Sonntag, 11. Mai 2008

Putins Input - eine Bilanz (Teil 1)

Am 7. Mai endete Putins zweite Amtszeit und er trat als Präsident Russlands ab. Wie seine Rolle im Leben des Landes künftig aussehen wird, bleibt abzuwarten, doch ein Schnitt war der 7. Mai allemal. Daher ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen, auch wenn, wie ein bekannter Spruch lautet, es sogar für die französische Revolution noch zu früh ist, bewertet zu werden..

Vielleicht ist es für das möglichst objektive Verständnis des Wandels Russlands in den letzten acht Jahren am Besten, sich einfach die Probleme und die Schlagzeilen Russlands von 1999-2000 vor Augen zu führen.

Problem 1: Terror
Was heute bereits fast vergessen ist, war damals an der Tagesordnung. Das de-facto unabhängige Tschetschenien, das zwischen 1996 und 1999 bestand, war eine offene Wunde Russlands, ein rechtsfreier Raum, aus dem heraus kriminelle Banden operierten und mit Entführungen, Drogen- und Waffenhandel Geld machten. Parallel etablierten sich dort radikale islamische Ideologen, die den ganzen Nordkaukasus in den wahhabitischen Brand stecken wollten. Der Einmarsch der Wahhabiten in Dagestan war die logische Folge und für Russland die Stunde der Wahrheit. Parallel dazu wurde das Land immer wieder von Anschlägen erschüttert. Wer an Theorien glaubt, es handelte sich um Inszenierungen des FSB, muss in der Konsequenz auch glauben, bei 9-11 handelte es sich um eine Inszenierung der CIA. U-Bahn, Züge, Wohnhäuser, Flugzeuge, nirgendwo konnten die Russen um diese Zeit sicher sein. Und niemand wollte bis zum 11. September 2001 Russlands Warnungen hören, es handele sich um den - mittlerweile unbestritten - internationational agierenden Terrorismus.

Unter Putin leistete das zuvor so lethargische Russland den Entwicklungen in Nordkaukasus entschiedenen Widerstand und konnte dort wieder weitgehend Ordnung schaffen. Dieses Vorgehen ist durchaus historisch zu betrachten, da hier möglicherweise eine Kettenreaktion unterbunden wurde, die auch für viele weitere Regionen Eurasiens Destabilisierung bedeutet hätte. Die meisten tschetschenischen Warlords wie Bassajew, Maschadow, Chattab, Abu-Haws, Jandarbiew, Gelajew, Saidullajew und wie sie alle heißen, fanden den Tod und gerieten fast schon wieder in Vergessenheit, während ihre Namen damals die brutalen Top-Schlagzeilen beherrschten. Dieser Prozess verlief freilich nicht ohne Nachbeben, wie die gewaltsamen Geiselnahmen von Moskau und Beslan sowie diverse Anschläge zeigten. Doch mittlerweile ist das Terrorproblem seit Jahren nicht mehr aktuell, auch wenn der Frieden in Tschetschenien nun mit Milliardentransfers aus Moskau an Grozny und die unappetitliche Clique Kadyrows erkauft wird. Doch ein schlechter Frieden ist immer noch besser als ein guter Krieg. Hier wurde zweifellos eine Verbesserung erzielt.

Problem 2: OligarchenwillkürOftmals werden die 90er Jahre Russlands im Westen für ihre Medienfreiheit gepriesen. Diese Beurteilung ist jedoch zu schönfärberisch. Was heute als Freiheit bezeichnet wird, war die Freiheit der wenigen, ihre Taschenmedien gnadenlos für die Erreichung privater Ziele auszunutzen. Die Russen erinnern sich noch gut an das ständige mediale Geplänkel, wo dubiose Mogule wie Streithähne ständig gegeneinander Kompromat (kompromittierendes Material) brachten. Namen wie Berezovsky, Gusinsky oder Nevzlin hören sich für viele heute wie düstere Anachronismen an, Symbole unwürdigen Treibens und der intellektuellen Erniedrigung. Unvergessen ist, wie 1996 Jelzin, der im Wahlkampf gegen den Kommunisten Zjuganov weit abgeschlagen war, binnen weniger Monate aufgrund des medialen Trommenfeuers der Oligarchen ihn doch noch überholen konnte, ohne das sich parallel etwas am desolaten Zustand des Landes änderte. Das war das Wesen der einstigen "Medienfreiheit" und der manipulativen Oligarchenherrschaft. Symbolisch waren auch die Bilder bitterarmer Bergarbeiter, die vor dem Regierungsgebäude mit Helmen klopften, weil sie jahrelang keinen Lohn erhielten, während sich ihre Arbeitgeber hemmungslos berecherten.

Auch unter Putin gibt es Oligarchen, die Anzahl der russischen Milliardäre ist sogar explodiert. Doch Putin trägt den Verdienst, dass sich zwei Dinge im Wesentlichen veränderten. Zum einen veränderte sich die Hierarchie: nicht mehr Politiker sind den Oligarchen untergeordnet, sondern die Oligarchen den Politikern und das ist gut so. Den wesentlichen Beitrag dazu leistete die Vertreibung der Medienmogule und die Entmachtung von Chodorkovsky, die geschickterweise ein deutliches Signal setzte, ohne gleichzeitig die Wirtschaft abzuwürgen. Zum anderen geht die Bereicherung von Unternehmern heute nicht mehr mit der Verarmung und auf Kosten breiter Massen einher, wie noch unter Jelzin. Deren Wohlstand wächst auch, wenn auch weniger schnell. Aber wo auf der Welt ist es schließlich anders?

In Teilen 2 und 3: Massenarmut, Volkswirtschaft, außenpolitische Erniedrigungen, Demografie, inländisches Rechtsklima, ungelöste Probleme.