Montag, 22. Dezember 2008

WELTfremde Propaganda

Journalismus unterster Qualität, dessen Ziel nicht die Informierung der Leser, sondern plumpe Hetze ist, präsentiert einmal wieder Die Welt. Diesmal geht es um einen neuerlichen sich anbannenden Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine. Der wahre Sachverhalt sieht so aus, dass die Ukraine Gasschulden für das Jahr 2008 in Höhe von 2,5 Mrd. US-Dollar angehäuft hat. Die politische Krise in der Ukraine, ausgelöst durch das verbissene Machtgerangel der sogenannten demokratischen Kräfte, hat sich mit der weltweiten Finanzkrise überlagert und das Land in eine schwere wirtschaftliche Krise gestürzt, die durch einen Rückgang des BIP und eine galoppierende Inflation gekennzeichnet ist. Die Spekulation der ukrainischen Führung darauf, die Bezahlung für Gas an Russland hinauszuzögern, hat das Land noch viel mehr bestraft: der Wechselkurs der Griwna zum US-Dollar, in dem die Gasgeschäfte abgehandelt werden, hat sich in den letzten Wochen verdoppelt.

Da in dieser Situation absehbar ist, dass die Ukraine die Schulden bis Jahresende nicht begleichen und dadurch kein neuer Vertrag für 2009 abgeschlossen werden kann, hat der stellvertretende russische Ministerpräsident Zubkov die EU informiert, dass es wieder zu einem Szenario wie 2005 kommen kann: die ukrainische Führung könnte das fremdbestimmte Gas abzweigen, das durch seine Leitungen Richtung Europa fließt. Prompt tituliert Die Welt unter kompletter Entstellung des Sachverhalts: Russland droht Ukraine und Europa mit Lieferstopp. Die Kerninformation über die ukrainische Zahlungsunwilligkeit steht sehr weit und sehr unscheinbar unten, wo die meisten Emotionen schon ausgelöst sind und viele Leser gar nicht mehr nachschauen. Diese Zeitung, bestückt mit solchen russophoben Berufshetzern wie Manfred Quiring und Gerhard Gnauck, hat ihrem tendenziosen Namen mal wieder alle Ehre gemacht. Das Ganze ist ein weiteres Beispiel, wie tief der deutsche Journalismus gesunken ist und wie verbissen einige Verlagshäuser daran arbeiten, zwischen den Deutschen und den Russen Zwietracht zu säen. Und das, obwohl die Mehrheit der Leser in den Kommentaren solchen Darstellungen widerspricht. Man könnte fragen, warum sich die veröffentlichte Meinung so oft und so sehr auf eine mafios anmutende Weise von der öffentlichen unterscheidet und wann endlich auch repräsentative und vernunftbegabte Stimmen in den Zeitungen abgedruckt werden.

Profitieren kann von solch einer Berichterstattung niemand, zumindest in Europa. Nur eine außereuropäische Macht reibt sich fröhlich die Hände, wenn sie sieht, wie kleine Berufsgoebbelse gegen Russland mitten in Europa hetzen oder wie neue Spannungen aufkommen, die es erlauben, Russland an den Pranger zu stellen, ganz gleich, wer wirklich recht hat. Russland wird in eine Situation gebracht, in der es, um Problemen zu entgehen, auf seine Basisrechte, wie die Bezahlung seiner Ware verzichten muss, weil Regeln eben nicht für alle gleich gelten sollen. Die Amerikaner nutzen jede politische Bewegung, um Russland einzuschnüren. Erst vor kurzem schloss USA mit der Marionettenregierung in der Ukraine ein strategisches Bündnis, das die "Sicherheit" der Ukraine garantiert. Soll heißen: die Ukraine kann jetzt unbestraft jede Finte drehen, ohne im Gegenzug etwas befürchten zu müssen. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir erleben, das Recht nur dann gilt, wenn es den Amis geopolitisch nicht zuwiderläuft. Die Amis sollten bloß aufpassen, dass Russland bei diesem faulen Spiel mit dem Rücken zur Wand stehend bald nichts mehr zu verlieren haben wird mit allen daraus folgenden militärischen Konsequenzen.

Die Wahrheit über den Ossetienkrieg

Der russische Internet-TV-Kanal Russia.ru zeigt unter www.war080808.com/deutsch die im Westen vielfach zensierten Bilder über den Kaukasus-Konflikt vom August. Während Georgien 3,4 Milliarden US-$ "Aufbauhilfe" kassiert, die größtenteils wohl in neue Bewaffnungen fließen werden, sinnieren gewissenlose deutsche Medien immer noch darüber, dass Russland viel zu wenig bestraft wurde...

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Großeuropa: Geteilt und beherrscht

Eine monopolare Welt, wie sie seit dem Ende des Kalten Krieges Bestand hatte, gerät immer mehr ins Wanken, nicht zuletzt durch die aktuelle Finanzkrise. Die führende Rolle der USA wird nach Einschätzung von Experten bis 2025 von einer multipolaren Welt abgelöst, in der aufkommende Mächte wie Russland, China und Indien in der Weltpolitik, Weltwirtschaft und der globalen Kultur entscheidend mitreden werden.

In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Stellung der EU in der "diversifizierten" künftigen Welt sehr aktuell. Im Interesse Europas liegt das eigenständige Agieren und das Verfolgen eigener Interessen, statt traditionsgemäß vor den Anweisungen vom anderen Ende des Atlantiks einzuknicken. Die Interessen der USA decken sich immer weniger mit den Interessen der meisten europäischen Staaten, die viele der derzeit unternommenen Schritte, vor allem im militärstrategischen Bereich, so gar nicht brauchen können. Europa möchte gute Beziehungen zu Russland, die sowohl in wirtschaftlicher, als auch in sicherheitspolitischer Hinsicht von hoher Wichtigkeit sind. Die USA haben dagegen kaum wirtschaftliche Kontakte mit Russland und auch die Erschütterungen auf dem eurasischen Kontinent wirken sich humanitär weitaus weniger auf sie aus, als auf dessen unmittelbare Bewohner. Aus diesem Grund können sie bedenkenlos die Beziehungen zu Russland strapazieren und seine Isolation vorantreiben. Eine Integration Europas und Russlands würde dagegen den Einfluss der USA in Europa und somit auch in der Welt reduzieren. Europa kann jedoch an dem Spiel der Amerikaner kein Interesse haben.

Momentan durchlebt Europa einen schwierigen aber natürlichen Prozess der Emanzipation von den USA, der sich sogar mit den eher konservativeren Führern wie Merkel und Sarkozy fortsetzt. Dies tritt an vielen Punkten der politischen Agenda zu Tage. Nicht nur, dass die Aufrufe der USA, Russland nach dem Kaukasus-Konflikt weiterhin abzustrafen, mit einer raschen Wiederaufnahme des Dialogs ignoriert wurden. Auch die NATO-Ambitionen der Ukraine und Georgiens wurden von den europäischen Mächten entschieden gebremst, woraufhin die scheidende US-Administration und die Briten bereits nach allen möglichen Umwegen anstelle des üblichen Beitritts-Aktionsplans zu suchen begannen. Bezüglich der geplanten Raketen"abwehr" in Polen und Tschechien waren aus den Reihen der westeuropäischen Politiker bereits erste kritische Kommentare zu hören, so zum Beispiel vom französischen Präsidenten Sarkozy.

Die Sicherheit auf dem europäischen Kontinent ist eine Sache der Europäer, weshalb alle Nationen des Kontinents in ein gemeinsames Sicherheitssystem einbezogen werden müssen. Sicherheit in Europa kann es nur mit Russland und nicht gegen Russland geben, wie es die Amerikaner derzeit bezwecken. Nach dem Ende des Kalten Krieges gibt es keinen adäquaten Grund mehr, wichtige Spieler im Sicherheitsbereich auszugrenzen, geschweige denn zu provozieren. Das erkennen die direkt betroffenen Europäer, nicht aber die Cowboys im Weißen Haus. Den neuerlichen Vorschlag vom Präsident Medvedev, eine neue umfassende Sicherheitsarchitektur statt der moralisch veralteten NATO zu entwerfen, begegneten sie mit Arroganz. Es gebe keinen Grund, eine "erfolgreiche" Struktur wie die NATO zu ersetzen, die bisher überall Stabilisierung brachte. Nun ja, dass der mittlerweile siebenjährige Einsatz Afghanistan Stabilität gebracht hat, würden die meisten wohl anders sehen. Und wenn die gewaltsame Loslösung Kosovos von Serbien Stabilität heißt, dann sollte man auch das Vorgehen Russlands im Kaukasus nicht so scheinheilig verdammen.

Wie dem auch sei, scheinen die Angelsachsen mit einer solchen Haltung eher sich selbst und nicht Russland zu isolieren. In Kontinentaleuropa gewinnt Medvedevs Idee einer neuen Sicherheitsarchitektur dagegen immer mehr Anhänger, man ist sogar angeblich bereit, ernsthaft darüber zu reden. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Prozess des Umdenkens fortsetzt und die Europäer sich bald in vollem Umfang in der neuen Situation wiederfinden. Damit wir nicht täglich von neuen Raketen und neuem Mißtrauen lesen müssen, das von amerikanischer Seite geschürt wird.

Donnerstag, 20. November 2008

Und täglich grüßt der Totengräber

Nicht nur das Dämonisieren, sondern auch das Schwachreden Russlands gehört im Westen zu einem traditionsreichen rhetorischen Genre. Die beiden Taktiken sind auf eine bemerkenswerte Weise miteinander verflochten: sie haben den gleichen russlandfeindlichen Ursprung, die entgegengesetzte Methodik und dienen wiederum dem gleichen Zweck. In Abhängigkeit von persönlichen Neigungen des Kommentators findet eine dauerhafte Spezialisierung statt.

In der Sache schließen sich ein böses und ein schwaches Russland zwar nicht aus (so mancher pedalliert aus lauter Verbissenheit beides zugleich), die beiden Methodiken laufen aber in gewissem Maße in entgegengesetzte Richtungen und sind nur schwer gleichzeitig überzeugend zu vermitteln. Jemand, der im Leser Ängste und Widerstand gegen "russische Bedrohungen" wecken möchte,
ist meistens daran interessiert, diese Bedrohungen als möglichst groß darzustellen: Aufrüstung, Energie-"Erpressung", Geheimdienste oder drohende Übernahme strategischer westlicher Wirtschaftszweige. Hier soll eine defensive Psychologie als Reaktion auf einen großen und fiesen Gegner erzeugt werden. Das Schwachreden appelliert dagegen an offensive Gelüste und Überheblichkeit: hier soll durch das Betonen von Problemen das Gewicht Russlands herabgesetzt werden, um Kompromisslosigkeit in außenpolitischen Angelegenheiten anzuheizen. Und auch wenn sich beide Vorgehensweisen wenig vertragen, zielen sie unterm Strich gleichermaßen auf die Ablehnung Russlands ab.

Der Methodik des Schwachredens, die historisch in diversen Blitzkrieg-Versprechungen Anwendung fand, bedienen sich heute Propagandisten mit der persönlichen Neigung zum Wunschdenken und Schadenfreude. Dabei haben sich mit der Zeit klassische "Axiome" etabliert, die veranschaulichen sollen, wie perspektivlos und vernachlässigbar Russland ist. Zum einen lässt kaum ein Vertreter dieser Linie Russlands "demographische Katastrophe" aus, die unbedingt in die Eroberung Sibiriens durch China münden muss. Ganz so, als ob Probleme demographischer Natur anderer Industriestaaten besser wären (Geburtenrate EU: 10,25; Russland: 11,03 (Quelle)) und wir weiterhin in einer Zeit leben, in der die Wehrfähigkeit durch große Menschenmassen erreicht wird.

Ein anderes beliebtes Argument ist Russlands Wirtschaft, die angeblich nur durch Öl und Gas überlebt. Jetzt, wo der Ölpreis gefallen ist, wittern die Herren Totengräber bereits die "womöglich schärfste Wirtschaftskrise des neuen Russland" (Uwe Klussman bei Spiegel Online), deren Bestätigung die stark gefallene Moskauer Börse und die "Kapitalflucht" sein soll. Die Vorstellung, die aktuelle Finanzkrise würde die russische Wirtschaft härter als alle anderen treffen, weil sie ein Koloss auf tönernen Füssen ist, passt perfekt ins Propagandabild, doch diese Märchen können höchstens Naive beeindrucken. An der Grundtendenz des Nachfragewachstums in Schwellenländern sowie der Rohstoffverknappung wird auch die aktuelle globale Finanzkrise nichts ändern, so dass mit Sicherheit ein erneuter Anstieg des Ölpreises bevorsteht. Die Turbulenzen im Börsenkasino stellen eine Korrektur dar, nachdem Russlands RTS-Index über ein Jahr lang überproportional anstieg. Grund war, dass er eine längere Zeit ein Auffangbecken für internationale Spekulanten wurde, die der Krise im Westen auswichen. Zudem ist die Rolle der Börse in Russland bislang weitaus geringer, als zum Beispiel in den USA. Was ein Klussmann und seinesgleichen dagegen nicht erwähnen, ist dass Russland während der derzeitigen "schärfsten Wirtschaftskrise" ein BIP-Wachstum von 7,3% verbucht, was die Behauptungen der einseitig auf Rohstoffen basierenden Wirtschaft widerlegt.

Russlands Armee, die angeblich von Zerfall geprägt ist und deren kampfunfähige Waffen vor sich hin rosten, erzielte in Georgien einen Blitzsieg gegen einen Gegner, der mit neuester NATO-Technologie ausgestattet und von NATO-Instrukteuren geschult war. Zwar ist Georgien zu klein, um daraus weit gehende Schlüsse zu ziehen, doch die Effektivität des russischen Vorgehens hat viele verblüfft und die spöttischen Stimmen wichen für eine längere Zeit den Angst schürenden.

Trotz alledem werden wir immer wieder Stimmen hören, die sich der klassischen populistischen Palette bedienen, um Russland zu einem nicht ernstzunehmenden Spieler zu erklären. Sie propagieren das Bild eines dahinvegetierenden geopolitischen Auslaufmodells, der schlicht ignoriert gehört. Mittlerweile hat sich auch Joschka Fischer in diesen seltsamen Chor eingeschaltet und prophezeit Russland, das in jeglicher Hinsicht am kürzeren Hebel sitze, eine "düstere Perspektive". Seit der Mann auf der Gehaltsliste von George Soros und Madeleine Albright steht, verzapft er nur noch russophoben Mist. Ein denkwürdiges Beispiel, wie sich ein linker Rebell in einen verkrusteten Neocon verwandeln kann.

Russland ist im Lauf seiner Geschichte schon häufig mal für tot erklärt worden und wird auch solche Rhetoriker überleben. Die Frage ist viel eher, ob sich Europa damit selbst ein Gefallen tut, Russland immer auf diese oder jene extreme Weise wahrzunehmen und ob nicht endlich eine sachliche, ausgeglichene und pragmatische Einstellung den wahren Interessen beider Seiten gerechter wäre.

Freitag, 14. November 2008

Geh bleib stehen

Die Liste europäischer Absurditäten hat sich in den vergangenen Tagen um eine weitere Episode bereichert. Diesmal geht es um die Ostsee-Pipeline, die ab 2011 russisches Erdgas nach Greifswald in Deutschland transportieren soll. Das 2005 von Schröder und Putin auf den Weg gebrachte Projekt stieß von Anfang an auf Widerstand von traditionell russophoben Staaten, wie Polen oder den Balten. Vor allem die Polen, um Einnahmen aus dem Transitgeschäft fürchtend, schrien lauthals über einem "neuen Hitler-Stalin Pakt", der vor allem auf die Schwächung ihres Landes abziele. Auch die Balten, denen transitgebührmäßig zwar nichts blühte, stimmten mit an, da sie ja für jeden anti-russischen Galoppritt zu haben sind. Entschiedener Gegner des Projekts waren auch die USA, die traditionell jede Annäherung und Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland unterbinden wollen. Bereits die weltgrößte Pipeline "Druschba", die Deutschland seit den 1960er Jahren zuverlässig mit großen Mengen Gas versorgt, stieß seinerzeit auf amerikanischen Protest. Die Amerikaner, die weder eigene Erfahrung mit russischen Energielieferungen haben, noch vom kommenden Projekt betroffen sind, machten sich am Lautesten Sorgen über die Zuverlässigkeit russischer Lieferungen.

Für die Kassandra-Rufe üblicher Verdächtiger hatte traditionell die CDU sehr viel Gehör. Den Erfolg Schröders miesmachend, schüttelte sie den Kopf über die Nicht-Beachtung der Interessen "osteuropäischer Nachbarn" und "die Bedrohung Europas durch Abhängigkeit von Russland". Als sie selbst bald an die Macht kam, war jedoch der stragtegische Nutzen der Pipeline so offensichtlich, dass sie an diesem Kind Schröders stillschweigend festhielt. Sie ließ aber nie ihre anti-russische Rhetorik fallen, stimmte als Reverenz an die USA bei jeder Gelegenheit Klagelieder über die vermeintliche russische Unzuverlässigkeit an und bezog in den Konflikten Russlands mit den Transitländern immer die Position der letzteren.

Währenddessen bemühten sich die Osteuropäer, die auch noch Schweden ins Boot holten, mit allen Mitteln darum, das Projekt scheitern zu lassen. Alle möglichen Wege wurden ausprobiert, zuletzt "ökologische Bedenken". Dabei hat das Pipeline-Konsortium für viel Geld die geplante Route auf dem Meeresboden von jeglichen Chemikalien aus dem Zweiten Weltkrieg säubern lassen und die ökologische Situation der Ostsee sogar verbessert. Da der Grund für Proteste aber in Wahrheit woanders liegt, konnte das die Gemüter wenig beruhigen. Die Osteuropäer versuchen nun, das Projekt auf der EU-Ebene scheitern zu lassen.

Nun trat der russische Premier Putin in den Vordergrund und rief die EU auf, endlich mal für Klarheit zu sorgen, ob das Projekt nun gebaut werden soll oder nicht. Die Bauphase auf russischem Festland geht bald zu Ende und Russland ist die Querelen innerhalb der EU langsam leid, die sich hinauszögern, weil sich US-Freunde in der deutschen Regierung davor zieren, endlich ein Machtwort Richtung Osteuropäer auszusprechen. Nach Putins Worten kann Russland auf den Bau der Unterwasser-Pipeline auch verzichten und stattdessen Verflüssigungsanlagen bauen, um das Gas mit Tankern auf dem Weltmarkt anzubieten. Dies könnten die Deutschen und die Niederländer dann ebenso kaufen, müssten aber auch die höheren Kosten in Kauf nehmen.

Kaum waren Putins Worte gesagt, hagelte es in der Presse Empörung über "Putins Drohungen". (Interessante Bemerkung von Botschafter Kotenev im ARD-Morgenmagazin: Westen=Ankündigungen, Russland=Drohungen). Noch martialischer und sachverhalts-entstellender: Putin droht Europa mit teurem Gas. Der selbe außenpolitische CDU-Schnösel Schockendorff, der sich früher über die zu große Anbindung an Russland erhitzte, verurteilte Putin und einen eventuellen Baustopp. Auf einmal finden alle die Pipeline sehr wichtig, während das böse Russland sie wegzunehmen droht.

Beständigkeit scheint in Medien- und Politikkreisen nur eine Position zu haben: Kritik an Russland.

Mittwoch, 12. November 2008

E wie einfach, U wie unsinnig

Die EU will mit Russland erstmals seit dem Georgienkrieg wieder Gespräche aufnehmen. Was an sich positiv ist, erscheint vor dem Hintergrund des von der europäischen Seite zuvor künstlich geschaffenen Streits, eher natürlich und nicht sonderlich bemerkenswert. Doch selbst hier finden sich sogleich sogenannte Kommentatoren, die voller Empörung davon erzählen, dass Europa buckelt, anstatt prinzipientreu zu bleiben. Welche Prinzipien, möchte man da fragen. Einen psychisch kranken Kriegsbrandstifter zu unterstützen, während die Frage nach der Kriegsschuld von vornherein als "unwesentlich" erklärt wird?

Zur Aufhebung der Gesprächsblockade bewegte die EU wohl der Realismus, der relativ schnell einkehrte, sobald die ersten russophoben Reflexe wieder verflogen sind. Ohne Russland lässt sich auf dem Kontinent eben vieles nur schwer lösen. Außerdem entpuppte sich die Bestrafungswirkung, die man sich durch das Aussetzen der Verhandlungen in Brüssel versprochen hatte, komplett als ein Schuss ins Blaue. Den Russen war das Ganze herzlich egal und an einem neuen Abkommen war vor allem die EU selbst interessiert, was schnell wieder deutlich wurde. Dieser ziemlich dämliche Zickzackkurs ist symptomatisch für die ganze verkrampfte, reflexartige und irrationale Russland-Beziehung in den Hauptstädten Europas.

Um das Gesicht nicht zu verlieren, musste die Rückkehr zu Normalität natürlich erst mit etwas "prinzipientreuer" Rhetorik vermischt werden. So verlangt es das Ritual. Die neuen Verhandlungen mit Russland würden von Seiten der Europäer aber "hart geführt" werden, tönt es da aus einer Ecke. Ob in Russland jetzt jemand Angst bekommen hat? Die neue Verhandlungsbereitschaft sei keine Belohnung für Moskau, tönt es aus einer anderen Ecke. Keine Sorge, wir wissen, dass es lediglich die hastige Korrektur eigener Dummheit ist. Aber das Stichwort Belohnung ist trotzdem sehr interessant.

Interessant vor allem deshalb, weil es die Selbsteinschätzung vieler Politiker der EU offenbart. Noch immer verstehen sich viele als höchste moralische Autoritäten, deren unendlich kostbare Verhandlungsbereitschaft bereits eine große Belohnung für verschiedene "böse Bengel" darstellen muss. Kein Wunder, dass mit derart absurder Wahrnehmung von sich und dem Gegenüber Reibungen vorprogrammiert sind. Wieviel Raum eine solche Haltung den Argumenten und dem Verständnis der anderen Seite lässt, kann sich jeder vorstellen.

Solange die Europäer nicht von ihrem hohen moralisch-zivilisatorischen Ross runterkommen, den sich sich selbst eingeredet haben, wird es keinen zufriedenstellenden Dialog mit Russland, im Gegensatz zu vielleicht Albanien, geben. Europa scheitert an seiner Verbohrtheit und hängt noch zu sehr am bequemen alten Beziehungsmuster, als man mit Russland noch wie mit einem Schuljungen umgehen konnte. Doch die Zeiten haben sich längst geändert. Das sieht man unter anderem daran, wie schnell Europa von den eigenen diplomatischen Eskapaden zurückrudern muss. Das nebeneinander Überleben von sturem Überlegenheitswahn und teilweise gegenteiligen Realitäten, ist eine bizarre Spezifik der europäischen Beziehung mit Russland. Die Überwindung dieser Kluft durch das Anpassen der eigenen Einstellungen zugunsten einer vernünftigen und sachgemäßen Politik und durch das Lernen zuzuhören, ist für Europa eine existenzielle Aufgabe. Sonst werden solche sinnlosen Verirrungen an der Tagesordnung bleiben. Und als EU-Bürger muss man sich weiterhin für die inadäquate Politik schämen.

Samstag, 8. November 2008

Gute Übergabe des Raketen-Staffelstabs

Während die ganze Welt die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten bejubelte, waren aus Russland verhaltene Töne zu hören. Zum einen ist Russland weniger als andere vom Bazillus der Politkorrektheit befallen, der einem Schwarzen oder einer Frau allein auf Grund dieser Tatsache schon einen besonderen Sympathievorschuss gibt. Der eigentliche Grund war jedoch ein anderer. In Russland war bekannt, dass Obamas außenpolitische Überzeugungen nur minimale Unterschiede zum Kalten Krieger McCain aufweisen. Seit Obama während seines Wahlkampfs den Einhalt "russischer Aggression" als eines der außenpolitischen Ziele verkündete, war klar, dass dem russisch-amerikanischen Verhältnis keine Besserung bevorsteht. Unter den Beratern Obamas finden sich dazu solche bekannten russophoben Persönlichkeiten wie Zbigniew Brzezinski, Madeleine Albright oder auch der Vize Joe Biden, dessen Wahl McCain seinerzeit sehr begrüßte.

Dass Medvedev gleich am Tag nach der Wahl Obamas die Aufstellung der Iskander-Raketen im Gebiet Kaliningrad bekanntgab, werteten viele westliche Beobachter als "Provokation". In der herrschenden Elite mache sich "Entsetzen und Verärgerung" breit, erzählen die Medien. Und der nicht gerade durch Beständigkeit glänzende deutsche Außenminister kommentierte die jüngste Entwicklung mit Worten "Ein falscher Schritt zur falschen Zeit".

Dies dürfte jedoch die Liste der Fehleinschätzungen bereichern, die die deutsche Politik in den internationalen Angelegenheiten an den Tag legt. Wie heute bekannt wurde, sicherte Obama dem polnischen Präsidenten zu, genau wie Bush am provokanten Raketensystem festhalten zu wollen. Sicherlich liegt diese Entscheidung nicht an den Worten Medvedevs: ein Billionen-Projekt zu unterstützen, entscheidet man nicht spontan, dahinter steckt langfristige Überzeugung. Da man davon ausgehen kann, dass dies im Kreml bekannt war, waren wohl die Worte Medvedevs nach der Obama-Wahl durchaus an den richtigen Adressaten gerichtet.

Die europäischen Medien scheinen indes absolut blind dafür zu sein, dass es für Russland dabei nicht um Großmachtpolitik, sondern um seine pure Sicherheit geht. Den Russen wird zugemutet, der Aufstellung von Raketen an ihrer Grenze stillhaltend zuzuschauen und sich auf Worte der USA über deren Anzahl und Art zu verlassen. Das bedeutet die eigene Sicherheit quasi in amerikanische Hände zu legen. Eine funktionierende Sicherheitsarchitektur kann aber nicht auf Worten basieren, erst recht nicht den Worten einer Macht, die sich in letzter Zeit schon oft genug als Lügner entpuppte. Trotzdem werden in den europäischen Medien Provokation und Reaktion vertauscht, in einer Weise, die entweder auf abgrundtiefe Ignoranz oder abgrundtiefe Heuchelei schließen lässt. Dass blocktreues Denken in der Politik dominiert, ist die eine Sache. Das Fehlen jeglicher Meinungsvielfalt zu dieser Frage in der angeblich freien Medienlandschaft, ist dagegen eine andere. Hier haben wir ein weiteres Beispiel, wie sich Europa treu und unmündig ans Bein seines Herrchens drückt, auch wenn die Konsequenzen der besorgniserregenden Entwicklung rund um die Raketen vor allem in Europa selbst zu spüren sein würden.

Ergänzung: Im Laufe des Tages stellte sich heraus, dass der polnische Präsident Kaczynski, der zunächst die "freudige" Botschaft hinausposaunte, in seinem Wunschdenken wohl etwas voreilig war. Ein Berater Obamas stellte gegen Abend klar, dass Obama keine Garantie für die Aufstellung der Raketen gegeben hat, sondern erst von der technischen Effektivität eines solchen Systems überzeugt sein will. Sollte lediglich die technische und nicht die politische Komponente ausschlaggebend sein, wäre das aber als Geste an Russland keineswegs besser. Was bei dieser Atmosphäre zwischen beiden Staaten noch alles an Konfliktstoff anfallen wird, bleibt offen.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Das Zahlen der Lämmer

Vergangene Woche ging eine von der EU und der Weltbank organisierte Geberkonferenz für Georgien zu Ende, auf der dem Aggressor vom August Steuerzahlergelder im Umfang von 3,4 Milliarden Euro als „Aufbauhilfe“ zugesprochen wurden. Empörend ist dabei natürlich nicht die Tatsache an sich, dass die einfachen Menschen in Georgien, vor dem Krieg ohnehin schon unter armen Bedingungen lebend, nun die Kriegszerstörungen wieder überwinden können. Weitaus bedenklicher ist die Art und Weise, wie dieses Geld dem georgischen Staat übergeben wurde. Auf der Geberkonferenz war nicht die leiseste Kritik am georgischen Präsidenten zu hören, der mit seinem Überfall auf die schlafende Hauptstadt Südossetiens in der Nacht auf den 8. August diesen Krieg mit über Tausend Opfern und milliardenschweren Zerstörungen zu verantworten hat.

Der freundliche, sogar familiäre Umgang mit den Vertretern Georgiens sollte signalisieren, auf wessen Seite Europa steht, während das nicht eingeladene Russland als ein böses gemeinsames Schicksal im Raum schwebte, dessen Untaten die Familie „zivilisierter Länder“ (inklusive Georgien) nun ausbügeln muss. Ein Vertiefen in die Anti-Russland-Rhetorik fand allerdings nicht statt, da die meisten wohl wussten, dass beim näheren Hinschauen auf die Kriegsumstände kein Blumentopf zu gewinnen ist (zumal jetzt auch die BBC, leider als einzige Medienanstalt, eine Dokumentation über georgische Kriegsverbrechen veröffentlichte, siehe auch hier). Also wählten die feinen Herren eine abstrakte Form der Anklage, so ganz im traditionellen Stil gewiefter europäischer Heuchelei.
Die Europäer, die mal wieder den Großteil der Gelder beisteuerten, zeigten sich einmal mehr als gehorsame Zahlschäfchen, die immer dann blechen dürfen, wenn amerikanische Strategen und ihre heißblutigen kleinen Vasallen ein neues Abenteuer aushecken und dabei versagen. Dass die gütige Hilfe europäischer Menschenfreunde zu keinem Cent an die Südosseten adressiert ist, die mit Abstand die meisten Toten zu beklagen haben, liegt in der Logik der Dinge und überrascht kaum noch.
Die Bevölkerung Europas wird von derartigen Vorgängen traditionell ausgeschlossen und nur am Rande informiert. Es ist nicht im Sinne des Erfinders, dass hier jemand genauer nachbohrt. Die Bürger Europas, deren überhöhte Abgaben unter anderem durch Aktionen wie diese zustande kommen, sind aber "glücklicherweise" zu bequem, um sich einen Durchblick zu verschaffen. Die Lämmer werden geschoren, während sie in einer Art großen Matrix bei Laune gehalten werden, die ihnen transatlantische mafiose Machtstrukturen mit Hilfe der Massenmedien erschaffen. Diese sorgen dafür, dass der Gedanke, dass eine europäisch-russische politische Annäherung beidseitig vorteilhaft wäre und nicht am gegenteiligen US-Interesse scheitern dürfte, niedergehalten wird. Das Thema Russland wird durch die Medien in einen ähnlich abstrakten wie künstlichen Schleier des Argwohns verhüllt, der bei dieser symbolischen Geberkonferenz so heuchlerisch zu spüren war.

Sonntag, 31. August 2008

Auch du, Thomas Roth?

Großspurig verkündete die ARD am Freitag dem 29.08., dass am Abend ein Interview des Russland-Korrespondenten Thomas Roth mit Vladimir Putin ausgestrahlt werden soll, wo dieser eine Stellungnahme zum "aufziehenden Kalten Krieg" nehmen wird. Was der deutsche Zuschauer dann vorgesetzt bekam, war ein um 2/3 beschnittenes Interview, das nach 9 Minuten vorbei war. Darauf folgte eine 6-stündige (!) Nachtsendung über die US-Wahlen, aber das nur nebenbei. Die Übersetzung beim Putin-Interview war derart miserabel und stotternd, dass sicherlich nur die am meisten Interessierten genug Ausdauer aufbrachten, sich durch das Interview innerlich durchzukämpfen. Somit wurde der Überzeugungskraft von Putins Argumenten von vornherein ein Bein gestellt. Anschließend wurde die gekürzte Version im Internet veröffentlicht, mit der dreisten Bezeichnung "im Wortlaut".

Unangenehme Passagen, in denen Putin beispielsweise auf die übergangene UN-Resolution zur Integrität Serbiens einging, die passiven Friedensschützer in Srebrenica geißelte oder Beispiele einseitiger Berichterstattung in den westlichen Medien anführte, wurden kurzerhand entfernt. Zum Glück hat sich jemand die Mühe gemacht, das gesamte Interview ins Deutsche zu übersetzen und ins Internet zu stellen, wobei die von der ARD entfernten Stellen kursiv markiert wurden. Eine vollständige Videoaufzeichnung der unzensierten Version mit deutschen Untertiteln kann man hier sehen:





Dies alles passiert, während die öffentlich-rechtlichen Sender dem irrwitzigen georgischen Präsidenten, dem die OSZE gerade Lügen und schwere Fehler vorwirft, eine umfangreiche Plattform bieten, wie neulich in der Talk-Sendung "Maybritt Illner" im ZDF. Wie man sieht, läuft die Manipulationsmaschinerie auf Hochtouren und wir bezahlen dies auch noch selbst mit unseren GEZ-Gebühren...

Eine Welle der Kritik erntete Thomas Roth für sein Vorgehen bereits in seinem Blog auf den Seiten der Tagesschau. Vor allem der Konflikt im Kaukasus scheint vielen Menschen erstmals bewusst gemacht zu haben, wie sehr die "freien Medien" die Wahrheit verdrehen. Was speziell Thomas Roth anbetrifft, war für mich sein Auftritt in einer Talkrunde beim Radio Bremen aufschlussreich. Dort gab er noch im Frühjahr zum Besten, wie sehr er die Russen schätzt und von ihnen fasziniert ist sowie warum er seinen "Traumjob" für die ARD in Berlin aufgegeben hat, um zum dritten Mal nach Russland zu gehen. Der Talkrunde konnte man generell ein dumpfes und distanziertes Angstgefühl gegenüber Russland entnehmen. Nimmt man Thomas Roth beim Wort, müsste man ihn fragen, weshalb er den von ihm angeblich geschätzten Russen mit seiner Berichterstattung so viel Unrecht tut; weshalb er dreist lügt, wenn er in der ARD von einem "schwer zerstörten" Gori berichtet, wo doch im ganzen Internet nur ein und dasselbe beschädigte Gebäude zu sehen ist, während von Zchinwali, aus dem die ARD so gut wie nicht berichtete, schreckliche Zerstörungszeugnisse vorliegen. Weshalb er mit seinen Berichten zu eben jener Distanziertheit und Angst beiträgt, die in der Talkrunde spürbar war, anstatt die beiden Kulturen einander näher zu bringen?

Freitag, 29. August 2008

Die Wunden von Zchinvali

Ein Film vom russischen Reporter Anton Stepanenko, der sich während des georgischen Angriffs in der Stadt aufhielt und das Leid der Zivilbevölkerung dokumentierte. Im westlichen TV wurde all das nicht gezeigt. Stattdessen gab's zu genüge Bilder von ein und demselben beschädigten Haus in Gori...



Georgische Truppen bei der Invasion Zchinvalis. Man hört georgische Schreie: "Zielt auf die Dächer und setzt die Häuser in Flammen. Benutzt die Ammunition sparsam. Wählt eure Ziele und gebt zwei-drei Schüsse ab."



Die Fakten lassen sich offenbar doch nicht verbergen:
OSZE-Beobachter machen Georgien schwere Vorwürfe

Dienstag, 26. August 2008

Die Unabhängigkeitserklärung Russlands

Der russische Präsident hat offiziell die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannt. Damit hat er die vorangegangenen Warnungen und Drohungen westlicher Staatschefs ins Leere laufen lassen. Besonders die deutsche Heuchel-Angie lief im Vorfeld zur Höchstform der Doppelmoral auf. Mit ihrer rührenden Sorge um das Prinzip der territorialen Einheit, das sie selbst vor wenigen Monaten im Fall Kosovo unbeirrt und ungeachtet russischer Warnungen mit Füssen trat, ließ sie das Herz der ratlosen heimischen Transatlantiker kurz höher schlagen. Mit unverdecktem Stolz verkündeten die Medien, wie Frau Miesmund ihre rituellen "deutlichen Worte" gegen Russland richtete und "härtere Gangart" androhte. Dass sie nicht im Namen der Mehrheit spricht, interessiert schon lange nicht. Wen kümmert, dass drei Viertel der Deutschen diese Entrüstung ungerechtfertigt finden und auch in Sachen Friedensgefahr vor allem andere Länder vorne sehen? Doch nicht die deutsche Bundeskanzlerin und die in Politik und Medien dispropotional dominierende Transatlantiker-Mafia.

Doch wie ernstzunehmend ist Merkels Schneiderei düsterer Grimassen? Was kann sie Russland wirklich entgegenstellen? In Wahrheit ist der Westen heute abhängiger von Russland, als es umgekehrt der Fall ist:

1) Der Westen braucht Russland in der Iran-Frage, da er sich ohne russische Kooperation jedes rechtlichen und des meisten diplomatischen Spielraums beraubt.
2) Der Westen braucht Russland in der Nahost-Frage, da nur Russland Diskussionskanäle mit der Hamas bietet.
3) Ohne Einbeziehung Russland sind jegliche Projekte zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen nutzlos. Dies ist ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsinteressen des Westens.
4) Ohne russische Energieressourcen, vor allem Erdgas, bricht in Europa ziemlich schnell der Alltag und die Wirtschaft zusammen. Alternativen gibt es nur im Iran, Infrastruktur dafür gar keine.
5) Amerika muss befürchten, dass Russland seine immensen Währungsreserven von einer halben Billion Dollar in eine andere Währung tauscht. Dies würde eine weltweite Dollarkrise auslösen, die wirtschaftlichen Konsequenzen für Amerika wären äußerst schmerzhaft.
6) Nach der vorzeitigen Einmottung der Space Shuttles müssen sich die USA und Europa mit Russland verständigen, wollen sie nicht ihre sämtlichen Weltraumprojekte verlieren. Russland bleibt über eine noch nicht absehbare Zeit hinaus das einzige Land, das zur bemannten Raumfahrt fähig ist.
7) Sollte Russland westlichen Militärs den Transit und die Benutzung seines Luftraums wieder untersagen sowie Kirgisien zur Schließung der letzten in Zentralasien verblieben US-Basis bewegen, die dort gerade noch geduldet wird, würde das die NATO in Afghanistan vor große Logistikprobleme stellen und den ganzen Einsatz an den Rand des Scheiterns bringen.

Die spärlichen westlichen Sanktionsmöglichkeiten haben dagegen kaum noch Wirkung und kommen sogar noch als Boomerang zurück. Die amerikanische Ankündigung, Russland den Zugang zur WTO zu erschweren, registrierte Russland mit gleichgültigem Schulterzucken. Es hat daraufhin einfach alle nachteiligen Vereinbarungen aufgehoben, die es für die WTO abschloss und bisher einseitig erfüllte. So verloren die USA ihre privilegierte Stellung auf dem russischen Markt für Geflügel, wo es eine 74%-Importquote für ihre Dumpingproduktion zweifelhafter Qualität besaß (im Volksmund "Bush-Beinchen"), die viele russische Produzenten erdrückte.

Jedes andere Drohpotenzial hat der Westen bereits verloren oder umgesetzt (Raketenabwehr in Polen). Damit kann er gegen Russland kaum etwas zusätzliches in die Wagschaale werfen, was Russland erschrecken könnte. Der Ausschluss Russlands aus der G8, wie ihn das aggressive Fossil John McCain fordert, würde den Einfluss Russlands aufgrund dessen existenzieller Wichtigkeit überhaupt nicht einschränken. Vielmehr würde dadurch dieses Format, im Rahmen dessen schon lange nichts Wesentliches mehr entschieden wird, noch weiter entwertet werden. Die NATO-Aufnahme der Ukraine würde viel schmerzhafter verlaufen, als der Westen es glauben möchte. Die Mehrheit der Bevölkerung steht diesem Vorhaben ablehnend gegenüber. Sollte die Ukraine nun im Schnelldurchlauf zur Bestrafung Russlands in die NATO gezerrt werden, könnte das massive Unruhen und eine Spaltung des Landes bedeuten, die eher Russland zugute kommt, als dem Westen.

Medvedev hat mit seiner Entscheidung, die Rücksicht auf die westliche Drohungen und Doppelmoral endlich fallen zu lassen, einen historischen Schritt vollzogen. Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit beiden Kaukasus-Regionen als Staaten hat er in Wahrheit die Unabhängigkeit Russlands verkündet. Diese war seit beinahe zwanzig Jahren aus Angst, den Westen zu verärgern, stark eingeschränkt. Russland ist dieser gebeugten Lage müde geworden, vor allem seit der Kaukasus-Konflikt anschaulich demonstrierte, dass es selbst im offensichtlichsten Fall nie mit dem Verständnis des Westens rechnen kann. Es hat erkannt, dass es vergeblich ist, um seinen Ruf im Westen zu bangen, da dieser per Definition immer niedergehalten werden wird und Russland konstant als Feindbild herzuhalten hat. Mit einer wohltuenden Gleichgültigkeit befreit sich Russland nun von hemmenden Fesseln, atmet auf und macht einfach, was es moralisch für richtig hält.

Dass seine Autorität und Abschreckung keine Wirkung mehr hat und ihm die Kontrolle über Russland entgleitet, wird dem Westen gerade schmerzlich bewusst. Hinter all der harten Rhetorik, die eine Merkel oder eine Rice ihrer heimischen Elite (nicht Bevölkerung!) schuldet, verbirgt sich große Unsicherheit und die innere Frage, ob man es mit der Mißachtung Russlands all die Zeit nicht zu weit getrieben hat. Zurück bleibt, wie ein russischer Besucher beim Übersetzungsportal ausländischer Presse InoSMI.Ru richtig schrieb, nur eines:

"Die würden uns in jedem Fall mit Dreck vermischen, egal wie wir uns im Kaukasus verhalten hätten. Hätten wir nicht eingegriffen, würden sie uns verhöhnen und sich vor Lachen krümmen. Zumindest haben sie nun nichts zu lachen."

Mittwoch, 20. August 2008

Die Lust am Provozieren

"Den Polen fehlen von Geburt an jene Hirnzellen, die für Außenpolitik verantwortlich sind" behauptete einst Winston Churchill. Auch im 21. Jahrhundert bewahrheiten sich diese Worte des großen Staatsmanns.

Heute wurde zwischen Polen und den USA ein Abkommen über die Stationierung amerikanischer Raketen in Nordpolen unterzeichnet, 180 km entfernt vom russischen Staatsgebiet. Offizieller Zweck der Anlage, die in Kombination mit einem Radar in Tschechien funktionieren soll, der Russland bis in den Ural zu durchleuchten imstande ist, ist die Abwehr der Raketen aus dem Iran, auch wenn diese genauso wenig existieren, wie die berühmten Massenvernichtungswaffen im Irak. Nur zu gut war angesichts dieser Märchen der anti-russische Zweck und das darum aufgebaute Lügengerüst von vornherein sichtbar. Auch die Mehrheit der Deutschen vermochte das zu erkennen. Dass nun ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Kaukasus-Krieg die endgültige Unterzeichnung des Vertrags zustande kam, führt die Iran-Verweise endgültig ad absurdum, auch wenn Frau Rice auch heute unbeirrt ihr lächerliches Mantra faselte.

Polen, das bereits in die NATO aufgenommen wurde und damit seine Sicherheit eigentlich in trockenen Tüchern betrachten könnte, kann sich nicht einfach damit begnügen und eine konstruktive Beziehung mit Russland aufbauen, wie es beispielsweise Finnland trotz der ebenfalls schwierigen gemeinsamen Vergangenheit tut. Den Unterschied macht in Polen die niedrigere zivilisatorische Reife sowie der tiefsitzende Komplex eines historisch unterlegenen Rivalen aus. Polens Daseinszweck ist ohne die Möglichkeit, es dem großen russischen Feind immer wieder zu zeigen, unvergleichlich öder.

Nur aus diesen Gründen lässt sich erklären, weshalb Polen statt der angestrebten Verbesserung seiner bereits mehr als hinreichend abgesicherten Lage komplett das Gegenteil herbeiführt. Denn im Fall eines Nuklearkonflikts macht es sich freiwillig zu einer der primären Zielscheiben für russische Raketen. Über soviel Dummheit und begeisterte Servilität können sich die Amerikaner nur freuen, die nun Kanonenfleisch an vorderster Front bekommen. Und während russische Militärs Polen folgerichtig an die natürliche Konsequenz im Fall der Fälle erinnern, macht die westliche Presse daraus Meldungen á la "Russland droht Polen mit Atomschlag".

Oftmals kriegt man von den Transatlantikern das Argument zu hören, dass 10 Abwehrraketen, die stationiert werden sollen, das russische Nuklearpotenzial nicht außer Kraft setzen können. Dieses Argument ist eine hohle Floskel, da weder diese Zahl noch die Art der stationierten Raketen in Stein gemeißelt sind. Die größte Barriere für die Amerikaner bildete der Anfang und sie lag viel eher im Bereich Public Relations im Zusammenhang mit dem Aufbau der Militärbasen. Ist der Fuss aber erst in der Türschwelle, lässt sich mit Leichtigkeit und ohne Aufsehen alles mögliche dorthin transportieren. Deswegen betrachtet Russland bereits den aktuellen Schritt als eine ernste Provokation und Gefährdung. Die Amerikaner haben ihrerzeit viel Panik und Wirbel rund um die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba gemacht, die auch nur als Antwort auf amerikanische Raketen in der Türkei diente. Statt heute die "Friedensdividende" zu genießen, setzen die Amerikaner Russland nun ohne Not eine ähnliche Packung vor die Nase, um das strategische Gleichgewicht auszuhebeln. Dabei kommt ihnen nicht nur die Abwesenheit polnischer Gehirnzellen zugute, sondern auch die des Rückgrats bei westeuropäischen Staaten, die im Prinzip ähnlich betroffen sind. Nach deren Meinung hat schlicht niemand gefragt, in der berechtigen Annahme, dass sie sich automatisch anpassen wird. Das Herrchen kennt seine Pudel gut genug.

Montag, 18. August 2008

Der kleine siegreiche Krieg und seine Folgen

Auch zehn Tage nach Beginn der Kampfhandlungen ist der kurze Kaukasus-Krieg noch ein heißdiskutiertes Thema in den deutschen Medien und Internet-Foren. In Diskussionsforen und Artikel-Kommentaren kriegt man immer eine breite Palette der Meinungen zu sehen, von heißblütigen Unterstützern des kleinen demokratischen Georgiens sowie Verachtern des imperialistischen Russlands bis zu den Entlarvern amerikanischer Tücke und innigen Russland-Freunden. In den offiziellen Medien ist derartiger Pluralismus dagegen weitgehend Fehlanzeige.

Doch was sind die vorläufigen Ergebnisse dieses lokalen Ereignisses, das die Welt derart aufgeregt hat? Worauf basiert dieses intuitive Gefühl, dass hier etwas Fundamentales passiert ist, das manche Kommentatoren dazu veranlasst, von einer Zäsur zu sprechen und darin sogar einen ähnlichen historischen Wendepunkt, wie den Mauerfall 1989 zu sehen?

Zum ersten Mal seit langer Zeit hat sich Russland wieder aktiv und konsequent für seine Interessen eingesetzt. Aus einem Objekt der Weltpolitik, zu dem es 1991 degradierte, ist Russland erneut zu einem Subjekt geworden. Es konnte auf den georgischen Angriff auf Südossetien gar nicht anders reagieren, denn auf dem Spiel standen sein Prestige und seine Glaubwürdigkeit. An solch ein entschlossenes Russland war die Welt schon lange nicht mehr gewohnt und die Machtlosigkeit der USA, die tatenlos zusehen mussten, wie ihr aufgerüsteter kaukasischer Zögling problemlos auseinander genommen wird, tat ihr Übriges. All dies warf fundamentale Fragen auf, inwieweit die herrschende Weltordnung überhaupt noch Bestand hat und aus welchem neuen Blickwinkel man die aktuelle Weltlage sehen sollte.

Das militärische Fazit des Krieges ist, dass sich die russische Armee erstaunlich effektiv und kampffähig zeigte, während die von den USA hochgerüsteten und ausgebildeten Georgier (Militärbudget hatte sich in vier Jahren versiebenfacht, unentgeltliche Hilfe nicht mitgezählt) als sehr unprofessionell, um nicht zu sagen feige, auffielen. In drei-vier Tagen war vom Widerstand nichts mehr zu sehen, die Georgier ließen zahlreiches Kriegsgerät kampflos liegen und flüchteten nach Tiflis, das die Russen nur noch einnehmen mussten, dies aber offensichtlich nicht wollten. Die Russen zerstörten in Kerngeorgien die militärische Infrastruktur, die vorher für den Angriff auf Südossetien benutzt worden ist, und hatten dazu auch völkerrechtlich die Legitimation. Denn das Völkerrecht schützt auch De-facto-Staaten und sieht das Recht vor, auch auf dem Gebiet des Agressors zu operieren, wenn die Sicherheit dies erfordert. Wer hier von Unverhältnismäßigkeit redet, zeigt sich als Heuchler, vor allem wenn man an die Bombardierungen Belgrads, Novi Sads oder aber irakischer Städte denkt.

Zum Ergebnis des Kriegs zählt auch, dass die Berichterstattung im Westen über Russland auf das Niveau des Kalten Krieges zurückgefallen ist - mit all den verschärften Lügen, doppelten Standards, Aggressivität und Einseitigkeit. Während in den ersten Tagen des Krieges noch hier und da auch eine kritische Stimme gegen Georgien zu vernehmen war (zu erdrückend waren die Tatsachen, die spontan nicht zu unterschlagen waren), setzt sich der Ton der Meldungen und der "Analysen" heute nur noch aus Ausführungen zusammen, wie gefährlich, unberechenbar und tückisch der Russe doch ist. Dabei wird in den Medien und der Politik so getan, als hätte der Krieg erst am 10. August angefangen, ohne dass es vorher einen georgischen Überfall und die Beinah-Zerstörung von Zchinvali mit zahlreichen Toten gab. Gezielte Hetze und Panikmacherei wird seitdem betrieben. Dem verbrecherischen Regime des irren Saakaschwili, das die ossetische Bevölkerung vertreiben wollte, wird dagegen Unterstützung und Hilfe versprochen. Die Kanzlerin Merkel, der vorher die territoriale Souveränität Serbiens so herzlich egal war, besteht nun darauf, dass die territoriale Souveränität Georgiens nicht verhandelbar sei - und verspricht Georgien unbeirrt den NATO-Beitritt. Noch heuchlerischer ist nur Condoleezza Rice, die Russland den Versuch vorwirft, das Regime in Tiflis gewaltsam zu stürzen - ganz so, als ob das nicht gerade Amerikas Stil wäre und zwar unter erlogenen Vorwänden.

Zum Ergebnis des Krieges zählt auch, dass Russland durch die Beobachtung all der Heuchelei, des Blockdenkens und der Vertauschung von Opfer und Täter sich voller Empörung und Verachtung endgültig vom Westen abwenden wird. Dadurch, dass der Westen Russland jegliches Verständnis versagt, stößt es Russland von sich ab und erschafft eine neue Feindseligkeit in Europa, die niemand braucht. Das kolonialherrische und mentorenhafte Gebaren, mit dem der Westen Russland seit 1991 entgegentrat und bei jeder Abweichung von der eigenen Vorstellung des bedingungslosen Gehorsams dämonisierte, wirft Fragen auf, inwieweit dem Westen überhaupt je an einer echten Parnerschaft mit Russland gelegen war. Der Westen sah für Russland nur zwei mögliche Rollen vor, die er brauchen konnte: die des gehorsamen Befehlsempfängers oder weiterhin die des Feindbilds. Eine andere Variante hatte wohl von vornherein keine Chance.

Samstag, 16. August 2008

Freedom of speech

Auch die professionelle amerikanische Propaganda-Maschinerie leistet sich manchmal Fehler. Ein grober Schnitzer ist gestern dem führenden amerikanischen Nachrichtensender Fox News unterlaufen. In der sensationistischen Gier, dem Zuschauer eine herzzerreißende Geschichte zu erzählen, wie ein 12-jähriges Mädchen den Bomben in Südossetien entkam, wurde eine junge Amerikanerin ossetischer Herkunft und ihre Tante in die Sendung eingeladen. Offenbar wurde in der Eile nicht bemerkt, wer die beiden eigentlich sind und wessen Opfer sie waren. Als dann das Mädchen klar stellt, dass es die Georgier waren, vor deren Bomben sie floh und dass sie den russischen Soldaten sehr dankbar ist, gibt's die erste Beklemmung. Als die Tante dann sagt, dass es der georgische Präsident Saakaschwili ist, der für das Morden die Schuld trägt, unterbricht der Moderator sie urplötzlich für eine offenbar außerplanmäßige Werbepause. Nach der Werbepause lässt er die Frau kaum noch zu Wort kommen, fällt ihr ständig ins Wort und schaltet sie letztlich vollständig ab mit den Worten: Das hätten die Russen sicherlich gerne.



Wie durch ein Wunder wurde auf dem Portal Youtube der Zähler dieses Videos beim Stand 296.902 eingefroren, so dass das Video es nicht in die laufende Top-Liste schaffen kann.

Auch beim BBC gab es bei der Übertragung einer Presse-Konferenz von Condoleezza Rice eine verdächtige Panne, die ausgerechnet dann auftrat, als die US-Außenministerin auf eine unangenehme Frage eines russischen Journalisten antworten musste.



Für mich ist es ein weiterer Beleg, dass das westliche Fernsehen noch unfreier und gleichgeschalteter ist, als das russische, das zwar auch einseitig berichtet, aber von solchen niederträchtigen Verhaltensmustern wie das Maulstopfen on Air noch weit entfernt ist. Die Angst vor der Wahrheit scheint im Westen viel größer zu sein.

Montag, 11. August 2008

There's No Business Like Show Business

Georgische Theaterschauspieltruppe bei der Arbeit in der Rolle der Opfer russischer Fliegerangriffe. Diese Bilder sind durch alle führenden westlichen Medien gegangen.

Die Leiche im Karohemd liegt auf dem Rücken


Der vom Unglück getroffene hat sich für ein neues Foto umgezogen


Währenddessen wurde die Leiche müde und drehte sich auf den Bauch. Die zweite Leiche klammert sich auffällig stark an den Arm der Helferin. Nicht dass sie sie noch fallen lässt.


Der blutüberströmte Teenager mit gelangweiltem Gesichtsausdruck wird fortgetragen

Mehr Unstimmigkeiten hier.

Sonntag, 10. August 2008

Das Toben der Goebbels-Erben #2

Wenn die Bild-Zeitung unter Mißachtung von 2000 Artillerie-Opfern in Zchinvali am Tag der georgischen Invasion mit der Schlagzeile "Russen töten auch viele Frauen und Kinder" aufwartet, dann ist es angesichts des Seriositätsgrads dieses Blattes noch bei Seite zu schieben. Wenn jedoch die britische The Times, die angeblich renommierteste und traditionsreichste Zeitung des Landes, mit dem Titel "Flucht und Schrecken vor Angesicht der Roten Armee" ankommt, dann kann man den westlichen Journalismus getrost in den persönlichen inneren Mülleimer schmeißen.

Eine kleine Sammlung der Schlagzeilen:

* Tausende Georgier fliehen aus Angst vor russischen Invasoren (Spiegel). 30.000 Flüchtlinge im russischen Nordossetien waren zuvor natürlich eine vergleichbare Schlagzeile nicht wert.
* Russland will den Krieg (Sueddeutsche Zeitung)
* The West can no longer stand idle while the Russian bully wreaks havoc (The Guardian)
* Russlands Krieg gegen den Westen (Der Standard)
* Russland brüllt wieder (N-TV)

Eine kleine Sammlung der Wiedergabe-Praktiken:

O-Ton Putin: "Georgien will in die NATO, um andere Länder in seine blutigen Abenteuer reinzuziehen".
Der Spiegel: "Putin droht der NATO".

O-Ton Putin: "Dafür, dass Saddam Hussein einige Schiiten-Dörfer ausgelöscht hat, hat man ihn erhängt, während die aktuellen georgischen Machthabenden, die mit ihren Panzer Kinder und Greise zermalmten und Menschen lebendig in ihren Häusern verbrannten, unter Schutz genommen werden".
Die Welt: "Putin vergleicht Georgien mit Irak".

Samstag, 9. August 2008

Das Toben der Goebbels-Erben

In der Nacht auf den 8. August, dem Tag der Olympia-Eröffnung, was in der zivilisierten Welt seit je her als Anfang einer Friedensperiode gilt, eröffnete der georgische Präsident mit der "Grad"-Artillerie (moderne Katjuschas) ein Trommelfeuer auf die im Talkessel an der Grenze zu Georgien liegende südossetische Stadt Zchinvali. Den schweren Zerstörungen folgte ein Eroberungsversuch, wobei auch russische Friedenssoldaten, die sich durch ein UN-Mandat in Südiessetien aufhalten, angegriffen wurden. Durch die rücksichtlosen Artillerie-Beschüsse mit ihrer breiten Streuung kam es im Stadtgebiet zwangsläufig zu massenhaften Sterben der Zivilisten. Erst das Eingreifen Russlands setzte diesem blutigen Vormarsch ein Ende.

Die kleine Republik Süd-Ossetien hatte sich, ähnlich wie Abchasien, 1992 von Georgien nach einem blutigen Krieg losgesagt und ihre Unabhängigkeit erklärt. Diese wurde bislang von niemandem anerkannt - auch nicht von Russland. Um jedoch weiteres Blutvergießen zu vermeiden, stellte Russland einen, wenn auch brüchigen, Frieden her, der den Status Quo einfror. Da die Südosseten und die Abchasier georgische Pässe weder bekommen konnten noch wollten, besorgten sie sich die Staatsbürgerschaft des Rechtsnachfolgers der UdSSR.

Der Präsident Georgiens Michail Saakaschwili, der sich 2003 mit erheblicher finanzieller und organisatorischen US-Hilfe an die Macht geputscht hat und seitdem das Land im schnellstmöglichen Tempo in die NATO peitscht, kann seinen Lebenstraum nicht verwirklichen, solange Georgien noch durch ungelöste Territorialfragen belastet ist. Ferner lässt sich durch das Aufzeigen eines äußeren Feinds von den wachsenden inneren Mißständen und erheblicher ziviler Unruhe ablenken (erst vor einem halben Jahr ließ Saakaschwili Massenproteste der Opposition gewaltsam unterdrücken). Doch nachdem die Osseten und die Abchasen ihre Unabhängigkeit geschmeckt haben, werden sie sich nie mehr unter die Knute Georgiens begeben. Erbitterter Widerstand war garantiert. Und seitdem die westliche Welt das Kosovo widerrechtlich anerkannt hat, anderen Regionen dasselbe Recht aber vorenthält, braucht sich im Grunde auch Russland nicht mehr zu genieren. Deshalb ging die militärpolitische Kalkulation Saakaschwilis mächtig in die Hose. Aber es gibt ja noch die globale PR-Dimension.

Die westlichen Medien haben nach anfänglicher überraschungsbedingten Zurückhaltung ihre volle Heuchel- und Lügenpower ausgerollt. Tendenziöse Schlagzeilen, verdrehte Tatsachen, falsch zugeordnete Bilder - kein Mittel ist mittlerweile ungenutzt. Ganz gut hat es ein Gast bei Spiegelfechter-Blog auf den Punkt gebracht:

Jetzt zu den Medien. In den heute-Nachrichten wird darüber berichtet. Dann fragt der Moderator die Reporterin, ob man denn sagen könne, wer der Aggressor sei. Dies wird von der Reporterin verneint, das könne man nicht klar sagen! Da Russland offenkundig diesmal nicht als reiner Aggressor dargestellt werden kann, wird zumindest versucht, beide Parteien auf eine Stufe zu stellen. Sieben Verletzte beklagt Georgien durch russische Bombardierungen (die Russland dementiert), das wird eifrig zitiert. Sieben Verletzte! Gegen 1.400 Tote durch Flächenbeschuss! Georgien hat sich offenbar verkalkuliert, wollte Zchinwali im Handstreich nehmen. Jetzt, wo Russland seine Friedenstruppen verstärkt, spricht der georgische Präsident Micheil Saakaschwili von einer “russischer Aggression”.
BILD zeigt ein Bild von georgischen Raketenwerfern, sagt kein Wort, dass es sich dabei um eine georgischen Angriff handelt sondern montiert Putin Gesicht in das Bild und titelt: “RUSSLAND MARSCHIERT IN SÜDOSSETIEN EIN”
Am schlimmsten hetzt die taz: “Moskaus Armee marschiert in Südossetien ein - und bombardiert Stützpunkte der georgischen Armee. Russland bricht so offen das Völkerrecht. Georgien ruft USA zur Hilfe. Schon 1.400 Tote.”
Wer nur die Headline liest, könnte meinen, die 1400 Toten gingen auf das Konto Russlands. Im Artikel selber klärt sich zwar das Bild etwas. Trotzdem skandalisiert die taz vor allem den “Einmarsch” der Russen (die schon längst da waren, seit Jahren) und den Bruch des Völkerrechts. So als ob die taz nicht zu den Ersten gehören würde, die den Bruch mit dem Völkerrecht fordert, wenn Massaker verübt werden (siehe Jugoslawien). Bloss das diesmal die Massakrierenden “unsere Jungs” sind und es ja nur ossetische “Russenfreunde” trifft. Hätte Serbien eine kroatische Stadt mit Stalinorgeln bombadiert hätte die taz als erstes “Völkermord!” geschrien.
Da hat er allerdings noch nicht die britische Guardian gelesen. In einem "Analyse" namens "Der Krieg, den Russland will" steht da:

"Seit Monaten haben Beobachter vermutet, dass Moskaus Provokationen in Georgien den Zweck hatten, einen Krieg im Kaukasus auszulösen. Nun sieht es so aus, als hätte Russland bekommen, was es wollte... Georgien repräsentiert genau das, was Moskau an seiner Grenze nicht sehen will: Ein Land, das sowohl unabhängig als auch zusehends demokratisch ist. Moskau sucht stattdessen Unterwerfung, vorzugsweise unter autokratische Herrscher, die es manipulieren kann."

Christian Neef von Spiegel Online sieht in seinem unter aller moralischen Sau geschriebenen Artikel die langfristige Lösung darin, dass die Osseten nach Russland übersiedeln sollen. Eine Deportation von Menschen aus ihrer angestammten Heimat also, um den Georgier einen Landstrich zu überreichen. Zuvor bemerkt er vieldeutig, dass angeblich bereits Leo Trotzki die Osseten als "ein grobes und gewalttätiges Volk" bezeichnete. Mit solch primitiven Mitteln wird versucht, die Sympathieverteilung des in der Region nicht sehr kundigen Durchschnittslesers zu manipulieren. Kein Wunder, dass sich immer mehr Deutsche bei solch einem ideologischen Futter in ihrer Intelligenz beleidigt fühlen und widersprechen.

Donnerstag, 7. August 2008

Antisowjetisch. Antiwestlich. Prorussisch.

Ein Titan geht. Für Alexander Solženicyn ist dieses Wort nicht zu pathetisch, denn wohl kaum lässt sich eine Person finden, die in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts eine vergleichbare Stellung einnahm. Zugleich gibt es wohl kaum einen Menschen, dessen individeller politischer Beitrag zum Sturz des kommunistischen Systems größer war, als der von Solženicyn, auch wenn gelegentlich Ronald Reagan oder gar Johannes Paul II. zu solchen hochstilisiert werden. In Wahrheit war die "im Felde unbesiegte" Sowjetunion weder an den Drohgebärden Ronald Reagans noch an der Papstverehrung im Ostblock-Peripheriestaat Polen zerbrochen. Den eigentlichen moralischen Todesstoss versetzte ihr Alexander Solženicyn mit seinen Romanen "Ein Tag im Leben von Ivan Denisovič" und "Der Archipel Gulag". Auch wenn der Tod danach nicht sofort eingetreten ist, war dem kommunistischen System eine Giftportion sondergleichen verabreicht worden, die langsam aber stetig wirkte und sie von ihnen zersetzte. Die durch Solženicyn angesägten moralischen Tragsäulen waren denn auch dafür verantwortlich, dass die UdSSR ab 1985 von innen heraus implodierte - mit all den positiven und negativen Konsequenzen bis heute.

Anfangs ein willkommenes Werkzeug in den Händen des Westens, nahm Solženicyn jedoch dann aus westlicher Sicht eine sonderbare Entwicklung, die sich so gar nicht in die Verhaltensmuster handelsüblicher Lakaien-Dissidenten wie Bukovsky oder Bonner einreihen wollte. Solženicyn war weit davon entfernt, die westliche Lebensweise zu vergöttern. Er offenbarte stattdessen eine sehr heimatverbundene, patriotische und konservative Ader, die stark an Dostoevsky, aber auch an die Weißgardisten erinnerte.

Nach seiner Rückkehr ins Jelzin'sche Russland des moralischen Verfalls und des Raubkapitalismus war Solženicyn trotz seiner Verdienste um die Auseinandernahme der alten SU, schnell zu unpassend und zu unbequem geworden. Auch das Jelzin Solženicyn 1998 mit einem Staatspreis ehren wollte, was dieser empört ablehnte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die prowestlich-liberale Clique an der Spitze des Staates und der Wirtschaft einen Prediger der Rückbesinnung auf urrussische Tugenden á la Dostoevsky nicht gebrauchen konnte und als einen Anachronismus verstand.

Erst unter Vladimir Putin ist Solženicyn wieder zu den Ehren gekommen, die ihm gebührten. Nicht nur, dass der Präsident den gebrechlichen alten Giganten mehrfach mit großem Respekt in dessen Haus bei Moskau besuchte. Auch in seinen Staatsreden griff er explizit Solženicyns Aussagen auf, wonach die "nationale Idee", nach der Russland derzeit so verzweifelt sucht, in der "Bewahrung des Volkes" - moralisch und physisch - liege. Wer Russlands Niedergang in der postsowjetischen Periode kennt, wird diese Worte in all ihrer Tragweite verstehen. Solženicyns demonstrierte zugleich seinen Respekt für Putin, der mit entschlossenem Handeln zur Stärkung und Stabilisierung des sich zuvor im freien Fall befundenen Landes beitrug.

Solženicyns Harmonie mit Putin sorgte indes im Westen für Irritationen. Wie könne es sein, dass ein ehemaliges Gulag-Opfer für einen "KGB-Offizier" schwärmt? Dass er das westliche Modell der hohlen Konsumgesellschaft ablehnt? Dies sei wohl nur durch die im Alter einsetzende Senilität und Anpassungsunfähigkeit an die Moderne zu erklären. Doch im SPIEGEL-Interview, das der 88-jährige Solženicyn im Jahr 2007 noch gab, nahm er höchst geistesgegenwärtig und treffend zu diesen "Anschuldigungen" Stellung. Dies bewahrte ihn dennoch nicht davor, dass er dem Westen als ein halber Verräter im Gedächtnis bleiben wird und vor allem die eindimensionalen Amerikaner mit Kommentaren wie "Solženicyns beflecktes Vermächtnis" ihm ins noch frische Grab spucken. Andererseits müsste man sich als russischer Patriot aber auch Sorgen machen, wenn einen die Amerikaner zu sehr loben.

Sonntag, 11. Mai 2008

Putins Input - eine Bilanz (Teil 1)

Am 7. Mai endete Putins zweite Amtszeit und er trat als Präsident Russlands ab. Wie seine Rolle im Leben des Landes künftig aussehen wird, bleibt abzuwarten, doch ein Schnitt war der 7. Mai allemal. Daher ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen, auch wenn, wie ein bekannter Spruch lautet, es sogar für die französische Revolution noch zu früh ist, bewertet zu werden..

Vielleicht ist es für das möglichst objektive Verständnis des Wandels Russlands in den letzten acht Jahren am Besten, sich einfach die Probleme und die Schlagzeilen Russlands von 1999-2000 vor Augen zu führen.

Problem 1: Terror
Was heute bereits fast vergessen ist, war damals an der Tagesordnung. Das de-facto unabhängige Tschetschenien, das zwischen 1996 und 1999 bestand, war eine offene Wunde Russlands, ein rechtsfreier Raum, aus dem heraus kriminelle Banden operierten und mit Entführungen, Drogen- und Waffenhandel Geld machten. Parallel etablierten sich dort radikale islamische Ideologen, die den ganzen Nordkaukasus in den wahhabitischen Brand stecken wollten. Der Einmarsch der Wahhabiten in Dagestan war die logische Folge und für Russland die Stunde der Wahrheit. Parallel dazu wurde das Land immer wieder von Anschlägen erschüttert. Wer an Theorien glaubt, es handelte sich um Inszenierungen des FSB, muss in der Konsequenz auch glauben, bei 9-11 handelte es sich um eine Inszenierung der CIA. U-Bahn, Züge, Wohnhäuser, Flugzeuge, nirgendwo konnten die Russen um diese Zeit sicher sein. Und niemand wollte bis zum 11. September 2001 Russlands Warnungen hören, es handele sich um den - mittlerweile unbestritten - internationational agierenden Terrorismus.

Unter Putin leistete das zuvor so lethargische Russland den Entwicklungen in Nordkaukasus entschiedenen Widerstand und konnte dort wieder weitgehend Ordnung schaffen. Dieses Vorgehen ist durchaus historisch zu betrachten, da hier möglicherweise eine Kettenreaktion unterbunden wurde, die auch für viele weitere Regionen Eurasiens Destabilisierung bedeutet hätte. Die meisten tschetschenischen Warlords wie Bassajew, Maschadow, Chattab, Abu-Haws, Jandarbiew, Gelajew, Saidullajew und wie sie alle heißen, fanden den Tod und gerieten fast schon wieder in Vergessenheit, während ihre Namen damals die brutalen Top-Schlagzeilen beherrschten. Dieser Prozess verlief freilich nicht ohne Nachbeben, wie die gewaltsamen Geiselnahmen von Moskau und Beslan sowie diverse Anschläge zeigten. Doch mittlerweile ist das Terrorproblem seit Jahren nicht mehr aktuell, auch wenn der Frieden in Tschetschenien nun mit Milliardentransfers aus Moskau an Grozny und die unappetitliche Clique Kadyrows erkauft wird. Doch ein schlechter Frieden ist immer noch besser als ein guter Krieg. Hier wurde zweifellos eine Verbesserung erzielt.

Problem 2: OligarchenwillkürOftmals werden die 90er Jahre Russlands im Westen für ihre Medienfreiheit gepriesen. Diese Beurteilung ist jedoch zu schönfärberisch. Was heute als Freiheit bezeichnet wird, war die Freiheit der wenigen, ihre Taschenmedien gnadenlos für die Erreichung privater Ziele auszunutzen. Die Russen erinnern sich noch gut an das ständige mediale Geplänkel, wo dubiose Mogule wie Streithähne ständig gegeneinander Kompromat (kompromittierendes Material) brachten. Namen wie Berezovsky, Gusinsky oder Nevzlin hören sich für viele heute wie düstere Anachronismen an, Symbole unwürdigen Treibens und der intellektuellen Erniedrigung. Unvergessen ist, wie 1996 Jelzin, der im Wahlkampf gegen den Kommunisten Zjuganov weit abgeschlagen war, binnen weniger Monate aufgrund des medialen Trommenfeuers der Oligarchen ihn doch noch überholen konnte, ohne das sich parallel etwas am desolaten Zustand des Landes änderte. Das war das Wesen der einstigen "Medienfreiheit" und der manipulativen Oligarchenherrschaft. Symbolisch waren auch die Bilder bitterarmer Bergarbeiter, die vor dem Regierungsgebäude mit Helmen klopften, weil sie jahrelang keinen Lohn erhielten, während sich ihre Arbeitgeber hemmungslos berecherten.

Auch unter Putin gibt es Oligarchen, die Anzahl der russischen Milliardäre ist sogar explodiert. Doch Putin trägt den Verdienst, dass sich zwei Dinge im Wesentlichen veränderten. Zum einen veränderte sich die Hierarchie: nicht mehr Politiker sind den Oligarchen untergeordnet, sondern die Oligarchen den Politikern und das ist gut so. Den wesentlichen Beitrag dazu leistete die Vertreibung der Medienmogule und die Entmachtung von Chodorkovsky, die geschickterweise ein deutliches Signal setzte, ohne gleichzeitig die Wirtschaft abzuwürgen. Zum anderen geht die Bereicherung von Unternehmern heute nicht mehr mit der Verarmung und auf Kosten breiter Massen einher, wie noch unter Jelzin. Deren Wohlstand wächst auch, wenn auch weniger schnell. Aber wo auf der Welt ist es schließlich anders?

In Teilen 2 und 3: Massenarmut, Volkswirtschaft, außenpolitische Erniedrigungen, Demografie, inländisches Rechtsklima, ungelöste Probleme.

Montag, 28. April 2008

Ein typischer Manipulationsbericht

Mein entomologisches Interesse an der Berichterstattung westlicher Medien hat mich auch neulich etwas entdecken lassen. Die ZDF-Nachmittagssendung Heute in Europa, ein braves und mainstreamiges bürgerliches Format, unterbreitete dem aufgeklärten und urteilssicheren Mitteleuropäer einen Bericht aus dem wilden fernen Kaukasus. Dort ging es um einen sich vor kurzem ereigneten Zwischenfall, als eine georgische Spionage-Drohne über der abtrünnigen und de-facto unabhängigen Region Abchasien abgeschossen wurde.

Wer sich den Bericht auf der Zunge zergehen lässt, braucht keinen Tolkien mehr. Das dunkle russische Mordor, "massiv um Macht und Einfluss" kämpfend, streckt seine Tentakeln nach dem georgischen Hobbitland aus. Russland habe die beiden Republiken Abchasien und Südossetien schon fast annektiert und wolle sie von Georgien losreißen. Die frechen russischen Orcs sind jetzt sogar so weit gegangen, dass sie ein georgisches Flugzeug über dessen eigenem Boden abschießen. Als Beweis für die russische und nicht, wie von der anderen Seite behauptet, abschasiche Urheberschaft dient irgendein georgisches Video, dessen Authenzität und Bezug zum aktuellen Fall zwar niemand überprüfen kann, dem aber pauschal Glauben geschenkt wird. So einem kuscheligen Regime wie Georgien muss man einfach glauben.

Angesichts der verschriebenen einseitigen Parteinahme für Georgien, verwundert es kaum, dass während des ganzen Berichts kein einziges Mal erwähnt, geschweige denn kritisch hinterfragt wird, was ein georgisches Spionage-Flugzeug überhaupt über dem abchasischen Territorium unter Verletzung der geltenden UNO-Resolution zu suchen hatte. Hier sieht man sehr gut, wie ein ausgelassener Punkt die gesamte Geschichte umkrempelt und das wissen die Macher der Halbwahrheit-Nachrichten perfekt. Ein interessanter, wenngleich ebenfalls verschwiegener Punkt wäre auch die Erzählung, wie der georgische Präsident bereits in den letzten Monaten und Jahren immer wieder spektakuläre Inszenierungen russischer Aggressionen servierte, um seine unzufriedenen Bürger bei der Stange zu halten. Als zumindest kurzfristig wirkendes Allheilmittel wirkt ja immer noch am besten die Russophobie, das weiß man in den Welt der bunten Revolutionäre, der neokonservativen Thinktanks und des Pentagons. Doch als Saakaschwili zuletzt eine angeblich russische Rakete präsentierte, die auf einem georgischen Acker niedergegangen sein soll, war es selbst der EU wegen komplettem Mangel an Beweisen zu viel. Die von Saakaschwili geforderte politische Verurteilung Russlands blieb aus, aber die Medien können ihr Hexensabbath ja trotzdem weiter treiben.

Für die transatlantisch korrekte Parteinahme für Georgien ist auch nicht zweckmäßig zu wissen, was die Abchasen und die Südosseten über ihr Schicksal denken, im Gegensatz zu den Kosovaren, die ja ein Sonderrecht auf Selbstbestimmung haben. Würde sich der Bericht jedoch näher mit den Abchasen und Südosseten befassen, würde er einräumen müssen, dass ein Anschluss an Georgien für diese Menschen absolut undenkbar ist, und ein georgischer Einmarsch zwangsläufig in einem erneutem blutigen und verbissenen Krieg enden würde. Ein Krieg, dessen negative Auswirkungen Russland viel eher abbekommen würde, als die EU. Im Gegensatz zu dem propagierten russischen Machtspiel lässt sich die russische Friedenssicherung in Abchasien also viel natürlicher und legitimer erklären, zumal die Abchasen die Russen als einzige Vermittler akzeptieren.

Im Gegensatz zur serbischen Wiege Kosovo, das von einer fremden Ethnie kolonisiert wurde und sich dennoch abspalten durfte, waren die uralten Abchasien und Südossetien kein Teil eines georgischen Staates und wurden erst nach administrativen Manipulationen des Georgiers Stalin der georgischen SSR zugeschlagen. Doch in der Sowjetunion spielte das eine geringe Rolle und die Bewohner fühlten sich in erster Linie als Sowjetbürger, zumal es sich durch den Tourismus aus allen Teilen des Landes vergleichsweise sorglos leben ließ. Als jedoch die Sowjetunion zerbrach, war die Vorstellung, künftig von Tiflis aus regiert zu werden, absolut unerträglich. Da verwundert es auch nicht, dass die absolute Mehrheit sich um die Staatsbürgerschaft des rechtlichen Nachfolgers der UdSSR, nämlich Russlands, bemühte, dem sie sich auch kulturell näher verbunden fühlte. Bei Südosseten kam auch noch der Wunsch nach der Verbundenheit mit Nordossetien hinzu. Dass in den beiden Regionen nun überwiegend russische Staatsbürger leben, ist ein weiterer Grund, weshalb Russland sie nicht einfach einem Krieg überlassen kann. Gier und Machtpolitik sind hier dagegen fehl am Platz: die beiden Regionen sind absolut arm und müssten Jahrzehnte lang durch Geldtransfers versorgt und aufgebaut werden. Es geht also primär einfach um die Ehre.

Nachdem das Kosovo widerrechtlich anerkannt wurde, dämmert aber selbst dem strammsten Transatlantiker, dass Russland mit gleichem Recht das Selbe mit Abchasien und Südossetien machen kann, denn der Präzedenzfall ist bereits da. Trotzdem schallte es heuchlerische Kritik von der EU, als Moskau kürzlich lediglich erklärte, mit Abchasien und Südossetien künftig mehr zusammenzuarbeiten, während von einer de-jure Anerkennung noch nicht die Rede war. Zumindest kapieren aber mittlerweile auch die braven Spießer von Heute in Europa, dass "die Unabhängigkeit des Kosovo ihren Preis hat".

Sonntag, 6. April 2008

"Feindbild Russland soll den Westen mobilisieren"

Ich möchte einige interessante übersetzte Auszüge aus einem Interview des Portals InoSMI.Ru mit Alexei Puschkow veröffentlichen, dem Professor des MGIMO (Moskauer Staatsuniversität für Internationale Beziehungen), dem Buchautor und Moderator der wöchentlichen politischen Sendung "Postscriptum" im russischen Fernsehen sowie dem Präsidiumsmitglied des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik. Das Portal InoSMI.Ru ist bekannt für seine Übersetzungen der westlichen Presse ins Russische; ihm war in diesem Blog bereits der Artikel Monolog der Kulturen gewidmet. InoSMI und Puschkow diskutieren über die Ost-West-Beziehungen, das Image Russlands und die Gebräuche der Medienwelt. (Ein interessantes Webcast mit Alexei Pushkov in Davos 2008 kann man übrigens hier sehen).

Wie frei ist die westliche Presse? Wie haben westliche Journalisten auf Ihren Vorschlag reagiert, sowohl in der Financial Times, als auch in Ihrer Sendung Postscriptum eine Polemik durchzuführen?

Puschkow: Die westlichen Journalisten sind in mancher Beziehung weniger selbstständig, als wir. Und das ist ein Phänomen, das ich wiederholt beobachte. Ich erinnere mich, wie einmal in Deutschland ein Journalist aus einer renommierten deutschen Zeitung mir erzählte, dass er einen Artikel gegen den Kosovo-Krieg publizieren wollte. Man sagte ihm: Entschuldigung, das ist nicht die Linie unserer Redaktion. Als er darauf bestand, sagte man ihm, dass er sich in diesem Fall einen anderen Job suchen müsste. In den Vereinigten Staaten war es für einen normalsterblichen Journalisten oder Analytiker äußerst schwierig, Material gegen die Bombardierungen Jugoslawiens zu veröffentlichen. Das erlaubte sich nur Henry Kissinger. Aber dafür muss eben ein Henry Kissinger sein.

Ich denke, dass bei uns das Diskussionsspektrum bezüglich der Politik deutlich breiter ist, als in Amerika. Den Irakkrieg fing man dort beispielsweise erst dann zu diskutieren an, als die USA begannen, ihn zu verlieren. Davor waren jedoch so gut wie alle für den Krieg. Und die, die heute George Bush kritisieren und alle seine Fehler aufzählen - das sind Ratten, die das sinkende Schiff verlassen. Bush ist zumindest ein Kapitän, der mit dem Schiff des Irakkriegs versinken wird. Er schreit "Wir werden den Krieg gewinnen". Diese Position ist vielleicht nicht sehr klug, aber zumindest konsequent. In Amerika gab es sehr viele Journalisten, die die Kriegsidee bis zuletzt unterstützten und heute behaupten, dass Bush alles falsch gemacht hat. In Amerika ist alles Wellenbewegungen unterworfen und wir beobachten einen großen Konformismus in der Presse.

Dort gibt es eine eigene Zensur und Selbstzensur. Als ich der Financial Times einen derartigen Tausch vorschlug, wusste ich, wovon ich rede. Aber für den Koluminsten Quentin Peel war das ein echtes Problem. Ich kann mit ihm ein seriöses Interview machen und es in meiner Sendung ausstrahlen. Er muss dagegen seinen Hauptredakteur überzeugen, dass solch ein Dialog mit einem bekannten russischen TV-Moderator und Politologen notwendig ist. Wie der Hauptredakteur reagiert würde, ist unklar. Deswegen beschränkte sich Peels Anwort bei der Diskussion bei RIA Novosti auf abstraktes "Alexei, wir wären froh, Sie in London zu sehen".

Letzte Woche war ich in London und traf mich mit Quentin Peel. Wir hatten eine gute Diskussion und das Interview, das ich mit ihm machte, wird nächste Woche in meiner Sendung ausgestrahlt. Doch ein Gegenvorschlag, auf Seiten der Financial Times aufzutreten, kam nicht. Warum? Weil in der Financial Times eine redaktionelle Linie existiert, dass der Löwenanteil des Materials über Russland einen scharf kritischen Charakter haben muss. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.

Womit ist die Verstärkung der negativen Beziehung zu Russland verbunden?

Puschkow: Die negative Beziehung geht auf die Tätigkeit der westlichen Propagandamaschine zurück. Als Professor der Moskauer Universität für Internationale Beziehungen komme ich oft dazu, vor westlichen Auditorien aufzutreten. Und ich kann Ihnen sagen, dass sich die Beziehung zu Russland sofort verändert, sobald man auf reale Menschen trifft und nicht auf professionelle Propagandisten und Politiker. Russland wird ganz anders wahrgenommen, nämlich als ein wichtiger Staat, mit dem man kooperieren muss, das natürlich seine Schwächen hat und keine vollendete Demokratie ist, aber bestimmt nicht all jene Todsünden begeht, die ihm die westliche Propagandamaschine zuschreibt.

Und dieser Abstand zur offiziell verbeiteten Meinung ist enorm. Ich glaube, dass wir mehr mit der öffentlichen Meinung des Westens arbeiten müssen. Wir müssen unsere Energie weniger darauf verwenden, professionelle Politiker und "Ritter des Kalten Krieges" zu überzeugen, deren Karrieren auf anti-russischen Positionen aufgebaut sind. Sie zu überzeugen ist sinnlos und bedeutet Verschwendung der Kraft und der Mittel. Viel gerechtfertigter ist die Arbeit mit der Zivilgesellschaft, mit westlichen NGOs und Parteien, kurz gesagt mit der Öffentlichkeit, die zu einem nüchternen Blick auf Russland bereit ist. Allein in diesem Jahr hatte ich Auftritte in Dänemark, Großbritannien, der Schweiz und Tschechien. Aus der Kommunikation mit den Menschen habe ich diese Einstellung gewonnen.

Edward Lucas, der Koluminst der einflussreichen Zeitschrift The Economist, charakterisierte die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen als einen neuen Kalten Krieg. Sind Sie mit dieser Meinung einverstanden?

Puschkow: In Wirklichkeit gibt es keinen Kalten Krieg. Dies ist im Wesentlichen eine Erfindung jener westlicher Politiker, die äußerst anti-russische Positionen vertreten und nicht die Veränderungen sehen wollen, die seit der Auflösung der Sowjetunion geschehen sind. Sie brauchen einen Kalten Krieg, um die Arbeit ihres Rüstungskomplexes ideologisch zu nähren, sie machen Karriere durch die Wiederbelebung des Geistes des Kalten Krieges. Dazu gehören auch manche britische Journalisten, die Bücher veröffentlichen, in denen Russland beinahe mit Hitlerdeutschland verglichen und sonstiger Unsinn erzählt wird, der mit großem Vergnügen von einem Teil der westlichen Öffentlichkeit verschlungen wird, die sich ohne einen Feind langweilt.

Schauen Sie: in den Neunziger Jahren hatte selbst James Bond niemanden zum Bekämpfen! Als der Feind noch die Russen waren, gab es zumindest noch einen würdigen Gegner. Seitdem kamen irgendwelche manischen Weltzerstörer, irgendwelches Nordkorea - das ist alles unseriös. Es gibt eine Nachfrage nach dem Feindbild Russland, das den Westen mobilisieren und einigen soll.

Diese Einheit steht nämlich unter großem Fragezeichen. Als der Irakkrieg begann, zerfiel sie. Die Hälfte der Nato hat die USA nicht unterstützt. Das russische Feindbild ist heute ein sehr bequemer Faktor für die Wiedervereinigung des Westens unter dem Schirm der USA und für deren fortgesetzte Präsenz in Europa. Der Schatten eines bedrohlichen Russlands ist sehr karrierefördernd und wird noch lange gebraucht werden. Vor kurzem bei Debatten in London ist einer von solcher "Nachtigallen des Kalten Krieges" schon vor dem Ende des Diskussion losgestürmt, um seine Bücher zu signieren. Er hatte Angst, dass die Menschen auseinandergehen, ohne dass er ihre Bücher unterschreibt. Es war ihm sehr wichtig, auf der Welle der kritischen Beziehung zu Russland maximal Punkte zu sammeln. Das heißt, das ist ein Spiel, das Menschen vollkommen bewußt führen, ihren Erfolg darauf aufbauen, sich Geld und einen Namen machen. In diesem Kontext ist der Kalte Krieg eine absurde virtuelle Realität, die zweifellos existiert, aber eben als etwas Erfundenes.

- Edward Lucas nennt westliche Politiker und Geschäftsleute, die mit Russland zusammenarbeiten, "Speichellecker des Kremls"...

Puschkow: Dieser Mann erzählt in letzter Zeit so viel Unsinn, dass es kaum wert ist, darüber zu diskutieren. Lucas arbeitet weiterhin in der Dimension des Kalten Krieges. Und je schärfer seine Töne sind, desto gefragter ist er. Seine Äußerungen haben keinen analytischen und politologischen Wert, dafür sind für manche Kreise im Westen seine propagandistischen Übungen sehr wertvoll. Doch die westliche Geschäftswelt, darunter auch die britische, orientiert sich bestimmt nicht an Leuten wie Lucas.

Hat das Image Russlands in der Welt in den letzten Jahren mehr gelitten oder profitiert?

Puschkow: Wir neigen immer dazu, das Image Russland aus der Perspektive des Westens zu betrachten. Ich halte das für einen großen Irrtum. Wir sollten nicht die ganze Welt mit dem Westen gleichsetzen. Der Westen zwingt allen diese Sicht auf, wenn von der Meinung der Weltöffentlichkeit die Rede ist. Wenn im Westen das Wort Weltöffentlichkeit fällt, meint man damit die 25 Nato-Staaten oder die 27 EU-Staaten. Aber das ist lachhaft. Es gibt keine solche Weltöffentlichkeit, die sich auf 27 Staaten beschränkt. Es gibt eine Weltöffentlichkeit, die sich aus über 200 Staaten zusammensetzt. Wenn wir auf das Bild Russland im Westen schauen, so gibt es dort in der Tat besorgniserregende Tendenzen. Dies liegt daran, dass manche daran interessiert sind, Russland ein Schuldkomplex aufzubürden, um es ihren Interessen unterzuordnen, in eine schwierige Lage zu bringen und es zu nötigen, westliche bzw. amerikanische Bedingungen zu akzeptieren.

Wenn wir jedoch auf die Beziehung zu Russland in anderen Teilen der Welt schauen, werden wir feststellen, dass sie dort weitaus positiver ist. China, Indien, Brasilien, Mexiko, die absolute Mehrheit der Erdenbürger schätzt Russland als einen positiven Faktor ein. Diese Beobachtung machte ich während meiner jahrelangen Tätigkeit und weiß es aus meiner Erfahrung als Politologe.

Sonntag, 30. März 2008

Über lupenreine Demokratien und Demokraten

Seit Gerhard Schröder in einem Interview Vladimir Putin einen lupenreinen Demokraten nannte, der sein Land modernisieren wolle, ist er zu einem Objekt von Hohn und Spott geworden, während dieser Spruch seitdem in den deutschen Medien ironisch an Putin kleben bleibt. Bei Putins Presskonferenzen oder Interviews mit westlichen Journalisten regnet es denn auch immer wieder solche überaus geistreichen wie entwaffnenden Fragen wie "Herr Putin, sind Sie ein lupenreiner Demokrat?". In einem Interview mit dem SPIEGEL konnte es sich Putin nicht verkneifen, die Dummheit des Fragenden aufs Korn zu nehmen: "Ja, ich bin der einzige lupenreine Demokrat weltweit und langweile mich, seit Mahatma Gandhi tot ist. Man hat niemanden mehr zum Reden".

Was für eine Antwort verdient auch jemand, der absolut unrealistische Maßstäbe anlegt? Wie es um die lupenreine Demokratie im Westen bestellt ist, sieht man an vielen Ecken. Ständig stößt man auf Entscheidungen, die am Volk vorbei getroffen werden, weil man Angst hat, es zu fragen. In diese Rubrik kann man die EU-Osterweiterung, die EU-Verfassung oder zahlreiche andere Punkte einordnen. Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang auch diese Abbildung, die zeigt, dass obwohl ca. 90% der Briten gegen den völkerrechtswidrigen Krieg im Irak waren, ihre Regierung dennoch Soldaten an die vorderste Front schickte. Doch Proteste nützen natürlich nichts, denn was im Washingtoner Politbüro entschieden wurde, ist ungeachtet der Volksmeinung weltweit Gesetz für Lakaienregierungen.

Ähnliches sieht man auch in der Frage der Raketenabwehr in Polen und Tschechien. Obwohl Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in den beiden Ländern die Installation der Raketen auf ihrem Boden ablehnt, schalten die Behörden auf stur. Da können die einfachen Menschen noch so viel protestieren: auf ihre Meinung wird gepfiffen und das Projekt durchgeboxt. Charakteristisch ist auch die im Westen als demokratisch hochgepriesene Ukraine. Das Land wird von der Regierung und von den Amerikanern mit Gewalt in die NATO gezerrt, obwohl gerade 19% der Bevölkerung dies befürwortet.

All das zusammenfassend, kann man durchaus die Sicht vertreten, dass Russland heute ein demokratischeres Land ist, als die genannten "Musterdemokratien", die sich in die Brust klopfen und mit Schaum vor dem Mund ihr demokratisches Wesen beteuern. Denn es ist mir nichts bekannt, was in Russland gegen die Meinung der Bevölkerungsmehrheit durchgeboxt wird. Und dies ist so ziemlich das Hauptkriterium einer Demokratie. In westlichen Ländern ist das Ignorieren des Volkes dagegen an der Tagesordnung und kann mit vollem Recht als "Diktatur auf Zeit" bezeichnet werden. Dennoch bleibt der demokratische Heiligenschein in der medialen Selbstdarstellung dieser Länder unangekratzt. Man kann den Medien in diesem Zusammenhang zu ihrem hohen Professionalismus und Kunstfertigkeit im Propagandageschäft nur gratulieren. Sie machen das scheinbar Unmögliche wahr: am Ende wird jeder ja doch ruhig gewiegelt und kommt erst gar nicht auf den Gedanken, sein ignoriertes Lemmingdasein aus der Vogelperspektive zu betrachten sowie über die herrschenden Realien grundlegende Schlüsse zu ziehen.