Sonntag, 29. März 2015

Die Unsinnigkeit und die Unmoral der Russland-Sanktionen

Die jüngste Meldung, dass Putins Beliebtheit in Russland nicht fällt, sondern auf ein Rekordhoch gestiegen ist, dürften die europäischen Sanktionsbefürworter wohl mit wenig Freude registriert haben. Das Hauptkalkül der Sanktionen, die russische Bevölkerung gegen Putin aufzubringen und ihn dadurch zum "Einlenken" in der Ukraine-Politik zu bewegen, scheint nicht aufzugehen. Wie so oft, erweisen sich Sanktionen nicht nur wirtschaftlich als zweischneidiges Schwert, der den Initiator mitschädigt, sondern bewirken auch politisch genau das Gegenteil des Gewünschten: die Konsolidierung der Bevölkerung rund um die nationale Führung und eine nachhaltige Entfremdung gegenüber den Ländern, die die als feindselig empfundenen Sanktionen verhängt haben.

Die Erklärung, dass "Putins Propaganda" die Menschen in einer nie zuvor gekannten Effizienz (siehe seine Rekord-Beliebtheit) erfasst hat, greift zu kurz. Die Russen sind keine Lemminge, die in einem massenhaften Trieb den Abhang hinunterstürzen. Schon seit den Sowjetzeiten besitzen sie deutlich mehr gesunden Abstand und Skepsis zu den Medien, als etwa die Europäer, obwohl das auch hier höchst angebracht wäre. Zudem erfolgt die Meinungsbildung der Russen nicht nur über den Fernseher, sondern millionenfach durch persönliche und geschäftliche Kontakte in die Ukraine, durch eigenständigen Besuch ukrainischer Webseiten und Foren. Heute kann man zum einen konstatieren, dass der durchschnittliche Russe deutlich besser über die Lage in der Ukraine informiert ist, als der durchschnittliche Europäer. Zum anderen, hat er direkt oder über russische (Intentet-)Medien deutlich mehr Zugang zu den Mainstream-Sichtweisen des europäischen Establishments, als umgekehrt der Europäer zu den repräsentativen russischen Argumenten und Sichtweisen. Allzu nachlässig vergessen die Propagandisten und die Falken in den europäischen Redaktionen, dass die verzerrte Realität und das Kriegsgetrommel, die sie für die eigene Bevölkerung produzieren, auch in Russland übersetzt und gelesen wird. In den meisten Russen ruft diese Lektüre Abscheu und weitere Solidarisierung mit Putin hervor. Wie die Sanktionen, ist auch diese Propaganda ein zweischneidiges Schwert.

Dabei scheint sich Russland auch wirtschaftlich nach und nach von den Sanktionen zu erholen. Die Aktien russischer Unternehmen gelten wieder als lukrativ, die Gold- und Währungsreserven wachsen, der Rubel wird stärker, die Inflation sinkt. Eine Auswirkung der Sanktionen und der Gegensanktionen ist, dass viele einheimische Agrarproduzenten Russlands die entstandenen Lücken am Markt füllen und die Produktion deutlich ausweiten. In vielen Branchen konnte die aktuelle Situation erstmals die Dominanz potenter westlicher Importeure brechen, die seit dem Entstehen dieser Märkte in den Neunzigerjahren Bestand hatte. In Russland ist kein Mangel an Waren zu spüren, einzig die Finanzbranche ist infolge der Sanktionen unter Druck geraten, da günstige Langfrist-Kredite nun schwerer zu bekommen sind. Allerdings konnten in Ostasien alternative finanzkräftige Kreditoren gefunden werden. Unterm Strich sind es vor allem westliche Kreditinstitute und Exporteure, die entgangene Gewinne beklagen.

Abgesehen von der wirschaftlichen und politischen Unsinnigkeit der Sanktionen, sind sie natürlich auch unmoralisch. Denn es waren die westlichen Staaten selbst, die den verfassungswidrigen gewaltsamen Umsturz in Kiew unterstützt und Verträge (wie den vom 22. Februar 2014) gebrochen haben. Der Westen schaute gleichgültig zu, wie die neue Junta Proteste in der Ostukraine, die nicht weniger legitim als der Maidan waren, gewaltsam niederschlug. Der Westen demonstrierte beispiellose Flexibilität und Doppelmoral in Bezug auf das Völkerrecht (das jüngste Beispiel ist Jemen) und die völlige Verachtung der Rechte der russischen Bevölkerung der Ukraine, die jahrzehntelang nicht mehr forderte, als was in Europa seit langer Zeit ohnehin rechtliche Norm für Minderheiten ist. Russland soll für den Schutz von Russen in der Ukraine vor Nationalistenbanden abgestraft werden, die der Westen wiederum nicht sehen will. Die Vorstellung, dass sich Russland vom richtigen Weg abbringen lassen wird, bloß weil irgendwelche Sanktionen eingeführt wurden oder dass man die russische Politik wie einen Hund an der Leine steuern kann, ist absurd und zeugt von der Unkenntnis der Mentalität und der Geschichte des Landes, das schon viel schwierigere Zeiten gemeistert hatte.

Indes formiert sich innerhalb der EU Widerstand gegen die Russland-Sanktionen. Länder wie Österreich, Ungarn, Slowakei, Griechenland, Zypern, Italien und Spanien sind immer weniger bereit, die finanziellen Einbußen der Sanktionen zu tragen, die ihnen aus Brüssel gegen ihren Willen aufgebürdet wurden. Da zudem immer mehr Verständnis für den wahren Charakter der Ereignisse in der Ukraine aufkommt, werden sie jegliche Ausweitung der unmoralischen Sanktionen sowie ihre Verlängerung zu verhindern versuchen. Demnächst wird die US-Vasallin und Statthalterin Merkel bei der Umsetzung von US-Interessen innerhalb der EU deutlich mehr ins Schwitzen kommen und noch bedeutend mehr Gegenleistungen zum Schaden Deutschlands in die Wagschale werfen müssen, als es ohnehin schon der Fall ist.

7 Kommentare:

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

Bitterböse finde ich diesen Dialog in der Anstalt:

- Vielleicht sollte die Troika die Hilfsprojekte Russland anbieten?
- Warum das?
- Das ist deutlich besser als Wirtschaftssanktionen.
https://youtu.be/CArqQfCB6Jo?t=14m47s

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Der Westen demonstrierte beispiellose Flexibilität und Doppelmoral in Bezug auf das Völkerrecht (das jüngste Beispiel ist Jemen)
Dazu gibt es auch einen Satire-Artikel:
http://amr.amronline.de/2015/03/26/obama-warnt-saudi-arabien-vor-annexion-des-jemen/

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Wenn wir in der Diskussion schon die Ukraine verlassen, dann blicken wir auch mal kurz nach Kirgisien. Das Land gilt als die Schweiz Mittelasiens (lt. Trescher-Verlag ist das bezogen auf seine Landschaft sogar eine maßlose Untertreibung).
Das Land gilt als leuchtens Beispiel der Demokratie in diesem Teil der Welt, aber seit man sich für die wirtschaftliche Kooperation mit Russland entschieden hat, gilt man als schlechte Demokraten. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Islom Karimov selbtverständlich um einen guten Diktator.
Gerade aus der Sicht der Grünen bietet Kirgisien viel Entwicklungspotential.
- Hydroelektrische Energie... aber nein, da hilft nur das böse Russland
- strukturelle Veränderungen... aber irgendwie hat die Schweiz da etwas mehr zu bieten und die sind ja nicht in der EU - also irgendwie auch böse
- Wassermanagement... ach nein, das kann man ja gar nicht lösen, denn daran ist ja ohnehin der Klimawandel schuld.

Und welche Sau treibt die EU stattdessen durchs Dorf? Na, genau die "Schwulen-Paragraphen"
https://www.youtube.com/watch?v=24HAi7rCvs4

Anonym hat gesagt…

Es ist erfreulich zu hören, daß die Auswirkungen der Sanktionen sich im Land in Grenzen halten. Es ist nicht sinnvoll jemanden durch Druck in eine ungünstige Richtung zwingen wollen. Vor allem nicht wenn derjenige seinen Verstand zu nutzen versteht, was hier ganz offensichtlich der Fall ist, kann es nur nach hinten losgehen. Nach wie vor kann man Leute mit Grips nur mit vernünftigen, fundierten Argumenten überzeugen und falls sie darauf nicht eingehen, müssen wir zwingend unsere eigenen Ansichten überdenken. Was wir an dieser Stelle mal tun sollten, da wir sonst wahrscheinlich als Land und/oder EU Schiffbruch erleiden. Bleibt zu hoffen, daß dieses beim letzten Treffen evtl. erörtert wurde. Aber vermutlich nicht, wie Du schon sagtest WW, "Schwulen-Paragraphen" sind wichtiger als Nachbarschaftsstreit. Gruß CK

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

Es ist nicht sinnvoll jemanden durch Druck in eine ungünstige Richtung zwingen wollen.

Laut Gerhard Mangott macht es die EU aber gerade verkehrt, weil sie die Sanktionen als Strafe sieht. Für mich ist aber auch das Kindergarten.
Und überhaupt: unser Europa ist nicht mehr der Nabel der Welt.

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"Schwulen-Paragraphen"

Hier verweise ich auf Hagen Grell
http://www.hagengrell.de/iprotest/2014/03/12/russland-ist-nicht-anti-schwul-die-grosse-medien-luege/

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Beispiel für ein Sau, die früher durchs Dorf getrieben wurde sind russische Waisenkinder.

Wer nicht gleich vor Betroffenheit in die Kissen sank, konnte allerdings stutzig werden. Sollte Wladimir Putin allen Ernstes so kleinlich sein, mit behinderten Kindern ein politisches Spiel zu betreiben? Ein paar bekümmerte US-Amerikaner verprellen, um Weltmachtpolitik zu betreiben? Und noch schlimmer: Müsste man ihm nicht vollendete Dummheit unterstellen? Denn nichts war absehbarer als empörte moralische Reaktion innerhalb und außerhalb Russlands.

Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/zweierlei-mass-die-berichterstattung-uber-russland-und-die.media.616ab3cde047ec4e9a823a8f690c00f9.pdf

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

Dirk Müller - Tagesausblick 10.04.2015

Zwei für Russland interessante Punkte:
1. steigender Rubel
https://youtu.be/tkQ6GWXY-Sw?t=5m2s
2. Tsipras' Kreml-Besuch
https://youtu.be/tkQ6GWXY-Sw?t=6m57s

Anonym hat gesagt…

an WW: Kindergarten ist das leider alles hier, da es bei den meisten Dingen weniger am Inhalt der Angelegenheiten mangelt, als viel mehr das der Umgang der Leutchen miteinander ziemlich dürftig ausfällt. Mit jemandem der Dir sympatisch erscheint, wirst Du viel eher ins reine kommen, als mit einem der Dir von vornherein suspekt ist. Man kann diese menschliche Komponente nicht ausgrenzen. Jedenfalls nicht wenn man an Lösungen interessiert ist und alles andere erscheint als kurzsichtiger Gedanke, der am Ende mehr Probleme macht als er Nutzen bringt. Wäre keine schlechte Idee sich morgen beim "Viererkaffeekränzchen" mit Offenheit zu begegnen und die Lage von allen Seiten zu betrachten. Etwas Vertrauen zu investieren, könnte ebenfalls nicht unbedingt schaden. schönen Abend noch, Gruß CK

Anonym hat gesagt…

CK ps: man muß die Leute nehmen wie Sie sind und das Beste aus dem machen, was einem zur Verfügung steht. Oberste Priorität sollte immer die Lsg. des eigentlichen Problemes haben und nicht die eigenen Befindlichkeiten dabei. zu dt. es bricht einem kein Zacken aus der Krone, wenn man mal nachgibt zugunsten anderer und dabei eine passable Lsg. des Problemes heraus springt.Nun aber Gute Nacht.

Anonym hat gesagt…

Jedes Kind weis doch das nur die USA den zweiten Weltkrieg gewonnen hat?!Bolywood....USA ist die Weltpolizei und Besatzer, in fast jedem Land Soldaten????. Nur die USA bestimmt was auf der Welt passieren soll und die Deutschen wurden 60jahre wie ein Hund dressiert und wenn der Hund krank und nicht mehr da ist da holt man sich einen neuen.