Montag, 22. Juni 2015

Wer schürt einen neuen Kalten Krieg zwischen Russland und dem Westen?

Nato-Truppen im Baltikum
Kaum jemandem dürfte die schleichende Militarisierung der Meldungen der letzten Zeit entgangen sein. Was noch vor wenigen Jahren sehr drastisch klang, ist heute bereits Realität. Die Nato will in Ostreuropa schnelle Eingreiftruppen stationieren, von bis zu 40.000 Mann ist bereits die Rede. Die USA denken laut über die Stationierung von bislang verbotenen Mittelstreckenraketen nach.

Als Begründung dafür wird die vermeintliche russische Aggression vorgeschoben. Putin betreibe nukleares Säbelrasseln, stimmten auf einmal unisono zahlreiche Mainstream-Medien ein. Als Vorlage dafür diente Putins Ankündigung, in diesem Jahr 40 neue Interkontinentalraketen in Dienst zu stellen. Ein normaler Vorgang, wenn das bisherige Arsenal halbwegs aufrechterhalten werden soll. Wie viele Raketen jedes Jahr wegen Überschreitung der Dienstzeit aussortiert werden, davon wollen die Medien nicht erzählen. Sie nutzen die aktuelle Routinemeldung plötzlich für Panikmache. Was sie ebenfalls nicht erzählen wollen ist, wie es mit der Zu- und der Abnahme des Bestands an Interkontinentalraketen in den USA aussieht. Der dumm gehaltene Leser soll nichts vergleichen und nichts in den Gesamtkontext stellen können. Er soll lediglich Panikmache erfahren.

Auf perfide Art und Weise werden Ursachen und Folgen vertauscht, die zur gefährlichen Aufrüstung und dem wachsendem Misstrauen führen. Alles wird "Putins Aggression" zugeschrieben, er habe schließlich die Krim völkerrechtswidrig annektiert und in der Ostukraine einen Krieg entfacht. Beweise und Diskussionen bedarf es dafür nicht. Dass die Krim annerktiert worden ist und nicht etwa ihr völkerrechtlich verankertes Recht auf Selbstbestimmung wahrgenommen hat, ist ausgemachte Sache. Andere Begriffe als Annexion zu verwenden, ist in den deutschen Redaktionen tabuisiert. Völlig unter den Teppich gekehrt ist der verfassungswidrige gewaltsame Umsturz in Kiew, der Millionen Menschen im Süden und Osten der Ukraine zu Protesten auf die Straßen brachte. Was nicht sein darf, das kann nicht sein: es kann nicht der Wille von süd- und ostukrainischen Bürgern sein, Widerstand gegen die illegitime Machtergreifung zu leisten. Laut Mainstreampropagandisten kann nur Russland dahinter stecken. Nicht Kiew hat den Krieg gegen die eigenen Bürger entfacht, anstatt mit ihnen Kompromisse zu suchen, sondern Russland. Zwar konnte auch nach mehr als einem Jahr niemand stichhaltig russische Soldaten in der Ostukraine nachweisen, doch wer glauben will, der braucht keine Beweise. Obwohl schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass Russland diesen Krieg bei einer echten Beteiligung binnen weniger Tage gewonnen hätte.

Die beispiellose Aufrüstung der Nato, die sich bis an die russische Grenzen ausgedehnt hat, wird mit der Angst der osteuropäischen Staaten (Baltikum, Polen etc.) begründet. Das klingt  herzzerreißend, doch vieles von dieser Angst ist Paranoia und Kalkül. Die Paranoia wird in diesen Staaten gezielt von amerikanischen NGOs und linientreuen Medien aufgebauscht, so dass sich die Katze letztlich in den Schwanz beißt, wenn nach amerikanischem Schutz gerufen wird. Auf der anderen Seite stilisieren die gleichgeschalteten Eliten dieser Länder ihre Staaten rhetorisch gezielt zu Frontstaaten, um politische und wirtschaftliche Dividenden daraus zu bekommen. Staaten, die sonst nicht viel zu verkaufen haben, handeln im Grunde mit ihrer geostrategischen Position, die sie selbst aufblasen. So erkämpfen sie ihren Platz unter der Sonne. Das fällt ihnen, unter anderem, deshalb so leicht, weil sie genau wissen, dass ein Angriff Russlands in Wirklichkeit völlig utopisch ist. Für die USA ist diese Situation indes ein willkommener Vorwand, um in Europa fester Fuss zu fassen und sich als unentbehrlicher Beschützer aufzuzwingen. Die Emanzipation europäischer Staaten rückt damit in weite Ferne.

Die Reakion Russlands auf dieses Kriegsgetöse wird derweil als Beweis für seine Aggresivität präsentiert. Russische historische Traumata, einmal in Hundert Jahren verheerende westliche Invasionen zu erleben, werden gezielt beiseite geschoben. Gerade heute, den 22. Juni, der in Russland angesichts des Beginns des Unternehmens Barbarossa ein nationaler Tag des Gedenkens und der Trauer ist, nutzt die EU auf zynische Art und Weise für die Verlängerung von Sanktionen. Für die Einhaltung der Minsker Vereinbarungen will sie allein Russland verantwortlich machen, nicht Kiew. Die täglichen Horrormeldungen über die zerbombten Zivilisten in den aufstädtischen Städten des Donbass, die enthüllten Kriegsverbrechen und Folter ukrainischer rechtextremer Freiwillgenbataillone, das Überlaufen von Top-Militärs zu den Aufständischen, lassen sich durch den medialen Filter systematisch stillschweigen.

Die krasse Einseitigkeit und Tendenziösität in der Darstellung ähnlicher Vorgänge hier und dort, zeigt die Propagandaschau auf. Leider sind sich immer noch zu wenige Deutsche der Manipulation und der Gefährlichkeit der aufkommenden Situaion bewusst. Trotz zahlreicher anderslautender Beispiele von Lüge und Krieg wird ihnen die Mär von den friedliebenden USA immer wieder erfolgreich eingebläut. Auf den Deutschen liegt aber eine besondere Verantwortung für die Situation in Europa, nicht nur aus historischen Gründen. Die Deutschen sind das Schlüsselvolk Mitteleuropas, ohne ihr Mitziehen werden die USA nicht imstande sein, ihre Konfrontationspolitik erfolgreich zu realisieren. So wie die Deutschen in den Achziger Jahren durch couragierte Proteste die Aufstellung von Pershings verhindert haben, so müssen sie auch heute erkennen, wer der wahre Drahtzieher für einen neuen Konflikt ist. Eine Situation mit zwei hochgerüsteten Seiten, die sich gegenüberstehen, kann sich auch durch Zufälligkeiten und kleine Missverständnisse entflammen und ist daher höchst gefährlich, während Europa zum Schlachtfeld zu werden droht. Es ist daher dringend geboten, den Ernst der Lage zu verstehen und von der eigenen realitätsverlustigen politischen Klasse (Altpolitiker von Giscard d'Estaing bis Helmut Schmidt geben sich da deutlich vernünftiger) den Frieden einzufordern!

Sonntag, 14. Juni 2015

Propaganda und Manipulation am Beispiel einer ZDF-Reportage aus dem Donbass

Das ZDF-heute-Journal zeigte heute eine Reportage von Katrin Eigendorf aus dem zerbombten Donbass, geprägt von vermeintlicher Betroffenheit und Kriegsverurteilung.

Gezeigt werden die Zerstörungen in den Städten Dokutschajewsk, Stachanow und Perwomaisk, es werden die Bewohner zu ihren Erlebnissen befragt. Doch hier geht die Manipulation des Zuschauers erst richtig los. Der Krieg wird im Kommentartext aus dem Off völlig anonymisiert beschrieben, es wird überhaupt nicht klar, wer schiesst und durch wen die gezeigten Menschen ihre Traumata erleiden. Obwohl im Netz Tausende Videos zu finden sind, wo die zerbombten verzweifelten Menschen Poroschenko und die ukrainische Armee verfluchen, sind die Interviews im ZDF völlig entschärft und so geschnitten, dass jeglicher Hinweis auf die Täter fehlt. "Sie haben wieder angefangen, uns zu beschiessen", sagt eine ältere Frau, ohne dass der Reporter erklärt, wen sie damit meint. Alles wird so stehen gelassen, als ob damit pauschal alle gemeint sind. Der Krieg eben.

Dabei liegen die Städte Stachanow, Dokutschajewsk und Perwomaisk hinter der Frontlinie, im Hinterland der selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk. Trotz des Waffenstillstands und der Abzugspflicht der schweren Artillerie erhalten die Menschen im Donbass fast täglich tödliche "Geschenke" von der ukrainischen Seite. Doch die wenigsten Fernsehzuschauer kennen sich mit der aktuellen Frontgeografie aus und niemand hat die Absicht, es ihnen zu erklären.

Nur indirekt kann der Zuschauer dahinter kommen, dass es sich bei dem Gezeigten um die Separatistengebiete handelt. Zum Beispiel anhand der Neurussland-Flagge am Arm des Vize-Bürgermeisters von Stachanow, der das Kamerateam durch ein zerstörtes Haus führt. Doch für solche Dinge muss man schon einiges Vorwissen mitbringen, das nur die wenigsten besitzen. Dass es sich dementsprechend um ukrainischen Beschuss handeln muss, kann man dann nur nebulös erahnen, denn die Erzählung eilt weiter. Erst in der zweiten Hälfte der Reportage kommt die Reporterin auf die "Insignien der neuen Machthaber der Republik Donezk" zu sprechen, die es auf dem Markt zu kaufen gibt. Nun leuchtet die Lokation den 95% Ahnungslosen endlich ein, doch auch der Focus der Reportage hat sich entsprechend geändert.

Der identifizierende Hinweis kommt erst, als es um Armut, Perspektivlosigkeit und steigende Preise geht, da ja das meiste nun aus Russland eingeführt wird. Bei dem einen oder anderen Ahnungslosen wird bei der völlig unzureichenden Beleuchtung der Hintergründe vermutlich der kausale Zusammenhang im Kopf hervorgerufen, Russland habe in die Region Krieg gebracht, um seine verteuerten Waren zu verkaufen. Zu keinem Zeitpunkt darf der Zuschauer erfahren, welche Seite diese Menschen eigentlich unterstützen, wie sie vor einem Jahr beim Unabhängigkeitsreferendum gestimmt haben oder dass russische Lieferungen das einzige sind, was sie am Leben erhält.

Genauso wenig Chancen hat der gemeine deutsche Fernsehzuschauer zu erfahren, dass es die beschossenen zerstörten Städte ausschließlich in den Republiken Donezk und Lugansk gibt und dass man analoge Zerstörungen auf der gegenüberliegenden Seite vergeblich suchen wird. Denn die Separatisten beschiessen nicht ihre eigenen Landsleute und Verwandte, die in den Städten des dicht besiedelten Kohlereviers geblieben sind, die von der ukrainischen Seite kontrolliert werden. Dieses Dilemma, auf eigenem Boden kämpfen zu müssen, macht etwaige seriöse Gebietsgewinne für die Separatisten so problematisch, da dabei zwangsläufig die eigenen Landsleute zu Schaden kommen werden. Bisher konnte nur die ukrainische Seite, die zahlreiche rechtsradikale Freiwilligenbataillons mitführt (Asow, Aidar, Dnepr etc.), völlig skrupellos die gegnerischen Städte beschiessen.

Mit einer Berichterstattung, die die Täter deckt, machen sich die deutschen Medien zu Helfern und tragen eine Mitverantwortung für weiteres Blutvergiessen. Die Kriegsverbrecher in Kiew wissen, dass sie bei ihrem Vorgehen keinen Aufschrei in Europa zu fürchten brauchen und fühlen sich nicht zwingend zu einer politischen Lösung genötigt. Die vermeintlich mitfühlenden Reportagen entpuppen sich als zynische Krokodilstränen, die mit Verschleierung und Irreführung arbeiten. Darum sollte jeder, der das durchblickt, seine Zwangsgebühren an die unsauberen Propagandasender verweigern.

Samstag, 6. Juni 2015

Die G7 und Russland: wer braucht wen?

Im Vorfeld des G7-Gipfels im bayrischen Elmau wird in der deutschen Presse viel über Russlands abermaliges Fernbleiben gesprochen. Während die einen dieses Thema mit Schadenfreude und moralischer Lehrmeisterei kommentieren, warnen zahlreiche erfahrene Ex-Politiker vor der Unklugheit dieses Zustands, da die G7 damit noch ineffizienter wird. Angela Merkel gehört eher zur ersten Gruppe. Ihren Worten nach ist die G7 eine "Wertegemeinschaft", zu der Russland wegen der "Völkerrechtsverletzung" auf der Krim nicht gehören kann. Dass die USA im Gegensatz zur Russlands Aufnahme der abgespaltenen Krim völlig unzweideutige Völkerrechtsverletzungen begingen (z. B. 2003 mit dem Angriff auf den Irak), tat der "Wertegemeinschaft" offenbar keinen Abbruch.

Was die Russen tatsächlich über die G7 denken und wie realistisch so manche westliche "Analysen" sind, die die Frage einer Rückkehr Russlands in die G7 zu einem politischen Instrument machen wollen, zeigt der folgende Auszug aus der jüngsten Ausgabe der wöchentlichen Sendung "Postskriptum" im russischen Fernsehsender TVC. Ihr Moderator ist Alexei Puschkow, ein einflussreicher Außenpolitiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma. Seine Kommentare sind zumeist repräsentativ für die außenpolitische Linie des Landes.

"Zum Abschluss unserer Sendung noch einige Worte zum G7-Gipfel, der am Sonntag in Deutschland stattfinden wird. Was auffällt ist, dass in der westlichen Presse nicht so sehr der Gipfel an sich Interesse auslöst, wie die Tatsache, dass Russland nicht eingeladen wurde. Jedenfalls werden die G7-Staatschefs immer wieder mit Fragen über die Möglichkeit der Rückkehr Russlands in diese Struktur konfrontiert. Darüber, ob die G7 durch die Abwesenheit Russlands gewinnt oder verliert, wird in vielen westlichen Hauptstädten debattiert.

Vor dem G7-Gipfel in Deutschland äußerte sich Kanadas Premier Stephen Harper: "Ich denke nicht, dass Russland unter Putin in die G7 gehört. Kanada wird einem erneuten Erscheinen Putins am Tisch der G7 sehr entschieden entgegentreten. Für die Rückkehr Russlands wird ein Konsens benötigt, den es nicht geben wird". Etwas zurückhaltender, doch de facto im selben Duktus äußerte sich darüber auch Angela Merkel, obwohl der deutsche Außenminister damit nicht einverstanden war und die Abwesenheit Russlands beim Gipfel als einen Fehler bezeichnete. Doch dieser Fehler ist eine Gesetzmäßigkeit der ganzen politischen Logik der G7-Staaten. Dort wird weiterhin geglaubt, dass die Zugehörigkeit zum Club eine große Ehre, wenn nicht gar eine Belohnung ist. Man zieht es vor, nicht zu bemerken, dass weder China, noch Indien, Brasilien oder andere große Volkswirtschaften der heutigen Welt sich um die Mitgliedschaft bemühen. Auch Russland zieht es nicht mehr in die G7 und dafür gibt es mehrere Gründe.

Zum einen reflektiert die G7 die globale Realität des späten 20. Jahrhunderts, aber keinesfalls des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts. Heute befinden sich unter den zehn größten Volkswirtschaften der Welt fünf Staaten, die keinerlei Beziehung zur westlichen Allianz haben. Gemäß IWF und der Weltbank sind das China, Indien, Russland, Brasilien und Indonesien. Indem sie am engen veralteten Format festhält, beweist die G7 lediglich, dass sie nicht in der Lage ist, die Realitäten des 21. Jahrhunderts zu erkennen und sich an sie anzupassen.

Zum anderen sehen sich westliche Institutionen wie die G7 nicht so sehr als Plattform zur Diskussion mit Russland, sondern als Instrument des Drucks auf Russland. In diesen Strukturen wird nicht nach gegenseitig annehmbaren Lösungen gesucht, sondern es wird versucht, uns zu zwingen, eine konsolidierte Position des Westens zu übernehmen. Brauchen wir also die Mitgliedschaft in solchen Institutionen? Wir haben noch im Gedächtnis, wie beim G8-Gipfel in Nordirland im Jahr 2013, als es um Syrien ging, Wladimir Putin einem massiven Druck der andreren Teilnehmer ausgesetzt wurde. Niemand setzte sich damals das Ziel, sich mit Russland zu verständigen, die Aufgabe lautete anders: Putin zum Nachgeben zu zwingen. Im Endeffekt verwandelte sich das Treffen aus einem Gipfel des Dialogs in einen Gipfel des Konflikts.

Drittens: wollen wir wirklich durch unsere Teilnahme einer Organisation neue Impulse geben, die nicht mehr als ein Club der politischen Verbündeten der USA ist und als solcher auch bleiben will? Denn in der Zwischenzeit tauchen in der Welt andere neue Formate auf, die moderner und für uns deutlich attraktiver sind. Darunter sind BRICS, die SCO und die G20. Die G7-Staatschefs oder zumindest manche von ihnen überschätzen das Interesse Russlands an dieser Struktur sehr stark. Sie ist weder allumfassend noch global. Geschweige denn, dass das Mitglied Kanada durch die USA vom ihren Hinterhof in die G7 eingeführt wurde. Weder vom politischen Einfluss noch vom wirtschaftlichen Gewicht her (Kanada ist lediglich die 15te Volkswirtschaft der Welt), gehört es dort hin. Möglicherweise ist genau das der Grund, weshalb der kanadische Premier so gern laute Töne an die Adresse Russland spuckt und rhetorische Fäuste schwingen lässt. Sich durch etwas anderes bei der Lösung der globalen Probleme zu profilieren, ist Kanada schlichtweg nicht imstande.

Heute hat die G7 meiner Ansicht nach zwei mögliche Entwicklungswege. Entweder man verharrt im eigenen Narzismus und dem historisch überholten Überlegenheitsdenken. Oder man bezieht China, Indien, Russland und manche andere Einflusszentren ein. Aber in diesem Fall wird die G7 auch ihre politische Stilistik ändern müssen. Sie muss sich aus einem Instrument des Drucks in ein Instrument des echten Dialogs verwandeln. Doch ist die G7 dazu fähig?"


G7-Kommentar ab 54:30