Sind die USA oder die EU mit irgendeinem Aspekt der russischen Politik nicht zufrieden, wird berichtet, wie sie an Russland Kritik üben oder ihre Besorgnis äußern. Vor allem das Letzte klingt edel und weise. Die Wiedergabe von Putins Kritik am Westen wird dagegen in wesentlich unansehnlichere Vokabeln verpackt: Putin attackiert den Westen (optional: scharf) lautet da die gewöhnliche Schlagzeile. Auch vor Vokabeln wie wettern oder polternder Auftritt schrecken jene Medien oft nicht zurück, die sich als seriöse und führende Nachrichtenquellen verstanden wissen wollen. Die englischsprachigen Medien schreiben bei fast jeder Gelegenheit darüber, dass irgendein Ereignis den Kreml rasend macht (engl. enrages). Dabei weiß jeder, der Putin mal direkt Reden hörte, dass er immer sehr ruhig und sachlich redet und derartige Beschreibungen wohl kaum der Realität entsprechen.
Man stelle sich mal die umgekehrte Meldung vor: Wladimir Putin brachte den USA seine Besorgnis über den geplanten Raketenschirm nahe; das wütende Weiße Haus attackierte Russland scharf wegen XY. Schlecht vorstellbar? In der Tat. Und was lernt man daraus: die Russen haben nie legitime und ernstzunehmende Besorgnisse. Alles, was die Russen da so rüppelhaft von sich geben, ist ihrem ewigen Intrigenhang und dem Wunsch entwachsen, den Westen zu behindern. Der Westen liegt dagegen mit seiner Kritik immer richtig und der Beweis besteht schon mal darin, wie zivilisiert das geschieht... Die unterschwellige Beeinflußung beginnt bereits bei den Formulierungen.
Die Russland-Korrespondentin des ZDF, Britta-Hilpert, flimmert mehrmals wöchentlich über den abendlichen Fernsehbildschirm, um über die neuesten Fehlentwicklungen im Reich Putins zu berichten. Mit ihren Tücke entlarvenden Stimmintonationen vermittelt sie dem einheimischen Nachrichten-Konsumenten ihr enges Bild der russischen Politik. Nicht wirklich überraschend war, als sie beim Sprechen über Putins Kabinett das Wort Vasallen benutzte, ganz so als ob es eine bewußte und freiwillige Identifikation mit Putins derzeitigen Kurs nicht geben kann. Warum die Bush-Administration das Vasallen-Kriterium nicht erfüllt, bleibt unklar, fest steht jedoch, dass man auf derartigen Berichtstil in Bezug auf amerikanische Politik beim ZDF noch lange vergeblich warten kann.
Sogar die ach so gleichgeschalteten und unfreien russischen Staatsmedien würden sich nie derartige ausfallende Rhetorik erlauben, wie die öffentlich-rechtlichen Medien des "zivilisierten" Westens. Im Operieren mit den Klischees des Kalten Krieges ist ihnen der Agitprop des Westens heute deutlich überlegen. Und auch was den Pluralismus anbetrifft, sind die westlichen Medien den russischen kaum noch voraus, findet man doch alternative Standpunkte auch im Westen fast nur noch im Internet, während die großen Nachrichtendienste lieber voneinander politkorrektes Geblubbere abschreiben. Die oben genannten stilistischen Beispiele sind neben der Selektion negativer Sujets ein weiterer Baustein im Manipulieren der Massen. Das ist das Wenige, was mir spontan eingefallen ist. Beim Offenhalten der Augen kann jeder schnell auf eine viel längere Liste kommen.