Die westeuropäischen Moralhüter kapitulieren schnell vor dem sehr mitleiderregenden Alibi, das die Balten hochhalten: die Unabhängigkeit war zur damaligen Zeit von den Russen bedroht, deswegen musste sie beschützt werden. Auch zusammen mit den Nazis. In der Regel reicht das für die Europäer aus, um alle Fragen fallen zu lassen. Dabei enthält die baltische Argumentation, abgesehen von der relativ fragwürdigen Chance auf Unabhängigkeit unter den Nazis, viele nachfragenswerte Lücken. Denn die "edlen Freiheitskämpfer" aus dem lettischen Freiwilligenkorps der SS waren auch für brutale Übergriffe auf Juden bekannt. Als erste waren die baltischen Staaten "judenfrei". In den Jahren 1942-1943 kämpften die Esten und die Letten gegen russische Partisanen in den Gebieten Pskov, Leningrad und Novgorod und machten sich dort als völlig enthemmte Schlächter der Zivilbevölkerung einen Namen. So kann Unabhängigskeitskampf eben auch aussehen. Die Deutschen konnten sich angesichts dieser Helfer, die mit Vergnügen jede Drecksarbeit übernahmen, sehr freuen.
Mit der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen auf lettischem Boden ist es indes nicht weit her. Erst kürzlich erklärte Lettland zwei renommierte russische Historiker zu unerwünschten Personen, weil diese ein Buch über das Konzentrationslager Salaspils veröffentlicht haben, in dem mehrere Tausend verschleppte Kinder aus Russland und Weißrussland unter katastrophalen Bedingungen gehalten wurden und Blut für die Soldaten abgeben mussten.
Heute herrschen in Lettland alarmierende Zustände und das betrifft nicht nur die Diskriminierung russischsprachiger Bürger mit einem in der weltweiten Rechtspraxis einzigartigen Status "Nichtbürger". Nicht nur in der lettischen Presse, sogar an lettischen Schulen wird die Glorifizierung der Kollaborateure und mehr als nur unterschwellig auch Nazi-Deutschlands betrieben. Wo bleibt der sonst allgegenwärtige Aufschrei der mitteleuropäischen Gutmenschen?