Montag, 11. Juni 2007

Sarkozys sofortige Kehrtwende?

Während des Wahlkampfes in Frankreich ließ Sarkozy noch wissen, ihm seien die "demokratischen" USA viel sympathischer als das "autoritäre" Russland und dass er für eine stärkere transatlantische Orientierung eintrete, während man mit Russland deutlich härter reden sollte. Doch auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm bot sich ein völlig umgekehrtes Bild. Die Welt erlebte, wie sich der neue französische Präsident lachend mit Putin unterhält, sich beide kumpanenhaft ein Handy teilen und Sarkozy auf den Pressekonferenzen zur engstmöglichen Zusammenarbeit mit Russland aufruft. Gleichzeitig ist es zwischen Sarkozy und Bush beinah zu einem handfesten Krach gekommen.

Und dann noch das: Sarkozy und Putin haben es zusammen, wie man unten sehen kann, wohl ordentlich krachen lassen (im entgegengesetzten Sinn) und ihre Bekanntschaft abseits langweiliger Merkels gleich richtig mit Alkohol begossen. Ist das der entwaffnende Charme eines ehemaligen KGB-Agenten oder die natürliche Sympathie zwischen zwei professionellen Politikern? Wir werden es sehen. Auf jeden Fall, Glückwunsch zu den haushoch gewonnenen Parlamentswahlen!

Ultimaten einer lahmen Ente

Während des G8-Gipfels in Heiligendamm ließ vor allem Großbritanniens Premierminister Tony Blair scharfe Rhetorik Richtung Russland verlauten. Internationale Unternehmen, tönte er, würden Russland den Rücken kehren, falls es nicht westliche Werte teile. Bereits beim Hören dieser Worte fühlt sich jeder Kenner der üblichen Kapitalismus-Praxis und der Politik internationaler Großkonzerne zum Schmunzeln gezwungen. Noch nie haben sich diese bei der Aussicht auf fette Gewinne um irgendwelche ethisch-moralische Prinzipien gekümmert, erst recht dann, wenn sie auch von Politikern selektiv und willkürlich angewendet werden. Doch richtig Lügen strafte Blair der wenige Tage später angefangene Wirtschaftsforum in Sankt-Petersburg, auf dem sich knapp 9000 Teilnehmer aus 65 Ländern einfanden (darunter die Bosse aller führenden Energieunternehmen) und wo internationale Verträge im Wert von 13,5 Milliarden US-Dollar geschlossen wurden, vor dem Hintergrund des diesjährigen prognostizierten Kapitalzuflusses in Russland von ca. 60 Milliarden US-Dollar.

Warum macht sich Tony Blair also zum Affen? Die Antwort ist schlichter als man denkt: pure Inkompetenz, geistige Trägheit und völliges Fehlen von politischem Gespür. Jemand, der es er so weit gebracht hat, dass sein Name sofort mit dem Wort "Pudel" assoziiert wird, der von der eigenen Partei vorzeitig abgeschossen wird und inmitten von Korruptionsskandalen, von 2/3 der Briten verachtet die politische Bühne räumt, dürfte der letzte sein, der noch irgendwelche drohenden Posen einnehmen sollte. Doch andererseits passt es irgendwie doch ins Bild, wenn ein Tony Blair mal wieder kein Fettnäpfchen zum Reintreten auslässt.

Dienstag, 5. Juni 2007

Zum russisch-amerikanischen Raketenstreit

Eines der heißesten Themen beim kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm soll laut Medienberichten der russisch-amerikanische Streit über den geplanten Aufbau amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien sein. Der deutsche mediale Ton ist überwiegend so, dass die erklärten amerikanischen Ziele, die Anlagen gegen "Schurkenstaaten" wie den Iran einzusetzen, weitgehend nicht in Frage gestellt werden. Obwohl die Mehrheit in Deutschland durchaus der Meinung ist, dass diese Systeme in erster Linie gegen Russland gebaut werden, wird man in den Artikeln und den Berichten führender Medien vergeblich Worte wie "angeblich" suchen, die bei der Wiedergabe offizieller russischer Standpunkte oft genug auftauchen.

Häufig bekommt man stattdessen von diversen "Kommentatoren" die ungeschminkte Vermittlung des offiziellen Standpunkts des Weißen Hauses als letzte Wahrheit. Dazu gehören etwa die Argumente wie dass 10 Raketen sowieso nichts gegen das russische Atomarsenal ausrichten könnten, dass die Raketen rein defensiver Natur sein werden und sich generell nicht gegen Russland richten. Viele machen sogar wieder Russland zum Schuldigen, denn es teste ja neuartige Atomraketen und initiiere damit eine neue Runde des Rüstungswettlaufs. Die Krone dieser Argumentation ist der Verweis auf die vermeintliche Kooperationsbereitschaft der Amerikaner: sie bieten ja den Russen an, sich am Projekt zu beteiligen und wenn Putin nicht darauf eingeht, kann das nur innenpolitisch-populistische Gründe haben.

Natürlich ist dies alles nur oberflächlich überzeugend. In Wahrheit (und die findet man in den Medien nur selten) können Abwehrraketen relativ leicht mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden und somit zu Offensivwaffen umgerüstet werden. Zum anderen kann niemand sicher sein oder ernsthaft kontrollieren, dass es bei lediglich 10 Raketen bleiben wird. In dieser Phase geht es den Amerikanern lediglich darum, die Stützpunkte für sich zu gewinnen, daher sind ihre Ankündigungen noch so bescheiden und friedfertig. Nachdem sie jedoch den Fuss in die Türschwelle bekommen haben, kann niemand ausschließen, dass weitere Hunderte Raketen unbemerkt von der Öffentlichkeit nach Osteuropa eingeführt werden. Wer soll das alles kontrollieren? Sogar eventuelle Kontrollvereinbarungen sind jederzeit suspendierbar, wenn es hart auf hart kommt. Die Amerikaner schaffen heute Tatsachen und wollen, dass sich andere auf ihr Wort verlassen. Globale Sicherheitsmechanismen funktionieren jedoch nicht auf diese Weise.

Die bisherigen amerikanischen Kooperationsangebote sind nur Scheinangebote, die nur unwesentliches Entgegenkommen beinhalten und sich von vornherein der russischen Ablehnung bewußt sind, um sie später als destruktive Haltung Moskaus zu präsentieren. Russland sorgt derweil vor und testet neuartige Raketen. Es wäre falsch, diese Aktionen Moskaus als größere Schritte in Richtung Rüstungswettlauf zu verstehen, als den "defensiven" amerikanischen Raketenschirm. Schließlich zielen die russischen Anstrengungen nicht auf eine Veränderung des Status Quo hin, der uns viele Jahrzehnte Stabilität beschert hat, sondern bemühen sich gerade um seine Erhaltung. Und auch die Ankündigungen der Russen, dass ihre Raketen imstande sein werden, die amerikanischen Systeme zu überwinden, sollten nicht als Drohung verstanden werden.

Die amerikanische Argumentation überzeugt zwar die meisten Menschen nicht, doch gewisse politische Eliten klammern sich an sie mit einer bemerkenswerten Zähigkeit. Vor allem ist dies in Polen und Tschechien der Fall, in denen die Regierung einer breiten Skepsis der Bevölkerung gegenübersteht. Im Grunde demonstrieren die Machthabenden in diesen Ländern ihre völlige Verachtung der Demokratie. Auf welch absurdem und servilem Niveau sich die grenzenlose Befürwortung der amerikanischen Waffen in Osteuropa mittlerweile bewegt, zeigt das selbstgemachte Lied der tschechischen Verteidigungsministerin Parkanova: "Guten Tag, Flagge mit Sternen und Streifen. Du hast dich über uns schon entrollt... Guten Tag, Radar, einfach Welcome! Endlich haben wir dich erlebt (...) Guten Tag Radar, ich applaudiere dir".