzweck. Wegen dem angeblichen "Privileg, daneben sitzen zu dürfen", werde Russland nicht seine Politik in den für das Land lebenswichtigen Bereichen ändern, so wie das die anderen Teilnehmer erwarten. Gute Beziehungen zum Westen und eine oberflächliche Akzeptanz seien in den letzten 24 Jahren nur durch ständiges Nachgeben Russlands möglich gewesen, doch das könne so nicht weitergehen.

Schon jetzt ist deutlich, dass die angestrebte internationale Isolation Russlands dem Westen nicht gelingt. Russland hat seine Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten vertieft und orientiert seine Wirtschaft, darunter auch die Energiewirtschaft, nach Asien um. Zusammen mit anderen Staaten arbeitet Russland an der Gründung alternativer Strukturen für die globale Wirtschaft, wie etwa eine Entwicklungsbank und eine Ratingagentur. Im bilateralen Handel wird immer mehr auf nationale Währungen umgestellt. Im Inland wird verstärkt auf Importersatz und eigene Zahlungssysteme gesetzt. In der Praxis führen die Schritte des Westens, die auf eine Manifestierung der westlichen Dominanz abzielen, unfreiwillig zu mehr Multipolarität und Autarkie.

Ein weiteres sichtbares Merkmal dieser Entwicklung ist, dass die G20 der G8/G7 immer mehr den Rang abläuft. Im Rahmen der G20 lassen sich Lösungen für globale Probleme viel effizienter diskutieren und hier hat Russland deutlich mehr Gleichgesinnte. Der Westen wird immer mehr lernen müssen, dass die Zeiten des einseitigen Diktats vorbei sind und man nur durch ehrlichen Interessensausgleich auf der Weltbühne weiterkommt. Sonst wird man eben auf langweiligen "Prestige"-Veranstaltungen wie der G7 ergebnislos schaulaufen.

Montag, 13. April 2015

Menschliches Armutszeugnis. Westlicher Boykott des 70. Jahrestags des Sieges in Moskau

Es entbehrte nicht eines gewissen demonstrativ-belehrenden Charakters, als westliche Politiker einer nach dem anderen verkünden ließen, sie würden dem 70. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland in Moskau fernbleiben. Schon früh haben vor allem die Amerikaner zu verstehen gegeben, dass sie die ganze Angelegenheit wie so oft nach dem Prinzip "entweder mit uns oder gegen uns" begreifen. Diejenigen, die sich Freisinn erlaubten, bekamen sogleich scharfe Zurechtweisungen, wie etwa der tschechische Präsident Milos Zeman, den der US-Botschafter in Prag öffentlich für seine Reiseplanung verurteilte, bis der einknickte. In der Kaserne namens NATO/EU hat jeder vermeintlich souverände Staat zu gehorchen.

Natürlich ist es ein großer moralischer Fehler und menschliches Armutszeugnis, die großen Meilensteine der Geschichte der aktuellen Tagespolitik unterzuordnen. Als im August des vergangenen Jahres Wladimir Putin allen Sanktionen und angespannten Beziehungen zum Trotz in die Normandie reiste, bewies er eine geistige Größe, die den westlichen politischen Kleingeistern von heute völlig abhanden gekommen ist. Denn bei den Gedenkfeierlichkeiten am Omaha Beach ging es nicht um Hollande, Merkel oder Obama, sondern um die Würdigung der Hunderttausende Soldaten der westlichen Alliierten, die damals ihr Leben für den Sieg über den Nazismus und Faschismus hergaben. Wenn westliche Politiker nicht zur Siegesfeier nach Moskau kommen, zeigen sie ihre Respektlosigkeit nicht in erster Linie gegenüber Putin, sondern gegenüber den Millionen Sowjetsoldaten, die bis 1945 gegen Hitlerdeutschland kämpften. Damit stoßen sie mit dieser symbolischen Geste viele heutige Russen weiter vom Westen ab, und zwar nachhaltig.

Ergebnis der systematischen Gehirnwäsche in Frankreich bzgl. WWII
Hinzu kamen zynische Bemerkungen von diversen geschichtsignoranten US-Funktionären in Europa sowie bewussten servilen Geschichtsrevisionisten wie etwa dem polnischen Außenminister Schetyna. Weshalb werde das Ganze überhaupt in Moskau gefeiert und nicht etwa in Berlin oder London? Derartige Töne sind Teil einer langfristig angelegten Strategie, Russland als das Land mit dem nachweislich größten Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland und seine Verbündeten (ca. 85% aller Verluste der Achsenmächte in Europa entfielen auf die Ostfront), von diesem in der heutigen Politik störenden historischen Verdienst loszulösen, indem man ihn mißachtet, marginalisiert und zerredet. In der zynischsten, aber immer häufiger anzutreffenden Variante wird zwischen Nazi-Deutschland und Sowjetrussland sogar ein Gleichheitszeichen gesetzt. Für viele Russen, deren Großväter und Väter millionenfach im Kampf gegen die Nazi-Kriegsmaschinerie fielen und dabei vielen ostreuropäischen Völkern ihre pure Existenz inmitten Hitlers Vernichtunskrieg retteten, ist das sehr beleidigend. Doch offenbar ist das durchaus wünschenswert für diejenigen, die Spannungen und Spaltung in Europa gezielt schüren.

Auch Russland kann eine lange Liste von Vorwürfen und Enttäuschungen gegenüber der heutigen Westpolitik präsentieren, von offener Unterstützung des verfassungswidrigen Umsturzes in der Ukraine über zynisches Pfeiffen auf eigene Unterschriften (22. Februar 2014) bishin zur völligen Ignoranz der von Oligarchen finanzierten rechtsradikalen ukrainischen Kriegsverbrecher, die zur Unterdrückung auf die Ostukraine losgelassen wurden. Auch in Russland gibt es kaum jemand, der die Gesichter von Merkel, Hollande oder Obama besonders gern sehen möchte oder sich angesichts deren Nicht-Erscheinens "bestraft" fühlen wird, wie es sich die Boykottierer selbst gern ausmalen. Es geht in Wirklichkeit um mehr, als um diese Personalien. Als Repräsentanten ihrer Nationen stehen sie nicht nur für das Hier und Jetzt, sondern für das gemeinsame Fundament und das gemeinsame historische Erbe der modernen Zivilisation. Diesem hohen Anspruch werden die kleinkarierten Tiefflieger von heute keineswegs gerecht, sie diskreditieren sich selbst durch ihr Verhalten vor der Geschichte.