Montag, 10. Dezember 2007

And the President is...

Mehrere Jahre lang schien für viele die Frage, wer Putin als Präsident Russlands beerben wird, als eine der spannendsten Fragen der russischen Politik überhaupt. Heute ist sie wohl gelöst worden und zwar so unspektakulär und deeskalierend, wie kaum jemand angesichts ihrer dauerhaften Brisanz vermutet hätte. Auch dies dürfte bis auf weiteres der Haben-Seite von Putin angerechnet werden, nennt er doch die Stabilität und die Bewahrung des Landes vor Erschütterungen als wichtige Ziele seiner Präsidentschaft. Der Machtwechsel im Kreml galt vielen als kritisches Moment und heute ist der erste Stein für seinen entschärften und ausgeglichenen Verlauf gelegt worden.

Der Vize-Premier und Gazprom-Aufsichtsratvorsitzende Dmitri Medvedev ist, so scheint es, eine Person, mit der letztlich alle leben können. Für die Mehrheit der Russen ist er der Fortsetzer des stetigen Aufbaukurses von Putin und auch der geschätzte "nationale Führer" wird dabei wohl irgendwo in der Nähe bleiben sowie angesichts der vermeintlichen charakterlichen Milde von Medvedev seinen Beitrag in die Tagespolitik einfließen lassen können. Zudem steht Medvedev aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit für die sozialen Seiten des Staates.

Für die verschiedenen Spektren und Gruppierungen im Kreml ist Medvedev ebenfalls eine akzeptable Kompromissfigur. Auf eine bemerkenswerte Weise ist er liberal genug für Liberale und konservativ genug für Konservative. Damit könnte Russland der Bulldoggenkampf unter dem Teppich wahrscheinlich erspart bleiben.

Für die radikale Opposition um Kasparov wird Medvedev zwar ein "Mann des Regimes" sein, doch wird ihr die Mobilisierung des ohnehin kleinen Rebellenkontingents sowie seine Dämonisierung in den Westmedien deutlich schwerer fallen als gegenüber Putin: Medvedev hat bisher noch nicht mal subjektiv ein erwähnenswertes Sündenregister vorzuweisen und wirkt generell irgendwie so gar nicht autoritär.

Für die Vertreter der nationalen und ausländischen Wirtschaft dürfte Medvedev als wirtschaftsliberaler Mann von Welt ein Segen sein. Zum einen, weil er als Mitglied des Gazprom-Aufsichtsrats solide Erfahrung und Kenntnisse in Wirtschaftsfragen mitbringt. Zum anderen, weil er als Davos-Reisender und Koordinator internationaler Wirtschaftsprojekte ein repräsentativer, weltoffener Verbesserer des Investitionsklimas sein dürfte. Zugleich ist von ihm ein konsequentes Eintreten für nationale Wirtschaftsinteressen zu erwarten.

Für die westliche Politikwelt ist Medvedev wohl ebenfalls die akzeptablere Variante unter den sonstigen realistischen Möglichkeiten. Er dürfte zugänglicher sein und in manchen Situationen eine kompromissbereitere Position beziehen, als etwa vom anderen potenziellen Kandidaten, Sergei Ivanov, zu erwarten gewesen wäre.

Doch obwohl die westlichen Medien noch nicht wirklich viel Kompromat (Russisch für "kompromittierendes Material") gegen Medvedev haben (weder hat er eine Geheimdienstvergangenheit, noch hatte er je Militäroperationen angeordnet), driftete der Grundton der Berichterstattung schon mal vorsorglich ins Skeptische. Spiegel Online servierte den überaus geistreichen Slogan "Gasprom wird Präsident" und die berüchtigte Britta Hilpert (ZDF) diagnostizierte ihn schon mal mit dem Lieblingswort Vasall. Die meisten Medien deuten an, dass das ganze Vorgehen undemokratisch sei, da angeblich Putin alles alleine wie ein Zar entscheide. Hier irren sie mal wieder, denn das letzte Wort hat immer noch das Volk. Dass Putin jedoch ein derartiges Vertrauen genießt, dass die meisten Russen sich seinen Empfehlungen anzuschließen bereit sind, ist eine andere Sache - nicht selbstverständlich, sondern hart erarbeitet. Geschätzt und gehört zu werden muss eben nicht aus dem Rahmen der Demokratie fallen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Gasprom wird Präsident" - als ich das gelesen hatte, musste ich mir auch an den Kopf fassen. Außerdem wird er im Folgenden als Gazprom-Manager bezeichnet - was mindestens unpräzise ist (der Mann ist Chef des Aufsichtsrats). Auf die Spitze treibt es die Süddeutsche: "Putin hatte am Montag erklärt, der Gazprom-Chef und Vize-Premier sei sein Wunschnachfolger." Gazprom-Chef? Meines Wissens immer noch Alexei
Miller. Andere Artikel haben diesen Fehler, ob gewollt oder ungewollt, nur impliziert. Von einer "russischen Rochade" war da die Rede: Medwedew wird Präsident, Putin im Gegenzug Gazprom-Chef. Dass "Gazprom-Chef" allein vom Zeitaufwand wohl kaum mit einer Tätigkeit als Vize-Premier vereinbar sein dürfte, ist den Schreibern wohl nicht klargeworden...

Ach so, hier noch der
Link
zum oben erwähnten Süddeutsche-Artikel

Anonym hat gesagt…

Die westliche "freie" Presse, welche zu 3/4 von einem Kapitalgeber versorgt wird sprüht ihre Propaganda weiter in die Köpfe der Michels...

PISA braucht keiner mehr, Propagandaaufnahmefähigkeit wird vom Vorzeigebürger (des Westens) verlangt!

Anonym hat gesagt…

Mittlerweile sind ja noch so einige weitere Verknüpfungen zwischen Politik, Wirtschaft und Gazprom entstanden. Grenzen sind da wirklich schwer zu ziehen, ich finde es aber auch unverantwortlich, wie der Konzern nun als das ultimativ Böse dargestellt wird. Große Vorsicht wäre hier doch wohl eher angebracht als blinde Verteufelung, nur so kann man doch verhindern, sich noch weiter in ein Abhängigkeitsverhältnis zu begeben.