Das ostukrainische Kohlerevier Donbass, das sich administrativ in die Regionen Donezk und Lugansk unterteilt, hat sich in zwei regionalen Referenden mit großer Mehrheit
für die Eigenständigkeit ausgesprochen. Dies soll eine Vorstufe zur Gründung eines
neuen Staates mit dem Namen Noworossija ("Neurussland") sein. Dieser Name soll an den
historischen Namen der Region anknüpfen, die Ausrichtung nach Russland verdeutlichen sowie weitere russisch geprägte Regionen des ukrainischen Südostens, die zum historischen Neurussland gehören und momentan noch fest im Griff der Kiewer Putschisten sind, zu analogen Referenden und dem Anschluss motivieren.
In den westlichen Medien war die
Verteufelung dieser Entwicklung von Anfang an eine ausgemachte Sache. Dem Kampf des Südostens für mehr Rechte und elementare Sicherheit können westliche Mainstream-Medien auch nach dem von ihnen heruntergespielten Massaker von Odessa
keine Sympathie aufbringen, im Gegensatz zu vergleichbaren Aufständen in vielen anderen Gegenden der Welt. Als beispielsweise die Albaner in Mazedonien gegen Skopje ins Feld zogen, zwangen die Westmächte die Regierung zu Verhandlungen und Zugeständnissen, während Kiew einen Persilschein für seine zynische "Anti-Terror-Operation" bekommen hat.
Die Referenden wurden als eine "
große Farce" verunglimpft, weil sie angeblich
nicht allen internationalen Standards genügten und außerdem nicht von der Zentralmacht in Kiew abgesegnet waren. Das mag schon zutreffen, gleichzeitig sind diese Forderungen
jenseits jeglicher aktueller Realitäten und bedeuten de facto nichts anderes, als dass den Menschen von Donezk und Lugansk überhaupt
keine Chance bleiben soll, ihr Schicksal zu bestimmen und ihre Interessen zu verteidigen. Es ist absurd anzunehmen, dass die Kiewer Regierung je ihre Zustimmung zu regionalen Referenden geben wird. Und wenn man das Fehlen von internationalen Beobachtern sowie von Wählerlisten beklagt, vergisst man zu sagen, dass es die Junta in Kiew sowie ihre westliche Schirmherren sind, die weder Wählerlisten herausgeben, noch das Kommen internationaler Wahlbeobachter zulassen.

Die wahre Bedeutung der Referenden besteht nicht in ihrer Anerkennung oder Nicht-Anerkennung seitens der Weltgemeinschaft. Selbst Russland kann die Referenden nicht juristisch anerkennen, weil es auch die anstehende absurde Präsidentschaftswahl am 25. Mai nicht anerkennen will, bei der die wenigen Präsidentschaftskandidaten des Südostens verprügelt und drangsaliert werden. Die wahre Bedeutung der Referenden besteht in der Macht der Bilder, in der nicht zu leugnenden
massenhaften Wahlbeteiligung und der eindeutigen Willensbekundung. Dies alles erzeugt einen immensen
Druck auf Kiew, eine politische Lösung zu suchen. Nichts schadet der Junta und ihren westlichen Gönnern mehr, als Bilder von Panzern und Todesschützen, die Menschen zum Schweigen bringen wollen, die ihren Willen klar bekundet haben.
Anstatt beleidigt zu sein, dass der Versuch des Regime Change in Kiew gründlich in die Hose gegangen ist und nun völlig unterschätzte Entwicklungen einsetzen, sollte der Westen endlich zu verantwortungsvoller Politik zurückkehren. Dies gilt vor allem für Westeuropa, denn von außereuropäischen Brandstiftern kann man eine solche Politik schwerlich erwarten. Die Gründung von Neurussland bedeutet nicht zwangsläufig eine endgültige Abspaltung von der Ukraine. Das neue Subjekt kann auf Grundlage eines
Föderationsvertrags Teil einer neugestalteten Ukraine werden. Die Föderalisierung ist unvermeidlich, wenn die Ukraine in ihren aktuellen Grenzen erhalten bleiben soll. Der Westen sollte dies akzeptieren und Druck auf die Machthaber in Kiew ausüben, damit diese ihre
Gewalt stoppen und mit dem Südosten eine Verhandlungslösung finden.
Es nützt nichts, so zu tun, als ob es sich um einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine handelt, und Russland mit immer weiteren Sanktionen zu belegen, während man einen
innerukrainischen Konflikt nicht sehen und die Ostukrainer nicht als eine Verhandlungspartei akzeptieren will. Dies ist keine Politik, dies ist Abwesenheit von Politik oder eine
bewusste Zusteuerung auf einen neuen Kalten Krieg mit Russland. Das kann nicht im Interesse der Europäer liegen, die sich von den USA mehr emanzipieren müssen.
PS: Unter welchen Umständen die Menschen ihr Recht auf Abstimmung wahrnehmen mussten, kann man unter anderem diesem Video entnehmen. Die Szenen ereigneten sich bei der Abstimmung in der Stadt Krasnoarmejsk, als bei einem "Besuch" der ukrainischen Nationalgarde zwei unbewaffnete Menschen erschossen wurden.