Mittwoch, 29. Oktober 2008

Das Zahlen der Lämmer

Vergangene Woche ging eine von der EU und der Weltbank organisierte Geberkonferenz für Georgien zu Ende, auf der dem Aggressor vom August Steuerzahlergelder im Umfang von 3,4 Milliarden Euro als „Aufbauhilfe“ zugesprochen wurden. Empörend ist dabei natürlich nicht die Tatsache an sich, dass die einfachen Menschen in Georgien, vor dem Krieg ohnehin schon unter armen Bedingungen lebend, nun die Kriegszerstörungen wieder überwinden können. Weitaus bedenklicher ist die Art und Weise, wie dieses Geld dem georgischen Staat übergeben wurde. Auf der Geberkonferenz war nicht die leiseste Kritik am georgischen Präsidenten zu hören, der mit seinem Überfall auf die schlafende Hauptstadt Südossetiens in der Nacht auf den 8. August diesen Krieg mit über Tausend Opfern und milliardenschweren Zerstörungen zu verantworten hat.

Der freundliche, sogar familiäre Umgang mit den Vertretern Georgiens sollte signalisieren, auf wessen Seite Europa steht, während das nicht eingeladene Russland als ein böses gemeinsames Schicksal im Raum schwebte, dessen Untaten die Familie „zivilisierter Länder“ (inklusive Georgien) nun ausbügeln muss. Ein Vertiefen in die Anti-Russland-Rhetorik fand allerdings nicht statt, da die meisten wohl wussten, dass beim näheren Hinschauen auf die Kriegsumstände kein Blumentopf zu gewinnen ist (zumal jetzt auch die BBC, leider als einzige Medienanstalt, eine Dokumentation über georgische Kriegsverbrechen veröffentlichte, siehe auch hier). Also wählten die feinen Herren eine abstrakte Form der Anklage, so ganz im traditionellen Stil gewiefter europäischer Heuchelei.
Die Europäer, die mal wieder den Großteil der Gelder beisteuerten, zeigten sich einmal mehr als gehorsame Zahlschäfchen, die immer dann blechen dürfen, wenn amerikanische Strategen und ihre heißblutigen kleinen Vasallen ein neues Abenteuer aushecken und dabei versagen. Dass die gütige Hilfe europäischer Menschenfreunde zu keinem Cent an die Südosseten adressiert ist, die mit Abstand die meisten Toten zu beklagen haben, liegt in der Logik der Dinge und überrascht kaum noch.
Die Bevölkerung Europas wird von derartigen Vorgängen traditionell ausgeschlossen und nur am Rande informiert. Es ist nicht im Sinne des Erfinders, dass hier jemand genauer nachbohrt. Die Bürger Europas, deren überhöhte Abgaben unter anderem durch Aktionen wie diese zustande kommen, sind aber "glücklicherweise" zu bequem, um sich einen Durchblick zu verschaffen. Die Lämmer werden geschoren, während sie in einer Art großen Matrix bei Laune gehalten werden, die ihnen transatlantische mafiose Machtstrukturen mit Hilfe der Massenmedien erschaffen. Diese sorgen dafür, dass der Gedanke, dass eine europäisch-russische politische Annäherung beidseitig vorteilhaft wäre und nicht am gegenteiligen US-Interesse scheitern dürfte, niedergehalten wird. Das Thema Russland wird durch die Medien in einen ähnlich abstrakten wie künstlichen Schleier des Argwohns verhüllt, der bei dieser symbolischen Geberkonferenz so heuchlerisch zu spüren war.

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

http://diepresse.com/home/politik/
aussenpolitik/426779/index.do?_vl_backlink=/home/index.do

bitte mal lesen

der unbequeme hat gesagt…

Habe ich schon gelesen. Na und? Gilt das Feindbild Russland nicht auf für den Westen? Es gibt nur zwei Unterschiede:

1) Russland war für die westliche Politik durchgängig der Feind, während man sich in Russland 10 Jahre lang aufrichtig Illusionen der Freunschaft machte und erst dann angesichts der Realitäten zur alten Position zurückkehren musste.

2) Die westliche Bevölkerung ist mit den geopolitischen Positionen der Regierungen weitgehend nicht einverstanden, was diese jedoch nicht daran hindert, unbeirrt die eigene Linie zu verfolgen. In Russland speist sich die ablehnende Haltung gegenüber dem Westen weniger aus dem eigenen Fernsehen. Wahre Wunder an Effektivität vollbringt das Studieren verlogener westlicher Medien, z.B. auch zum Georgien-Konflikt. Und die Übereinstimmung der politischen Linie mit der Mehrheitsmeinung zeugt gerade davon, dass es in Russland in mancher Hinsicht sogar demokratischer zugeht, als im Westen.

Anonym hat gesagt…

zu 1)

Na ja, bei der Frage der Unabhängigkeit des Kosovos und dem Standort für die Raketenabwehr bin ich anfang durchaus konträrer Meinung gewesen. Diese Probleme waren eigentlich völlig unnötig und sinnfrei m.M.n. .
Die Frustration auf russischer Seite kann ich daher verstehen!

Was ich bei Russlands Position immer nicht ganz nachvollziehen kann ist, das die Regierung dieses Landes scheibar für jeden kleinen Trippelschritt in die richtige Richtung immer einen Gegenwert zurückerwartet. Darumgeht es aber nicht. Russland muss von sich aus beweisen das es von sich aus gewillt ist den Weg der Völkerverständigung weiterzuverfolgen auch ohne ständige Konzessionen seitens des "Westens". Früher oder später würde sich nämlich gewiss - bei gestiegenem Vertrauen - ein offenes ehrliches, auf gegenseitiger Anerkennung beruhendes Verhältnis entstehen. Siehe Bsp: BRD und seine Etablierung als vertrauensvoller, anerkannter und respektierter Partner für große Teile der Staatengemeinschaft. Völlig ohne Aggression und weil unser Land von sich aus losgegangen ist ohne auf Geschenke und Lob zu warten.

Also auch wenn ich Russlands Position immer besser nachvollziehen kann, gibt es meiner Meinung trotzdem keinen Grund sich beleidigt in die Ecke zu stellen. Es gibt immer Wege!
Gruß

der unbequeme hat gesagt…

Danke sehr für Ihren Kommentar. Aber was ist ein "Schritt in die richtige Richtung"? Gibt es eine objektive richtige Richtung? Ist das, was den Interessen der USA entspricht, objektiv richtig? Und warum sind die Interessen Russlands weniger richtig?

Für eine Annäherung hat Russland ohnehin schon mehr getan. Es hat 2001 seine Militärbasen auf Kuba und in Vietnam geschlossen, kooperiert mit der NATO bezüglich Afghanistan, unterband zwischenzeitlich viele militärische Aktivitäten. Doch das Vakuum, das entsteht, wird rücksichtslos von den Amerikaner ausgefüllt: NATO-Erweiterung, die bald bis an russische Grenzen gehen soll, Raketenabwehr, Kündigung von Abrüstungsverträgen, neue Militärbasen, Organisation von anti-russischen Umstürzen vor der Haustür Russlands. Da ist doch ganz klar, dass sich Russland fragt, ob ein Kurs der Zugeständnisse überhaupt Sinn macht oder ob die Amis einfach nur alles ausnutzen möchten, was sich ergibt. Wenn sich zwei Seiten als geopolitische Konkurrenten gegenüberstehen, dann ist der Vertrauensaufbau nunmal nur durch die Politik gegenseitiger kleiner Schritte möglich, und nicht durch den großen Vertrauenskredit einer Seite, der ständig strapaziert wird. In dieser Situation ist es, glaub ich, eine Forderung an die falsche Adresse, dass ausgerechnet Russland weiterhin Zugeständnisse machen soll. Der Westen (vor allem die Amis) sieht sich als Gewinner des Kalten Krieges und Russland nicht als gleichwertigen Partner, wegen dem man sich irgendwelche Umstände machen muss. Die Option "Unterwirf dich oder sei unser Feind", die der Westen Russland lässt, kann leider keine gute Grundlage für die Koexistenz sein. Die BRD musste seinerzeit die Option Unterwerfung wählen und kann bis heute keine wirklich eigenständige Außenpolitik führen. Für so ein Schicksal ist Russland nicht bereit.

Anonym hat gesagt…

Gute Antwort Ihrerseits.

zu ihrer Eingangsfrage: "was ist die objektiv richtige Richtung?"

Es wäre anmaßend von der "einen" Objektivität zu schreiben. Man kann aber versuchen sich von seiner eigenen Stellung zu dissozieren und auch die anderen Positionen zu betrachten.

Die US-Sichtweise als richtigen Weg zu sehen, nach denen man sich RICHTEN sollte, wäre natürlich falsch. Ich habe inzwischen auch verstanden was der Anspruch Russlands ist. Es sieht sich als eine Macht auf Augenhöhe mit den Größten der Welt (also USA, EU, China, Indien). Als solches fühlt sich das Land aber nicht wahrgenommen vornehmlich von den USA. Obwohl ich denke, das die BRD sich durchaus Mühe gibt Russland immer wieder Brücken zu bauen, insofern kann man nicht von "dem" Westen sprechen. Das bringt mich auch zu der Feststellung, das natürlich Deutschland eine in die Schranken verwiesene Macht ist und die hiesige Machtelite verstanden hat, dass es sich nicht mit Gewalt durchsetzen kann sondern nur mit Kooperation und einem Miteinander. Dies tut es m.M.n. inzwischen sehr, sehr erfolgreich. Diesen Weg vielleicht als, na ja "schwächlich" anzusehen halte ich für falsch.

Warum? Wir haben inzwischen das 21. Jahrhundert. wir erleben gerade eine globale Finanzkrise. Eine eigenständige und irgendwo auch egoistische Machtpolitik kann sich einfach kein Land mehr leisten in der heutigen Zeit. Russland erlebt gerade selbst, zur eigenen Überraschung, wie tief es bereits mit der Weltgemeinschaft verwoben ist.

Was heisst das nun für den Weg den Russland gehen sollte?

Bedingungslose Zugeständnisse an die USA? - sicherlich nicht! Gefährliche (für die Welt als ganzes) militärische Gratwanderungen verbunden mit aggressiver Rhetorik? - auch nicht dauerhaft erfolgreich, führt nur zu Isolierung.

Russland muss erst noch einen stabilen, von mir aus auch "eigenen" Weg entwickeln, das es ermöglicht, erfolgreich zu sein und andere Staaten dabei kooperativ mit einzubeziehen. ... während die ersten beiden Wege immer nur ein Teilziel erreichen können. Gruß

der unbequeme hat gesagt…

Ich denke, dass Russland sich in der heutigen Welt nicht falsch, sondern einfach den Umständen entsprechend positioniert. Eine "egoistische Machtpolitik", die Sie Russland jetzt indirekt vorwerfen (ich würde es eher Enttäuschung und Desinteresse an einer weiteren Pseudo-Kooperation nennen), ist nunmal das Ergebnis der gescheiterten Versuche, eben das umzusetzen, was Sie in Ihrem letzten Posting einfordern. Warum das Ganze gescheitert ist, habe ich weiter oben bereits anhand der Psychologie der Beteiligten zu erklären versucht.

Russland sieht natürlich auch die Nachteile des derzeitigen Kurses der unilateralen Entscheidungen. Doch nach all den Erfahrungen der Vergangenheit ist es wohl noch das kleinere Übel. Ein großes Land hat naturgemäß auch viele Interessen, die es nicht immer nur aufgeben kann. Die wahre friedliche Koexistenz liegt in der Balance und in der Berücksichtigung der Interessen aller. Wenn dies nicht gegeben ist, ist es manchmal nötig, sich Respekt zu verschaffen, um einen gebührenden Platz in der Weltgemeinschaft zu einzunehmen. Bislang scheitert eine Annäherung an (wie sie bereits selbst sagten) unnötigen amerikanischen Provokationen vor allem im Sicherheitsbereich. Warum muss das sein? Die "aggressive Rhetorik" Russlands ist bislang eine lediglich verbale Retourkutsche auf handfeste Aktionen Washingtons.

Ich kann nur nochmal sagen, dass aus meiner Sicht Russland in der heutigen Situation nicht mehr der richtige oder der erste Adressat für solche erweichenden Mahnungen sein kann. Russland hat seinen Teil gemacht und das ohne Erfolg. Man müsste jetzt an der anderen Seite ansetzen.

Schöne Grüsse

Anonym hat gesagt…

Tja, warum die Amerikaner mehrfach solche unötigen Provokationen vorantreiben mussten verstehe ich tatsächlich nicht. Es kann nichts rationales sein, eher etwas was man vielleicht noch am ehesten als "Arroganz der Macht" umschreiben kann. Wir wissen doch beide von der Ignoranz und Unwissenheit der dortigen Gesellschaft. So gesehen ist ja nicht nur Russland das "Opfer". Allerdings möchte ich nicht so weit gehen und von Vorsatz oder angeborene Böswilligkeit der US-Amerikaner sprechen. Die haben halt ihre Fehler aber(!) eben auch ihre guten Seiten, die ich im Kontext eben auch betrachte.

Das man sich als selbstbewusstes Mitglied der Weltgemeinschaft nicht alles bieten lassen muss von der mit Abstand mächtigsten Macht der Welt ist unbestrtitten. Die Frage dabei ist lediglich die Wahl der Mittel. Also das Wie.

Und Sie ahnen wahrscheinlich schon, dass ich da mit ihrer Argumentation nicht ganz mitkommen kann. Ist es denn wirklich so, das Russland immer nur "betrogen" und ausgenutzt wurde wenn es bei dem Spiel mitgemacht hat? Ich behaupte nein. Mir fallen doch durchaus Erfolge ein, die sich mit dem Kurs der Kooperation eingestellt haben. Zählt denn die G8-Mitgliedschaft nichts? Ist die Nato-Russland Kooperation nichts wert? Die genauen Abkommen und Vertrgäge, Sie verzeihen, sind mir in ihrer Gänze nicht bekannt, aber es wird sicherlich beträchtlich sein.

Was man auch noch bedenken sollte. Zu der Zeit als Russland diesen, sagen wir mal "weichen" Kurs fuhr: tat es dies denn freiwillig? oder nur weil die schwierige Lage des Landes in den 90ern einfach keine andere Option bot? Der sog. Westen hat sicherlich beides gesehen. Einerseits die kooperation Russlands und eben auch seine damalige ohnmachtsartige Schwäche. Der Spruch des jetzigen Premierministers, dass nur die Starken respektiert werden macht da schon Sinn.

Aber: Das die Attribute "Schwach" und "Kooperativ" andere Ergebnisse einbringen als "Stark" und "Kooperativ" scheint doch logisch. Ich behaupte also, dass ein starkes Russland mit einem Kooperativen Ansatz garantiert nicht ohne weiteres Übers Ohr gehauen werden würde wie es ihm noch als schwaches etwas widerfahren ist.

Ich möchter gern noch auf einen interessanten Aspekt ihrer Antwort eingehen - allerdings will ich nur mal versuchen meine Sicht als Euopärer zur Frage der Staaten in der Welt des 21. Jahrhunderts darzustellen.

"...Die wahre friedliche Koexistenz liegt in der Balance und in der Berücksichtigung der Interessen aller. Wenn dies nicht gegeben ist, ist es manchmal nötig, sich Respekt zu verschaffen, um einen gebührenden Platz in der Weltgemeinschaft zu einzunehmen. ..."

Da kommen wahrscheinlich wohl gerade ein paar Metalitätsunterschiede zwischen ihnen und mir zu Tage. Ich, der EU-geprägte, im Herzen eines Multilateralen Europas lebende EU-Bürger (wohl eine Dopplung zuviel:)
und der (meine Unterstellung - es leben die Vorurteile...jaja) Bürger eines Riesenlandes, der wahrscheinlich 4000 KM bis zur nächsten Landesgrenze entfernt lebt.

Im 21. Jahrhundert kann der Eine ohne den anderen nicht mehr. Auch wenn es die russische Politik nicht wahrhaben will. Sie ist von der Weltgemeinschaft abhängig.

Als Mitteleuropäer empfinde ich Kompromisse und Verhandlungen der europäischen Staaten als einen völlig natürlichen Vorgang der Konfliktaustragung. Wenn ich mir aber ein paar russische onlinenachrichtenausgaben so durchlese, ach ich weiss nicht. NOVOSTI ist ein gutes Beispiel. Ich lese dann immer nur was von Panzern Hubschraubern und Suchois die gebaut und exportiert werden. Abkommen mit anderen Ländern werden immer nur als militärisch-strategisches Investment gesehen. Wo ist die Zivile Komponente? Ich schließe z.B. Kulturabkommen/ Bildungsabkommen mit einem anderen Land um ein gegenseitiges Verständnis zu erreichen usw.

... Das ist die (heutzutage) typisch deutsche Sicht wie man die Weltgemeinschaft sieht. Nicht nur die friedliche Koexistenz, nein noch viel mehr: ein gemeinsames langfristiges Verschmelzen (EU) ist das Ziel.

Kurzes Fazit: Das scheint mir das Grundproblem zu sein, wir reden von einer Sache aber beide Seiten meinen was ganz anderes!

Egal. Ich finde die Entwicklung Russlands sehr interessant. Es ist ein sehr altes aber auch sehr junges Land ...

der unbequeme hat gesagt…

Für Ihre ausgeglichene Sicht auf die Dinge habe ich große Sympathie. Allerdings möchte ich einige Ergänzungen machen. Erfolge hat der "weiche" Kurs in der Tat keine gehabt.

Die Teilnahme an der G8 hat nur einen symbolischen und keinen praktischen Wert. Diese Institution hat in den letzten Jahren keine einzige bedeutende Entscheidung hervorgebracht und ist zu einem reinen Debattierclub verkommen. Ohne Russland, aber auch ohne China oder Indien ist die Lösung globaler Probleme wie Nicht-Verbreitung von MV-Waffen, Seuchen- und Terrorismusbekämpfung, ohnehin nicht möglich. Der Ausschluss Russlands, wie ihn John McCain fordert, würde diesem Format endgültig die Relevanz nehmen. Gehen wir weiter: NATO-Russland-Kooperation. Wer hat davon mehr? Russland bietet der NATO seinen Luftraum, versorgt die NATO mit Aufklärungsdaten in Afghanistan. An die Abrüstungsverträge mit den NATO-Staaten (KSE) hat sich bis vor kurzem allein Russland gehalten. Wie wir sehen, war die Ost-West-Beziehung überwiegend eine Einbahnstraße.

Für die europäische Mentalität des Ausgleichs, die Sie haben, habe ich wie gesagt große Sympathie. Zugleich muss ich leider feststellen, dass diese Mentalität in der Politik bei der Konfrontation mit stahlharten amerikanischen Forderungen immer den Kürzeren zieht. Die Europäer haben einfach Angst, den Amerikanern zu widersprechen und verstricken sich selbst in der Doppelmoral. Bestes Beispiel ist der jüngste Fall Georgien. Kurzum: der Ausgleich mag vielleicht EU-intern funktionieren, nach außen ist dies aufgrund der mangelnden Emanzipation Europas von den USA so gut wie nicht spürbar. Hier sehe ich das größte Problem zur Zeit. Europa und Russland könnten die USA zur Räson bringen, wenn Ihre Ansichten auch die europäische Politik dominieren würden.

PS: Die russische Politik ist von ihrem Wesen her zum Glück nicht so Nullsummenspiel-orientiert, wie das bei Ihnen vielleicht zur Zeit der Eindruck ist. Allerdings ist es in der gegenwärtigen Lage auch schwer, anders zu denken.

Viele Grüsse

Anonym hat gesagt…

Hallo,

ich habe jetzt erst mal eine Weile über ihren Satz nachgedacht:

" ... dass diese Mentalität (eig. Anm.: Ausgleich) in der Politik bei der Konfrontation mit stahlharten amerikanischen Forderungen immer den Kürzeren zieht. Die Europäer haben einfach Angst, den Amerikanern zu widersprechen ..."

Darauf eine umfassende Antwort zu finden ist wahrlich nicht einfach.

Deswegen nicht, da mir durchaus einige Fälle einfallen, bei denen ich Ihnen problemlos zustimmen kann. Beim weiteren nachdenken sind mir aber auch Gegenbeispiele eingefallen.

Letztendlich muss eben auch betrachtet werden, dass dieses Land 8 Jahre lang vom schlechtesten Präsidenten aller Zeiten regiert wurde. Man neigt immer zu verallgemeinerungen, es sind die Amis und die Russen. Aber sind die Russen unter Jelzin und die Russen unter Putin nicht vollkommen anders?

Wenn die Europäer sich scheinbar so wenig durchsetzen konnten bisher, lag das vornehmlich an diesem Präsidenten, für den es scheinbar keine internationalen Regeln zu geben schien.

Aber das wird, und da bin ich überzeugt jetzt sein Ende haben. Mit einem neuen US-Präsidenten kommt automatisch neues Personal. Die Bundesverwaltung wird fast vollständig ausgetauscht werden und somit halten auch neue Ideen einzug.

Die Europäer wissen darum. Letztendlich warten wir doch seit Jahren nur noch darauf, dass dort ein Wechsel stattindet. Diese scheinbare Passivität sehe ich daher eher als eine Fähigkeit des klugen abwartens.

Noch mal kurz zur europäischen Mentalität des Ausgleichs. Ein Aspekt ist sicher auch der, Differenzen und unterscheidliche Positionen in den zuständigen Kreisen und Gremien zu behandeln und auch dort zu belassen. Vielfach dringen Problemstellungen gar nicht erst nach draussen. Ein Besipiel das mir einfaällt ist z.B. der EU-Streit bei der Frage der Verfassung vom letzten Jahr. Die neue polnische Kartoffel zeichnete sich durch eine sehr aggressive, konfrontative nach außen getragene Linie aus. Während die deutsche Ratspräsidentschaft sich da deutlicher zurückhielt und als Folge wesentlich professioneller wirkte. Letztlich kam es in der Öffentlichkeit so an als ob Polen scheinbar alles dürfte und wir (Deutsche) nur kuschen dürfen.

Aber was kam den faktisch raus? Wer gibt denn noch heute den Ton an? Ich halte eine emotionale geprägte Politik für a) gefährlich b) nicht erfolgreich und c) unprofessionell. Es beweist sich immer wieder das die "Angie"-Taktik (eigene Wortschöpfung), also des kühlen und abwartenden rechnens und taktieren in der Außenpolitik die besseren Resultate bringt, auch wenn sie nach außen hin als steif und unattraktiv rüberkommt.

Mir fällt übrigens gerade ein prominentes Beispiel wieder ein, bei dem sich das "Alte Europa" sehr wohl von unserem strategischen Partner emanzipieren konnte: im Vorfeld des Irakkrieges 2002. Es waren wir, die Franzosen und die Russen die sich eindeutig gegen die Amerikaner gestellt haben. und bei den willigen Europäeren, z.B. die Spanier, damals noch umgekippt, würden sie m.M.n. diesesn Fehler sicherlich heute nicht mehr machen.

Das bringt mich zur Feststellung: Politik ist eben auch immer sehr stark Personegeprägt. Siehe Jelzin und Putin. Schröder und Merkel usw.

Übrigens noch mal kurz zum Thema abwarten in der Poltik. Mir imponieren die Chinesen. Die wissen sehr wohl, dass sie sich am besten einfach aus allem raushalten, da sie einfach nur die Zeit abwarten müssen bis sie von alleine so mächtig geworden sind, dass jeder ihre Stärke auch so anerkennen wird. Ich nehme noch mal Bezug auf Putin. Man wird dann Anerkannt, wenn man Stark ist. Das heist: zuerst muss man auch Stark sein. Also real in der Ersten Reihe stehen.

Wenn die Europäer so wahrgenommen werden wollen, müssen sie eben die Vorraussetzungen schaffen, genauso wie es Russland muss.

... und die Chinesen haben das kapiert.

Viele Grüße

der unbequeme hat gesagt…

Hallo,

vielen Dank für Ihre umfassende Antwort. Ich denke, wir sind uns in vielen Punkten einig und haben prinzipiell ähnliche Ansichten. Was uns am Anfang etwas unterschieden hat, war die unterschiedliche Tiefe des Einblicks in die russische Perspektive. Es ist in der Tat nur sehr wenigen Europäern bewusst, wie überaus enttäuschend die Entwicklung der russisch-westlichen Beziehungen für Russland war, nachdem sich das Land seit der Perestroika geöffnet hat. Liest man allein die westliche Presse, hat man auch wenig Chancen, viel von russischen Argumenten und Sichtweisen mitzubekommen. Auf diese Weise ist es nur natürlich, dass der Eindruck entsteht, Russland sei aggressiv, unberechenbar oder führe eine Holzhammerpolitik. Was wir alle brauchen, ist mehr Austausch, mehr Verflechtung und mehr Selbstbewußtsein.

Sie haben absolut Recht: die Rolle der Persönlichkeiten ist sehr groß und ihr Beispiel mit Chirac und Schröder ist sehr richtig. Leider sind diese erfreulichen Emanzipationsansätze Europas mit dem Machtantritt von Merkel und Sarkozy wieder weitgehend zurückgefahren worden. Inwieweit ein Obama auf europäische Bedenken in geopolitischen Angelegenheiten Rücksicht nimmt, bleibt abzuwarten. Wenn er es tut - schön, aber wenn nicht? Dann bleibt alles beim Alten, außer dass er noch einen größeren Gedulds- und Vertrauensvorschuss haben wird, als Bush. Liefert sich Europa da nicht zu sehr dem guten Willen der Herren in Washington aus? Ich denke, auch wenn mit Obama Aussichten auf Besserung bevorstehen, sollte sich Europa nicht einfach nur passiv auf Entwicklungen in Washington verlassen. Europa sollte seine Prinzipien formulieren und in jeden Fall verteidigen. Eine größere Zusammenarbeit mit Russland wäre z.B. eine solche Sache, wo sich Europa nicht von den USA reinreden lassen sollte. Solange die USA das Gefühl haben, dass Europa alles was sie tun letztlich schlucken wird, bleibt auch für einen Obama die Verführung groß, eine unilaterale Politik zu führen.

Schöne Grüsse

Anonym hat gesagt…

Ich kann ihnen zustimmen, wir denken ähnlich darüber.

Eine größere gemeinsame Zusammenarbeit wäre für alle eine win-win Situation.

Dazu müssen sich allerdings auch alle Beteiligten zueinander zu bewegen. Das auch die USA nach diesen katastrophalen 8 Jahren da nachholbedarf haben, versteht sich von selbst. Hoffen wir darauf, dass Obama vom Typ ein "Zuhörer" ist. Der "Cowboy"-typ hat für dieses Amt jedenfalls nicht gepasst.

Wichtig für mich wäre auch, dass eine vertrauensvolle, harmonischere Zusammenarbeit aller Parteien möglich ist, ohne das irgendjemand Tricks oder Ausspielversuche gegen eine Partei unternimmt!

Und dafür braucht man Leute an der Spitze jeder der involvierten Mächte (ohne Ausnahme), die in der Lage sind, dem anderen zuzuhören und zu verstehen ...

also dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Sonntag.

der unbequeme hat gesagt…

Vielen Dank. Ihnen eine schöne Woche!

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank Der Unbequeme, für ihre kritische Beurteilung über die "doppelten Standards" der "VSA-zentrierten Dienstleistungsgemeinschaft".

Übrigens war bzw. ist ihr Dialog mit "andere objektive sicht hat gesagt" bisher sehr lesenswert gewesen.

Anonym hat gesagt…

Medwedew: Russland wird US-Raketenabwehr von Kaliningrad aus eindämmen

Wer weiss schon, was die Russen wissen? Obama hat bei Brzezinski studiert und ist sein politischer Ziehsohn. Brzezinski denkt das große Spiel. Kleine Schachfiguren wie Irak und Iran interessieren ihn nicht. Die große Figur gilt es aus seiner Sicht zu schlagen. Und die ist Russland. Das heutige Russland bietet sich als natürlicher Partner Europas an. Russlands Rohstoffe, Russlands Hunger nach Infrastrukturprojekten und seine Geographie als Brücke zwischen Europa und dem Chinesischen Markt ziehen die Europäer automatisch in ihren Bann. Die Gefahr einer Eurasischen Wohlstandsgemeinschaft, die unabhängig von den Machenschaften der Seemächte ist, zeichnet sich am Horizont ab. Hiergegen richtet sich die Grand Strategy von Brzezinski. Das Raktenschild war der Auftakt, Georgien der zweite Akt. Die nächste Provokation wird in der Ukraine erfolgen. Mit Obama als wieder glaubwürdigen Führer der freien Welt könnte es gelingen, Russland erneut von Europa abzuspalten. Zugunsten der Angelsachsen und zum Nachteil aller anderen.

Anonym hat gesagt…

http://de.youtube.com/watch?v=3bt065ov-hk

Anonym hat gesagt…

http://de.youtube.com/watch?v=RpuEW7GUHtM&feature=related