Freitag, 8. Mai 2015

Die jährlichen Propagandamühen zur Diskreditierung der russischen Siegesfeier

In Anbetracht des kommenden 70. Jahrestags des Sieges über Hitler-Deutschland und des damit verbundenen Feiertags in Russland nimmt in der deutschen Presse erwartungsgemäß die Zahl der Artikel zu, in denen sich verschiedene russophobe Gestalten darüber auskotzen können. Mal wird über Putins "Missbrauch" des Feiertags für die heutige Politik geschrien, mal wird sogar versucht, an der historischen Bedeutung dieses Feiertags zu sägen.

 Die Argumente sind platt und oberflächlich, doch ihre ständige Wiederholung nach dem Prinzip "steter Tropfen höhlt den Stein" sind Teil einer langfristigen Strategie zur Änderung des historischen Bewusstseins der Menschen. Kein einziges Material in den Mainstream-Medien, das der Autor dieses Blogs zuletzt zu Gesicht bekam, erklärte zu diesem Anlass die Tragweite und die historische Bedeutung des sowjetischen Sieges, stattdessen war überall eine Fixierung auf Aspekte, die den Sieg der Sowjetunion vermeintlich herabsetzen. Der redaktionelle Wille, Russland auch bei diesem Thema eins auszuwischen, ist unübersehbar. Genau darin liegt der eigentliche Missbrauch der Geschichte für die laufende Politik.

Was sind die Hauptthesen der Manipulierer und warum sie falsch?

Maistream-These: Putin überhöht absichtlich die Bedeutung des Sieges über Nazi-Deutschland.

Wahrheit: Die Bedeutung des Sieges über Nazi-Deutschland kann gar nicht überhöht werden. Im Gegensatz zu Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern, führte Hitler gegen die Sowjetunion einen gnadenlosen Vernichtungskrieg. Das Ausmaß an Brutalität und Zynismus in den besetzten Teilen der Sowjetunion ist heute in Deutschland immer noch weitgehend unaufgearbeitet. Ca. 16 bis 18 Millionen Zivilisten sind in der Sowjetunion unter dem Nazi-Besatzungsregime oder infolge der völlig ungezügelten Kriegsführung der Nazis (Luftkrieg, Artillerie etc.) umgekommen. Die Nazis hatten nach dem "Endsieg" wahnwitzige Pläne für die Schaffung von Lebensraum, Dezimierung, Versklavung und Umsiedlung von Hunderten Millionen von Osteuropäern. Auch wenn diese Pläne (Generalplan Ost) nie realisiert wurden, steht die großflächige Vernichtung von Menschenleben, materiellem und kulturellem Gut mit dieser anvisierten Realität in Verbindung. Der Hungerplan (auch Backe-Plan), die Aushungerung von Leningrad, die Verschleppung von Hunderttausenden von Zwangsarbeitern, Massenerschießungen der Zivilisten im Rahmen des Anti-Partisanen-Kampfes, all das war auf die menschenverachtende Ideologie zurückzuführen und auf das Ziel, jegliche russische Staatlichkeit und Kultur perspektivisch auszulöschen. Aus diesem Grund feiert Russland diesen Tag als seine zweite Geburt und als Überwindung der größten Existenzgefahr in der Geschichte. Kaum eine Familie in der ehemaligen Sowjetunion hatte keine Verluste in diesem Krieg zu beklagen. Mit USA, Großbritannien oder Frankreich ist das überhaupt nicht vergleichbar.

Mainstream-These: Eine Militärparade ist nicht der richtige Weg, das Kriegsende zu gedenken. Man sollte still und leise der Opfer gedenken.

Wahrheit: In Russland gilt der 22. Juni, der Tag des Überfalls der Wehrmacht, als der Tag der Trauer. Einzelne Jahrestage, wie beispielsweise der Blockade Leningrads, werden ebenfalls mit dem stillen Gedenken begangen. Der 9. Mai ist dagegen mit der deutschen Kapitulation und dem militärischen Sieg verbunden, auf den damals Millionen Menschen hingearbeitet haben. An diesem Tag dürfen die Menschen Freude und Stolz auf ihr Land zum Ausdruck bringen, was nach dem Geschmack der gehässigen Westpresse vermutlich zu keinem Zeitpunkt der Fall sein sollte.

Mainstream-These: Der militärische Verdienst der Sowjetunion ist gar nicht so groß. Die großen Verluste zeugen von Inkompetenz, außerdem hat die Sowjetunion nur dank der Hilfslieferungen der Alliierten gewonnen.

Wahrheit: Wie bereits geschrieben, bestand der Großteil der sowjetischen Verluste aus Zivilisten, die unter dem deutschen Besatzungsregime umgebracht wurden. Wenn die Nazis etwa den Franzosen gegenüber die gleichen Vernichtungspläne gehegt hätten, hätte auch das besetzte Frankreich gigantische Verluste ähnlichen Ausmaßes. Über drei Millionen Tote gingen zudem auf sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland zurück, die unter unmenschlichsten Bedinungen umkamen, teilweise auch als Opfer brutalster medizinischer Versuche. Auch hier ist ein deutlicher Unterschied zur Behandlung anderer Kriegsgefangener zu sehen. Die Sowjetunion verlor im Kampf ca. 8,6 Millionen Soldaten, was nur ca. um Faktor 1,3 größer ist, als die Verluste der gegen sie kämpfenden Achsenmächte. Was nicht vergessen werden sollte, ist dass Nazi-Deutschland beinahe ganz Europa unterjocht hat und zahlreiche faschistische Marionettenregime sowohl Soldaten als auch Industrieproduktion für den Kampf an der Ostfront zur Verfügung stellten. Trotz des Überfalls und der schlechteren Vorbereitung auf den Krieg mit dem bereits erfahrenen Gegner, der zuvor große Länder binnen Wochen überrante, hielten sich die sowjetischen militärischen Verluste so gesehen noch im Rahmen.

Was die alliierte Hilfe anbetrifft, ist das ein Irrtum, zu glauben, dass sie kriegsentscheidend war. Die anglo-amerikanische Entscheidung, der Sowjetunion überhaupt etwas zu liefern, erfolgte erst im Dezember 1941, da war die vorentscheidende Schlacht um Moskau schon vorbei. Im Laufe des Kriegsjahres 1942 begannen die Lieferungen nur ganz spärlich zu fließen, auch weil die deutschen U-Boote und Flugzeuge zahlreiche alliierte Schiffe auf der Nordroute versenkten. Auf den Ausgang der Schlacht bei Stalingrad hatten die alliierten Lieferungen nur einen ganz kleinen Einfluss. Im großen Umfang begannen sie erst Mitte 1943, etwa zur Zeit der Schlacht am Kursker Bogen, als die Sowjetarmee immer noch nicht sonderlich gesättigt war mit "Studebekkers". Es ist richtig, dass der darauffolgende Vormarch der Roten Armee ohne die alliierte Hilfe bei der Motorisierung weniger rasch und mit höheren Verlusten verbunden gewesen wäre. Die Kriegsentscheidung ist aber schon vorher, weitgehend ohne die alliierte Hilfe gefallen. Die Sowjetunion hat der Wehrmacht ca. 85% ihrer Verluste zugefügt, während die Westalliierten lange zögerten, eine vollwertige zweite Front in der Normandie zu eröffnen. Sie tauschten Technik gegen Menschenleben und nicht einmal die Technik lieferten sie unentgeltlich. Die Sowjetunion bezahlte dafür mit Gold, Öl und anderen Ressourcen.

Mainstream-These: Durch den Hitler-Stalin-Pakt trägt die Sowjetunion eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg. Anschließend brachte sie Ost- und Mitteleuropa eine neue Unterdrückung. Stalin ist gleich Hitler.

Wahrheit: Es ist völlig ahistorisch, den Hitler-Stalin-Pakt losgelöst von allen anderen Entwicklungen zu sehen, die in der Vorkriegszeit vonstatten gingen. Großbritannien und Frankreich haben eine Appeasement-Politik betrieben, die so weit ging, dass sie 1938 in München ihren Verbündeten, die Tscheschoslowakei, Hitler zum Fraß überließen. Zuvor haben sie alle nachweislichen Initiativen Stalins abgeblockt, eine gemeinsame Koalition gegen Hitler zu bilden. Ihr Ziel war es, Hitlers Aggression nach Osten zu lenken. Die auf sich gestellte Sowjetunion tat nun dasselbe und versuchte die Aggression von sich wegzulenken. Mit einem Nichtangriffspakt sorgte sie für ihre Sicherheit, wie es damals schien. Einen ähnlichen Nichtangriffspakt mit Deutschland hat 1934 auch Polen abgeschlossen, das sich übrigens 1938 an der Teilung der Tschechoslowakei beteiligte. Heute beklagen sich die Polen, dass ihnen dasselbe wiederfahren ist. So war jedoch die Vorkriegsrealität, in der Polen selbst aktiv mitmitschte.

Es ist richtig, dass das nach dem Kriegsende installierte sozialistische System keine politischen Freiheiten brachte und mit Repressionen und Zensur gegen Andersdenkende verbunden war. Das Lebensniveau war ebenfalls suboptimal. Allerdings ist das überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Schicksal, das die Völker Osteuropas im Falle von Hitlers Sieg erwartet hätte. Der Sieg der Sowjetunion bedeutete die schier physische Rettung der Menschen, ihrer Kultur, Sprache und Staatlichkeit. Wenn die Polen, die unter Hitler 6 Millionen Menschen verloren und in der Nachkriegsepoche einen Zuwachs von 15 Millionen Menschen erlebten, heute meinen, es gebe keinen Unterschied zwischen den beiden Systemen, dann ist das schlicht realitätsverlustig. Die Rettung und die Erhaltung dieser Nationen kann durch nichts aufgewogen werden. Es ist höchst undankbar und unmoralisch, diese Leistung der Sowjetsoldaten herabzusetzen und das Andenken daran zu verwischen, wie das heute mit tatkräftiger Vorarbeit westlicher Think Tanks und NGOs etwa in Polen, im Baltikum und seit Neuestem auch in der Ukraine praktiziert wird.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wieder einmal ein gutes Statement.

Hier eine gute Quelle zur Tonnage von Lend Lease:

http://www.o5m6.de/Routes.html

Das ganze kann man auch relativ nach Jahren aufschlüsseln:

1941(Schlacht um Moskau) - 2%
1942(Stalingrad)- 14%
1943(Kursk, Dnepr)- 27%
1944 - 36%
1945 - 21%

Demnach wurden rein von der Menge 57% der Lieferungen erst 1944 und 1945 geliefert, als die Rote Armee die Frontlinie bereits westlich des Dnepr im Süden und entlang der heutigen Grenzen Russlands zu Weißrussland und dem Baltikum im Norden verschob.
Beim Scheitern des Blitzkriegs vor den Toren Moskaus hatte LL absolut keine Bedeutung. Bei Stalingrad (Scheitern des strategischen Abnutzungskriegs um Rohstoffe) war seine Bedeutung marginal.


Vom finanziellen Volumen her war die LL-Hilfe von USA an Großbritannien übrigens doppelt so hoch wie die an die UdSSR.

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

> Wahrheit: In Russland gilt der 22. Juni, der Tag des Überfalls der Wehrmacht, als der Tag der Trauer. <
Schön, dass man wenigstens *hier* so etwas erfährt: Спасибо!

> Zuvor haben sie jegliche nachweisliche Initiativen Stalins abgeblockt, eine gemeinsame Koalition gegen Hitler zu bilden. Ihr Ziel war es, Hitlers Aggression nach Osten zu lenken. <
Stichwort Sitzkrieg.
Ich muss an die Europakarte der Ppolnischen Demotiwator-Seite denken.
auf der einen Seite 3. Reich + SU.
auf der anderen Seite England + Frankreich
In der Mitte logischerweise Polen
Und dazu der Kommentar, dass man echten Feinden leichter vergibt als falschen Freunden.

> Es ist richtig, dass das nach dem Kriegsende installierte sozialistische System keine politischen Freiheiten brachte und mit Repressionen und Zensur gegen Andersdenkende verbunden war. <
Donald Tusk hat dazu die passenden Worte gefunden: die Rote Armee konnte keine Freiheit geben, da sie selber nicht frei war.

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

Kommentar der Seite "Antimaidan deutsch 2": Großartig

https://www.facebook.com/antimaidan.deutsch2

Anonym hat gesagt…

Irgendwie gewann man den Eindruck, das Gespräch zwischen Mama und Papa lief nicht gut. Mama sah etwas erzürnt aus und war ziemlich kühl. Warum nur? Ein freundlicheres Gesicht hätte viel mehr erreicht. Oder hat Papa Sie unbedacht mit irgendetwas auf die Palme gebracht? Er machte jedenfalls einen weitaus freundlicheren, nahezu zuvorkommenden, wenn auch nicht sonderlich an Ihren Worten interessierten, Eindruck. Mäuschen hätte man sein müssen, um endlich mal zu verstehen, was der Knackpunkt ist. Denn nachvollziehbar ist dieser Tanz, um die Befindlichkeiten, nicht wirklich.
Gruß CK

Wolfgang Wilhelm hat gesagt…

Ein ganz interessanter Artikel über die Geschichtsvergessenheit im Spiegel:
http://spiegelkabinett-blog.blogspot.de/2015/05/die-geschichtsvergessenheit-des.html

swtesfa hat gesagt…

Mainstream-These: ... Die großen Verluste zeugen von Inkompetenz, ...

Die Verluste der Roten Armee waren tatsächlich immens und hatten ihren Grund auch in der Inkompetenz mancher Befehlshaber.

Wichtiger als das waren allerdings die Säuberungen 1936 bis 1938. Durch diese wurden der Roten Armee die Masse der lange ausgebildeten und kriegserfahrenen (Bürgerkrieg, Krieg mit Polen)hohen und höheren Offiziere genommen. Das wurde schon entwickelte Einsatzdoktrinen wie zb. "die tiefe Operation" verworfen da die Entwickler verhaftet und / oder ermordet wurden.
Die Rote Armee hätte bis ca.1943 benötigt um diese Verlust quantitativ und noch mehr qualitativ auszugleichen. Letztlich hat sich Stalin damit nur den Sieg gegen Deutschland sehr erschwert. Aber wenn wir von Inkompetenz sprechen sollten wir fragen wie es mit der Kompetenz der westlichen Generäle aussah und da muß man einfach feststellen - trostlos und zwar in noch erweiteren Maße wie bei der Roten Armee. Die Offiziere der britische Armee waren, auch und vor allem britische Historiker, gedanklich im 1.Weltkrieg und in den Kolonialkriegen hängen geblieben.
Gleiches gilt für Frankreich. Und die US-Army - ideologisch indoktriniert und rassistisch - ansonsten wäre es ihr nicht fähig gewesen zu Kämpfen. Strategisch ebenso trostlos denn den Westmächten wäre es ein leichtes gewesen den Krieg bis ca. Mitte 1943 zu beenden. Dennn durch die Entschlüsselung der deutschen Verschlüsselungstechniken hatten sie einen direkten Einblick in die Verteilung und Ausrüstung der deutschen Streitkräfte, ebenso in Problemstellungen der Rüstungsindustrie. Ein klarer und unverstellter Blick in die Karten des Gegners war so möglich. Eine Landung auf dem Balkan oder in Norwegen hätte die deutsche Rüstungsindustrie wegen dann schnelltens eintretenden Rohstoffmangel lahmgelegt. Aber wie schon Truman 1941 meinte:
„Wenn wir sehen, daß Deutschland gewinnt, sollten wir Rußland helfen, wenn Rußland gewinnt, sollten wir Deutschland helfen, damit sich auf diese Art und Weise soviel als möglich gegenseitig töten.“

Die gleiche strategische Denkweise wie sie Berezinski in seinen Büchern aufweist und Georg Friedman von Stratfor vor ein paar Wochen ausdrückte.

Anonym hat gesagt…

Danke CK

Anonym hat gesagt…

Gratulation zum Vizeweltmeister. CK