Montag, 22. September 2014

Nach der Maidan-Revolution ist die Ukraine nur noch eine totalitäre Kloake

Mit den Revolutionen ist es so eine Sache: in der Regel werden sie mit wohlklingenden Parolen und hehren Zielen gemacht, die Realität sieht aber bald völlig anders aus. Unterdrückung, Terror und Blut waren in der Geschichte die unmittelbaren Folgen vieler Revolutionen und auch mit der jüngsten "demokratischen Revolution" in der Ukraine verhält es sich genauso.

Bereits auf dem Maidan musste einem neutralen Beobachter angesichts der maßgeblichen Beteiligung der rechtsradikalen Kräfte einerseits und der korrumpierten Oligarchenclique andererseits starke Zweifel an der demokratischen Motivation des Umsturzes aufkommen. Was seit dem verfassungswidrigen Umsturz in der Ukraine stattfindet, übertrifft jedoch an Verletzung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde so ziemlich alles, was unter Janukowitsch noch denkbar war. Im folgenden gibt es eine kleine Zusammenfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

1) In der Ukraine sind bewaffnete Privatarmeen unterwegs, bezahlt von Oligarchen wie beispielsweise Igor Kolomoiski, dem neuen Gouverneur von Dnepropetrowsk. Diese stark von ultranationalistischen Elementen (Stichwort: Rechter Sektor) durchsetzten Verbände werden von der Kiewer Regierung kaum kontrolliert und bilden ein eindrucksvolles Druckmittel der Oligarchen im postrevolutionären Macht- und Verteilungskampf. Die Unfähigkeit Kiews, diese Truppen zu entwaffnen, war mit ein Grund dafür, dass die zunächst unbewaffneten Proteste des russisch geprägten Südostens, zu deren Forderungen elementarer Schutz gehörte, irgendwann in bewaffnete Separationsbewegungen umschlugen. Viele Nationalisten und kriminellen Elemente wurden aber auch gern in die neu gebildete Nationalgarde aufgenommen, die den Südosten ruhigstellen, aber auch mit brutalen Methoden für "Disziplin" und Kampfbereitschaft in der Armee sorgen sollte.

2) Die um sich greifende Gesetz- und Straflosigkeit wurde nicht erst beim Pogrom von Odessa deutlich, als die tödliche Menschenhatz, die offiziell knapp 50 Menschen das Leben kostete, inoffiziell jedoch über 200, nicht nur möglich gemacht wurde, sondern anschließend in einer zynischen Art und Weise überhaupt nicht geahndet wurde. Völlig willkürlich wurden Aktivisten, die für mehr Föderalismus eintraten, in Odessa, Charkow, Nikolajew und anderen Städten verhaftet und entführt. Viele von ihnen bekamen durch überzogene Anklagen jahrelange Gefängnisstrafen, viele verschwaden aber auch spurlos und sind vermutlich Opfer von gewaltsamen Ermordungen durch ukrainische Nationalisten geworden. Selbstverständlich geht heute diesen Fällen niemand nach.

3) Verfolgungen von oppositionellen Parteien sind in der Ukraine nun Teil des politischen Lebens. Nicht nur sofort nach dem Umsturz wurden Politiker aus der Partei der Regionen und der kommunistischen Partei bedroht und teilweise verprügelt, bevor dann im ukrainischen Parlament, das von bewaffneten Kämpfern umstellt war, massenweise diktierte Gesetze durchgeprügelt wurden. Die Parteibüros der Partei der Regionen und der Kommunisten wurden angegriffen und teilweise in Brand gesetzt. Bei den Präsidentschaftswahlen im Mai wurden Kandidaten dieser Parteien marginalisiert, einige wurden tätlich angegriffen und zogen ihre Kandidaturen zurück. Gegen andere wurden Verfahren eröffnet, sie standen unter Hausarrest. Die südöstliche Hälfte des Landes hatte de facto keine Vertretung. Heute ist die kommunistische Partei im Parlament verboten, weder sie, noch die ehemalige Partei der Regionen treten bei der kommenden Parlamentswahl an.

4) Das völlig hemmungslose militärische Vorgehen Kiews gegen die Separatisten, bei dem  Wohngebiete beschossen werden und gezielt die regionale Infrastruktur zerstört wird, hat überhaupt keine rechtliche Folgen. Zahlreiche Fälle von Misshandlungen, Schüsse auf Flüchtlingsautos, die häufige Nichtgewährung von Fluchtkorridors, das Fehlen von humanitärer Hilfe, Einsatz von verbotenen Phosphor- und Streubomben sind nur einige wenige Zeugnisse von Kiews absoluter Verachtung von demjenigen Teil seiner Bürger, die den Umsturz nicht akzeptieren wollen. Insgesamt liegt die Zahl ziviler Opfer in der Ostukraine mittlerweile bei mehreren Tausend Menschen, die allermeisten davon sind Kiews Artilleriebeschüssen und dem anarchischen Treiben rechter Banden zu verdanken.

5) Nach dem Rückzug der ukrainischen Einheiten werden im Donbass in der neu entstandenen entmilitarisierten Zone Massengräber entdeckt, die von Misshandlungen von Gefangenen und Entführten zeugen, darunter viele Zivilisten. Das russische Fernsehen berichtete am 24. September von Dutzenden Opfern mit zusammengeknebelten Händen und Kopfschüssen. Viele Leichen sollen Spuren von Folterungen, einige auch von entnommenen Organen aufweisen. Die russische Seite und die Separatisten wollen schnellstmöglich die internationalen Menschenrechts- und Beobachterorganisationen hinzuziehen. Inwieweit diese in der heutigen zynischen Welt von Doppelmoral und Dominanz der geopolitischen Interessen überhaupt ihre Arbeit ehrlich machen und zu Ende bringen werden, ist sehr fraglich.

6) Verletzungen von Redefreiheit, Verfolgung und Einschüchterung von Journalisten. Bald nach dem Umsturz wurden die russischen Sender in den ukrainischen Kabelnetzten verboten. Im Zuge der Militäraktion im Südosten wurden zahlreiche russische Journalisten entführt und der Spionage angeklagt. Sie wurden verprügelt und mißhandelt, einige wurden Opfer gezielter Morde durch Minenbeschuss. Mindestens sechs russische Reporter und Fotografen sind ums Leben gekommen. Aber auch nicht linienkonforme ukrainische Journalisten wurden Opfer von Verfolgungen. So wurde beispielsweise die Redaktion der kritischen Zeitung "Vesti" zunächst von Schlägerbanden attackiert und demoliert, später von SBU-Agenten durchsucht, weil sie vermeintlich den Separatismus unterstützte. Zahlreiche Zeitungen mussten nach Drohungen schließen, wie etwa die ehemals einflussreiche prorussische Ausgabe "2000". Vor wenigen Tagen bekam der kritische Journalist und Video-Blogger Anatoli Scharij, der inzwischen in den Niederlanden lebt und durch regelmäßige Aufdeckungen ukrainischer Medienpropaganda bekannt wurde, öffentliche Morddrohungen von Kolomoiskis rechter Hand Boris Filatow. Als Ergebnis der Einschüchterungen ist die ukrainische Medienlandschaft heute völlig gleichgeschaltet, die meisten Gegner der Revolution gelten unisono als Terroristen und Separatisten gebrandmarkt. Der ukrainische Normalbürger wird heute mit Tonnen von hysterischsten und abstrusesten Lügengeschichten überschüttet.

7) Verfolgungen von Künstlern. Künstler, die sich nicht klar zur Ukraine bekennen oder, noch schlimmer, Konzerte in Russland geben, werden Opfer von Anfeindungen und gewalttätigen Angriffen, die (selbstverständlich) ungeahndet bleiben. So wurde beispielsweise das Konzert der bekannten ukrainischen Sängerin Ani Lorak in Odessa im August von einer gewalttätigen nationalistischen Schlägerbande gestürmt und musste abgebrochen werden. Gegen die wenigen Polizisten, die sich den Angreifern in den Weg stellten, wurden anschließend wegen "übermäßiger Härte" und "Kompetenzübertretung" gefeuert. Auch die Familie der bekannten Sängerin Sofia Rotaru hat Drohungen von Rechtsradikalen bekommen, nachdem sich diese in einem Interview positiv über
eine mögliche russische Staatsbürgerschaft geäußert hatte.

8) Verfolgung von religiösen Gruppen. Gläubige der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats haben es aktuell nicht leicht. Anhänger des Rechten Sektors hatten versucht, das Kiewer Höhlenkloster zu erstürmen und griffen eine Kreuzprozession der Gläubigen an. Schon lange versucht das Kiewer Patriarchat das historische Heiligtum unter seine Kontrolle zu bekommen. Die Erstürmung scheiterte am entschlossenen Eingreifen der Mönche und der Polizeitsperre. Bei Kiew wurde ein Gottesdienst des MP von der Swoboda überfallen, ein Priester mit Farbe bespritzt und bedroht. In Odessa mussten Geistliche des Moskauer Patriarchats nach Drohungen das Land verlassen.

All diese Zeugnisse von Willkür, Straflosigkeit und Gewaltherrschaft mitten in Europa, die an die schlimmsten Erscheinungen der Balkankriege erinnern, finden in den westlichen Medien keine Erwähnung. Der hohe moralische Anspruch und die vorgebliche Sorge um Demokratie und Menschenrechte verfliegen schnell, wenn das geopolitische "Freund-Feind-Schema" dagegen spricht. Das russische Fernsehen, dass diese Dinge thematisiert, wird stattdessen pauschal als Propaganda verschrien.

Mittwoch, 17. September 2014

Alexei Puschkow: "Die Masken sind abgelegt"

Um zu verstehen, wie repräsentative Russen (also nicht die, die im ARD-Presseclub als Feigenblatt präsentiert werden) die aktuelle Beziehungskrise zum Westen sehen, wird hier die Übersetzung eines denkwürdigen Artikels von Alexei Puschkow veröffentlicht. Er ist ein international bekannter Außenpolitiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma. Zudem leitet und moderiert er das populäre wöchentliche Politmagazin "Postscriptum" im russischen Fernsehen.


Die Masken sind abgelegt, der Anstand ebenso. Und auch der gesunde Menschenverstand. Die NATO droht mit der Einrichtung von Militärbasen in unserer direkten Nachbarschaft. Die EU führt immer neue Sanktionen ein, persönliche und wirtschaftliche, und ergänzt die Liste mit immer neuen Namen. Der Westen konsolidiert sich auf der Basis einer neuen Feindseligkeit gegenüber Russland und auch die gegenteiligen Bemühungen einzelner Länder und Politiker können diese Tendenz nicht umkehren.

Es geht nicht mehr um die Verteidigung hoher Ideale, um die Rechte der Leidenden, um die Hoheit des Gesetzes. Unter dem mächtigen Druck der Vereinigten Staaten sind alle diese Prinzipien beiseite geschoben. Der Staatsstreich in der Ukraine vom 22. Februar wurde im Westen sofort und mit Begeisterung akzeptiert. Ganz gleich, dass dabei grob die ukrainische Verfassung verletzt und das Verfassungsgericht auseinandergetrieben wurde und dass die Oberste Rada illegale Entscheidungen traf. All das ist unwichtig, wenn es darum geht, sich ein Land wie die Ukraine geopolitisch unter den Nagel zu reißen.

Genau deshalb ist den derzeitigen Machthabern in Kiew all das erlaubt, wovon sich in anderen Fällen den westlichen Politikern offiziell die Nackenhaare sträuben: Mord an der Zivilbevölkerung, Einsatz von Phosphorbomben und ballistischen Raketen gegen Einwohner der Städte, Erschießungen und Entführung von Journalisten und nicht zuletzt Erstickung und Verbrennung von Menschen nur dafür, dass sie für sich mehr Rechte einforderten. So gesehen in Odessa.

Alle diese Verbrechen wurden durch den demokratischen Westen faktisch erlaubt und abgesegnet, bei gleichzeitigem verschämten Murmeln über die Notwendigkeit von Untersuchungen, die entweder nie stattfinden oder von Kiew gezielt in eine Sackgasse geführt werden. Erlaubt und abgesegnet für ein höheres Ziel: die Eingliederung der Ukraine in die euroatlantische Einflusszone.

Für all das, was in der Ukraine passiert, wird ausschließlich Russland die Schuld gegeben. Während Sanktionen für all die denkbaren und undenkbaren Verstöße gegen die Menschenrechte, allen voran das Recht auf Leben, eigentlich gegen Kiew gerichtet sein müssten, werden Russland und persönlich Putin als die neuen Ausgeburten der Hölle dargestellt. Und je höher die eigene Schuld des Westens für das Geschehen ist, desto verbissener wird unser Land von der westlichen Presse attackiert, die bereits vergessen hat, was Objektivität und elementare Ausgewogenheit sind.

So sieht heute die allgemeine Tonlage aus. Dabei räumen alle denkenden Menschen von Finnland bis USA ein: daran, dass die Ereignisse in der Ukraine die heutige Entwicklung genommen haben, ist nicht so sehr Russland schuld (das lange Zeit gar nicht auf das Geschehen dort reagierte), sondern der Westen selbst. Die EU war es, die die Ukraine vor die Wahl stellte: entweder die Zusammenarbeit mit Russland oder die Assoziierung mit der Europäischen Union. Die EU hat den Staatsstreich sofort unterstützt, während die USA ihn gar vorbereiteten. Why the Ukraine Crisis Is the West's Fault lautet der Name des Artikels, den vor kurzem der Professor der Chicagoer Universität John J. Mearsheimer in der US-Zeitschrift "Foreign Affairs" veröffentlichte. 

Er schreibt: "Wenn man von den vorherrschenden Ansichten im Westen ausgeht, liegt die Schuld an der Ukraine-Krise fast gänzlich bei Russland. Dem ist jedoch nicht so. In Wirklichkeit tragen die USA und ihre europäischen Verbündeten den größten Teil der Verantwortung für die Krise. Der Westen hatte schon seit langen versucht, die Ukraine in den Orbit der NATO zu bringen und von Russland loszureißen. Dabei hat Moskau wiederholt klargemacht, dass es nicht einfach stillhalten werde, während sich sein strategisch wichtiger Partner in ein Bollwerk des Westens verwandelt. Für Putin wurde der unrechtmäßige Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten der Ukraine, den er zurecht Staatsstreich nennt, zum letzten Tropfen."

Ähnlich bewertet der ehemalige US-Botschafter in der UdSSR Jack Matlock die Lage. Im Interview für die deutsche TAZ erzählt er, wie die NATO mit ihrer Expansionsstrategie in Osteuropa die Basis für die Krise in den Beziehungen mit Russland legte. "Keines dieser Länder war von Russland bedroht. Und dann begann die Eröffnung von Militärbasen, unter anderem in Polen – gegen nicht existierende Raketen aus Iran – Für die Russen war das eine Provokation."

Danach hat die NATO laut Matlock auch noch die Ukraine locken wollen, indem ihr die Mitgliedschaft in der Allianz versprochen wurde. "Das alles waren sehr dumme Schachzüge des Westens. Heute haben wir die Reaktion darauf." Seiner Meinung nach würden es die USA genauso wenig tolerieren, wenn China auf eine Militärallianz mit Kanada und Mexiko hinarbeiten würde. "Wir würden das verhindern. Mit jedem Mittel, das wir haben. Jedes Land, das die Macht dazu hat, würde das tun."

Doch all das wird man wird man in Washington und Brüssel niemals zugeben. Weil man in diesem Fall anerkennen müsste, dass die ganze antirussische Politik Obamas überhaupt keine Grundlage hat, außer dem Streben nach der Abrechnung mit dem unbotmäßigen Moskau, das es wagt, die USA herauszufordern und eine unabhängige Außenpolitik zu verfolgen.

Weil man dann zudem zugeben müsste, dass sich die Quelle der Aggression nicht im Kreml, sondern in Washington und den verbündeten europäischen Hauptstädten befindet. Und das wichtigste: man müsste dann zugeben, dass sich alles nicht um Demokratie, Menschenrechte und hohe Prinzipien dreht, mit denen man uns 20 Jahre lang fütterte, sondern um das Streben nach Herrschaft um jeden Preis. Um das, was der Europäer Nietzsche als Willen zur Macht bezeichnete. Nietzsche wusste, wovon er sprach. Die Masken sind abgelegt. Der Anstand ebenso.

Link zum Originaltext: http://vz.ru/opinions/2014/9/16/705778.html

Dienstag, 9. September 2014

EU-Politik: Verlierer im fremden Interesse

Das nächste Sanktionspaket gegen Russland ist geschnürt und wartet auf die Umsetzung. Im vorauseilendem Gehorsam und ohne die nächsten Sanktionsschritte der USA abzuwarten, prescht die EU vorwärts und treibt die Eskalation voran, während in der Ostukraine die Zeichen gerade auf vorsichtige Entspannung stehen. Es heißt, nur wenn Russland seine Soldaten aus der Ukraine abziehe, sei die EU bereit, auf Sanktionen zu verzichten. Wie schon beim Absturz der MH17, sind Beweise nicht zwingend notwending. Wichtig ist nur die Logik der eigenen Rhetorik, die die EU zu destruktivem Aktionismus verpflichtet.

Das vorgetragene Ziel, Russland "zum Einlenken" in der Ukraine-Haltung zu bewegen, ist genauso naiv wie utopisch, obwohl eigentlich nach dem ganzen verpatzten Entweder-Oder-Gezerre um die Ukraine keine Blauäugigkeit mehr seitens der EU noch richtig überraschen kann. Die Europäer unterschätzen hier mal wieder, um welch substanzielle Dinge es für Russland in der Ukraine geht und welchen langen Atem die Russen hier im Gegesantz zu den Europäern mitbringen.

Um was geht es den beiden Seiten, wenn sich die Sanktionsspirale immer weiter dreht?

Für die Russen geht es um die Millionen unterdrückter Landsleute, die vor nicht allzu langer Zeit das Pech hatten, sich jenseits der bis dato virtuellen Grenzen wiederzufinden und denen heute nicht nur elementare Bürgerrechte fehlen, sondern schlichtweg Sicherheit vor dem Bombenhagel und den rechtsradikalen Verbänden, die in den Donbass geschickt werden. Den Russen geht es um die einst brüderliche Ukraine, die historische Wiege der ostslawischen Zivilisation, mit Tausenden Verbindungen jeder Art nach Russland, die durch verdeckte westliche Wühlarbeit der letzten 23 Jahre im Begriff ist, ein extrem feindliches Gebilde direkt vor der Haustür zu werden, das durch potenzielle NATO-Militärbasen im Osten des Landes die russische Sicherheit und politische Handlungsfähigkeit direkt bedrohen kann. Und, last but not least, geht es den Russen bei dieser Konfrontation im weitesten Sinne um nicht weniger, als um den Erhalt der Selbstachtung und der Souveränität des eigenen Landes, Dinge die im Grunde keinen Preis haben. Wenn die Europäer denken, sie könnten die Russen mit Druck und Strafmaßnahmen "zum Einlenken" in der Ukraine-Frage und zum tatenlosen Zuschauen bei den erwähnten Vorgängen zwingen, dann kennen sie weder die russische Mentalität noch die tiefe Bedeutung der Ukraine für Russland. Hoffnungen, dass Putin irgendwann innenpolitischen Gegenwind bekommt, sind absolut unbegründet. Jede weitere aggressive Handlung der EU wird die Konsolidierung der russischen Gesellschaft um Putin herum (mit seinen aktuell rekordverdächtigen 85% Zustimmung) und die nachhaltige Entfremdung gegenüber Europa immer weiter verstärken. Da hilft es auch nicht, diese Entwicklung "Putins Propaganda" zuzuschreiben und die Russen als unmündige Schäfchen zu porträtieren. Über die Sicht und die Argumente des Westens wissen die Russen heute deutlich besser Bescheid, als umgekehrt, von der wahren Lage in der Ukraine ganz zu schweigen, die sie millionenfach durch persönliche Kontakte mitbekommen.

Im Gegensatz dazu, geht es Europa bei der Konfrontation mit Russland und der potenziell endlosen gegenseitigen Schädigung durch Sanktionen um keine so hehren Ziele. Es geht im Grunde um nichts anderes, als um den Erhalt der alten Ordnung und die Einhaltung der transatlantischen Vasallentreue, die der große Bruder mit ebenso geschickten wie dubiosen Methoden zu sichern weiß. Gerade ein Land wie Deutschland, das besetzt, bevormundet, belauscht und bestohlen wird (Stichwort Goldreserven) bemüht sich im Sirenenklang der Systemmedien um die Konservierung der aktuellen Zustände. Es mag sich gar nicht mehr vorstellen, wie sich wahre Souveränität und vollwertige Selbstachtung anfühlen und dass das Dinge sind, für die andere Länder noch zu kämpfen bereit sind. Ihre Opferbereitschaft und Durchhaltevermögen dürften dabei deutlich größer sein, als bei denen, die sich aus lauter Vasallentreue schädigen.

Leider erkennen nicht alle Normalbürger hinter den offiziösen Propagandaphrasen die wahre Bedeutung und das wahre Wesen der aktuellen Konfrontation: als eine Herausforderung der bröckelnden US-Hegemonie, die sich je nach Ausgang dieses Kampfes entweder noch schneller auflöst oder aber noch einmal auf Jahrzehnte hinaus verfestigt. Wieder einmal in der Geschichte wirft Russland den Hegemonialbestrebungen eines mächtigen Aggressors den Fehdehandschuh, wieder einmal hängt davon die Freiheit Europas ab. Als deutscher Bürger sollte man sich überlegen, ob der wirtschaftliche Schaden, den Deutschland aktuell und in Zukunft anstelle des eigentlichen Drahtziehers der Krise erleidet, die uneingeschränkte Solidarität weiterhin rechtfertigt.

Freitag, 5. September 2014

Verfälschung von Putins Worten. EU gibt sich kleinlaut, Mainstream-Medien schweigen

Sollte lieber den Mund halten. EU-Fettnäpfchensammler Barroso
Ganz groß und skandalös waren die Schlagzeilen, als Präsident der Europäischen Kommission Barroso die diplomatische Praxis grob verletzte und einen Teil des Telefonats mit Wladimir Putin an die große Glocke hängte. Putin habe gedroht, er könne, wenn er wolle, Kiew in zwei Wochen einnehmen. Das passte natürlich extrem gut in die Rhetorik der Mainstream-Medien, die seit Monaten versuchen, aus Putin das Bild eines hollywoodmäßigen Oberschurken zu zeichnen.

Die russische Seite hat daraufhin erklärt, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Darüber, dass Russland "eingesteht und herunterspielt", haben die Medien noch einige Meldungen gebracht. Als Russland jedoch drohte, die Aufzeichnung des Gesprächs vollständig zu veröffentlichen, wenn Barroso nicht binnen 48 Stunden widerspricht, wurde es deutlich leiser.

Heute wurde bekannt, dass die EU tatsächlich eingeräumt hat, dass das Zitat Putins aus dem Zusammenhang gerissen worden ist und eine ganz andere Bedeutung hatte. So gut wie die einzige deutschsprachige Quelle, die darüber geschrieben hat, war die deutsche Ausgabe von RIA Nowosti mit Verweis auf Wall Street Journal. Alle anderen haben diese peinliche Geschichte komplett unter den Teppich gekehrt. Hier offenbart sich ein häufig gesehenes Muster der Journaille: das Hetzobjekt möglichst lautstark in den Dreck ziehen und dann nichts unternehmen, wenn es heißt, den Fehler zu korrigieren.

Was Putin wohl tatsächlich gemeint haben kann, ist nicht schwer zu erraten. Auf die Vorwürfe hin, er habe eine Invasion in der Ukraine gestartet, hat er mit seinem Hinweis gerade die militärische Unlogik der Vorwürfe, das Fehlen einer Invasion bzw. eines Wunsches, die Ukraine einzuverleiben, zeigen wollen. Barroso hat das ganze zu einer Drohung verdreht, um Putin noch mehr den Angriffen der Medien auszusetzen. Wie ein solches Verhalten ethisch zu bewerten ist, kann jeder selbst entscheiden.